Salman-Rushdie-Rede in Frankfurt

In Frankfurt wurde gestern Abend die Buchmesse eröffnet. "17.000 Inseln der Imagination" - unter diesem Titel präsentiert sich das diesjährige Gastland Indonesien. Die Aufmerksamkeit konzentrierte sich am Beginn aber auf das zweite große Messethema: die Meinungsfreiheit und den prominenten "Keynote-Speaker" dazu: Salman Rushdie, den indisch-britischen Autor, der 1989 wegen seiner "Satanischen Verse" mit einer "Fatwa" belegt worden war und seither in ständiger Todesangst lebt.

Morgenjournal, 14.10.2015

Aus Frankfurt,

Ab diesem Mittwoch zeigen mehr als 7.000 Aussteller aus über 100 Ländern ihre Produkte. Bis zum Sonntag werden bis zu 300.000 Besucher und 10.000 Journalisten erwartet. Die Buchmesse sei "ein Ort, an dem wir die Welt größer machen, damit darin Platz ist für die Gedanken aller", sagte Buchmessen-Direktor Juergen Boos bei der Eröffnung.

Ehrengast in diesem Jahr ist Indonesien. Der Gastlandauftritt steht unter dem Motto "17.000 Inseln der Imagination". Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte, Indonesiens Geschichte nähre die Hoffnung, "dass die demokratischen Kräfte auch weiterhin stärker sind als die Kräfte des islamischen Fundamentalismus". Indonesien - das größte muslimische Land der Welt - beweise, "dass ein aufgeklärter, ein liberaler Islam möglich ist".

Metalldetektorschleusen und Passkontrollen

Es war ein Aufritt unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Bereits vor einer Woche musste sich das gesamte Publikum einer so genannten polizeilichen "Zuverlässigkeitsüberprüfung" unterziehen, gestern vor dem Saaleingang noch Metalldetektorschleusen und Passkontrollen. Dann erschien Salman Rushdie, begleitet von Bodyguards und umringt von Filmteams und Fotografen.

"Keine Freiheit ohne Meinungsfreiheit"

"Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine anderen Freiheiten", mit diesem Appell eröffnete Salman Rushdie die Frankfurter Buchmesse. Wie nötig der Kampf um Meinungsfreiheit ist, zeigt allein die Tatsache, dass der Iran aus Protest gegen Rushdies Auftritt die Teilnahme an der Buchmesse abgesagt hat. Die 1989 vom Ajatollah Chomeini ausgesprochene Fatwa gegen den Autor der "Satanischen Verse" werde "nie verblassen", hatte es aktuell aus dem Kulturministerium in Teheran geheißen. Auch Rushdies neues Buch "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" richte sich indirekt gegen religiöse Werte und Überzeugungen, meinte der iranische Kultusminister zum Rückzug aus Frankfurt.

Ernstzunehmende Gefahren

"Bücher zu verlegen ist die Verkörperung der Meinungsfreiheit", erklärte Rushdie, aber dieser Job sei schwieriger geworden. Nicht nur Gewalt und Angst bedrohten das freie Wort - auch übertriebene "Political Correctness" sei eine ernstzunehmende Gefahr. In den USA denke man darüber nach, Bücher mit Warnhinweisen zu versehen, dass die darin enthaltenen Ideen den Leser irritieren und in Frage stellen könnten, warnte Rushdie.

"Literatur ist stark, aber Autoren sind schwach"

Die Erzählliteratur - das sei der Ort, wo die Welt hinterfragt werden könne, die Narrative von Geschichte, Nation, Religion und Familie, das fiktionale Schreiben habe die Kraft und die Aufgabe, die Welt nicht als gegeben hinnehmen, meinte Salman Rushdie, das sei nicht zuletzt der Grund, warum Literatur auch Angst mache.

"Kunst gehört niemandem, keiner Partei und auch keiner religiösen Gruppe. Es ist eine einzelne Stimme, die sagt: ‚So sehe ich das, was meinst du?‘ Das macht sie gefährlich für jene, die kontrollieren wollen, die uns sagen, was wir denken sollen. Deshalb gehen Tyrannen so oft auf Autoren los." Die Literatur überlebt diese Attacken, sagte Rushdie und zählte Bücher auf, die Diktaturen überstanden haben, in denen sie verboten waren von Ovid über Ossip Mandelstam bis zu Federico Garcia Lorca.

"Literatur ist stark, aber Autoren sind schwach. Ihre Leben können zerstört werden, selbst wenn ihre Werke bleiben", sagte Salman Rushdie und fügte hinzu: "Das ist kein großer Trost, wenn man tot ist." Also sprach Salman Rushdie. Keine Publikumsfragen, keine Autogramme, nach seiner knapp 20-minütigen Rede fuhr er wieder zurück zum Flughafen, nach einem starken Debattenbeitrag zu einem Thema, das die Messe auch in den kommenden Tagen beschäftigen wird.

Text: APA/dpa/Red.