Klee & Kandinsky im Münchner Lenbachhaus
Sie waren wichtige Protagonisten der Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" und entscheidende Initiatoren der abstrakten Malerei: Der 1866 in Moskau geborene Wassily Kandinsky und der 1879 in der Nähe von Bern geborene Paul Klee. Wie sie sich gegenseitig inspirierten und beeinflussten, untersucht im Münchner Lenbachhaus die Ausstellung "Klee & Kandinsky. Nachbarn, Freunde, Konkurrenten".
8. April 2017, 21:58
Es ist eine Koproduktion mit dem Zentrum Paul Klee in Bern. Die Auswahl von Meisterwerken wird ergänzt durch internationale Leihgaben.
Kulturjournal, 21.10.2015
30 Jahre währende Freundschaft
1928 schuf Paul Klee das Bild "Treppe und Leiter", ein kleines Aquarell, und schenkte es dem Künstlerkollegen zum 62. Geburtstag mit der Widmung: "für Kandinsky freund-nachbarlich zum 5. Dez. 1928". Kurz darauf revanchierte sich Kandinsky: Seine Papierarbeit zu Klees Geburtstag zwei Wochen später griff dabei Formelemente von dessen Bild auf - die Treppe, die Dreiecke, die vertikale Bewegung. Zwei Bilder als Dokumente nicht nur der Freundschaft und gegenseitigen Wertschätzung, sondern auch eines unmittelbaren künstlerischen Austauschs.
"Die Ausstellung zeigt ganz subtile Bezüge in den Bildern, wie sie aufeinander reagiert haben. Da war zunächst eben Klee, der nur Graphiker war, der doch durch die Farbe von Kandinsky enorm inspiriert wurde und schon vor der Tunis-Reise Farbaquarelle ausprobiert hat", sagt Kuratorin Annegret Hoberg. "Es ist tatsächlich die erste Ausstellung zu der Künstlerfreundschaft zwischen Kandinsky und Klee. Tatsächlich waren sie eng befreundet über 30 Jahre. Und die Leihgaben dieser Ausstellung sind ganz gezielt unter dem Aspekt des künstlerischen Austauschs ausgewählt worden. Und deswegen sind es fast alles Bilderkompartimente oder Bilderpaare, wo man diesen künstlerischen Dialog ziemlich eindeutig nachvollziehen kann."
"Da sitzt was in der Seele"
Klee und Kandinsky begegneten sich im Oktober 1911 in München. Obwohl sie schon 1896 bzw. 1898 nach München zogen, obwohl beide bei Franz von Stuck an der Kunstakademie studierten, obwohl sie schon Jahre quasi Nachbarn waren, in der gleichen Straße in Schwabing, nur zwei Häuser auseinander, wohnten, kam es erst in diesem Herbst, kurz vor der ersten Ausstellung des "Blauen Reiter", zu einem ersten Treffen.
Sofort waren Respekt und Bewunderung da, was ein Tagebucheintrag Klees ebenso belegt wie eine Briefnotiz Kandinskys: "Er hat dann sofort am nächsten Tag an Franz Marc geschrieben, dass er Klee kennengelernt hat, obwohl er noch unbekannt war und vor sich hingearbeitet hat, hat Kandinsky sofort geschrieben 'Da sitzt schon was in der Seele'", sagt Annegret Hoberg.
Als sie sich 1911 trafen, war Kandinsky auf dem Höhepunkt seines Schaffens, der 13 Jahre jüngere Klee dagegen noch ein Suchender, der sich in Landschaftszeichnungen und satirischen Blättern übte. Die Ausstellung zeigt, wie sich - nicht zuletzt unter dem Einfluss Kandinskys - der Zeichner und Graphiker zum Malerpoeten entwickelte, der auch im Umgang mit der Farbe Mut schöpfte. Der Erste Weltkrieg trennte die beiden.
Kandinsky oder Klee?
Als sie sich Anfang der 1920er Jahre am Bauhaus in Weimar wieder trafen, waren die Vorzeichen umgekehrt. Klee war inzwischen berühmt, der aus Moskau zurückgekehrte Kandinsky dagegen musste erst wieder Fuß fassen. Der künstlerische Austausch wurde - auch später in Dessau, wo sie in einem "Meister"-Doppelhaus von Walter Gropius Tür an Tür wohnten - fortgesetzt, das zeigen wiederkehrende Formelemente und Motive in beider Werke.
Beide arbeiteten mit Quadrat- und Rasterformen, experimentierten mit Farb-abstufungen, wollten Bewegung und Rhythmik erzeugen. Klee wollte eine "polyphone" Malerei schaffen und suchte nach bildnerischen Analogien zu musikalischen Strukturen, Kandinsky sprach vom "inneren Klang" seiner Bilder. Bei allen Gemeinsamkeiten: Ihr Werk bleibt unverwechselbar. Mit Ausnahme der Arbeiten in der sogenannten "Spritztechnik".
"Das sind so toll abgestufte Aquarelle, da haben selbst die Kollegen gesagt, sie können nicht mehr unterscheiden, ob das jetzt Kandinsky oder Klee war. In der späten Bauhauszeit nähert sich Kandinsky diesen spielerischen-figurativen Elementen an, die Klee in seinem Werk hat. Klee wiederum wird mehr abstrakt-mechanisch in seinen späten Bauhaus-Bildern. Also es gibt eindeutige Bezüge."
Düstere Visionen & biomorphe Formen
Die gemeinsame Zeit am Bauhaus war für beide die wohl inspirierendste Zeit. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging Klee zurück in die Heimat Schweiz, der Russe Kandinsky emigrierte nach Paris. Klee malte von Kinderzeichnungen angeregte, oft düstere Visionen andeutende Bilder, Kandinsky beschäftigte sich mit biomorphen Formen. Einmal noch trafen sich die beiden, als "entartet" verfemten Künstler, als 1937 in Bern eine große Kandinsky-Ausstellung eröffnet wurde. Dem in einer Schaffenskrise steckenden und bereits schwer kranken Klee gab diese Begegnung noch einmal einen Schub - für ein ungeheuer reiches Spätwerk.
Kandinsky und Klee: zwei Freunde, die auf dem Kunstmarkt konkurrierten - und zusammen Boccia spielten, Tee tranken, sich Bilder schenkten - und sich doch 30 Jahre lang siezten.
Service
Lenbachhaus - Klee & Kandinsky. Nachbarn, Freunde, Konkurrenten
Der umfangreiche Katalog ist im Prestel Verlag erschienen.