Autor Donald Antrim - der große Unbekannte

Kaum einer kennt US-Autor Donald Antrim, dabei hat er mit Richard Ford, Jeffrey Eugenides und Jonathan Franzen äußerst prominente und begeisterte Fürsprecher. In seinem neuen Erzählband "Das smaragdene Licht in der Luft" verarbeitet der 57-Jährige eine jahrelange schwere psychische Erkrankung auf bisher nicht dagewesene Weise.

Mittagsjournal, 26.11.2015

Ein Mann hetzt den Broadway hinauf, im Arm einen riesigen Blumenstrauß für seine Frau. Als er eine Sirene hört, drückt er sich rasch in eine Seitengasse, denn der Strauß ist gestohlen. Wir befinden uns mitten drin in der vierten Geschichte "Noch ein Manhattan" von Donald Antrims Erzählband. "Der Mann erlebt die Vorzeichen eines Zusammenbruchs, während er den Broadway hinaufhastet", erklärt der Autor. "Dieser rasende Wechsel zwischen Emotionen und Wahrnehmungen bildet den Zustand dieser Figur ab, die versucht, die ganze Welt gleichzeitig im Kopf zu haben."

"Die Erfahrung einer Psychose greifbar machen"

Donald Antrim weiß, wovon er spricht. Jahrelang litt er unter einer schweren Psychose, unzählige Klinikaufenthalte und Dutzende Elektrokrampftherapien waren die Folge. Lange Zeit war ich mehr tot als lebendig, sagt er heute über diese Zeit. Donald Antrim: "Diese Sache hat mich acht bis neun Jahre meines Lebens gekostet, und das einzige, was ich in dieser Zeit geschrieben habe, waren diese Geschichten. Es ging mir darum, die Erfahrung einer Psychose greifbar zu machen - und das ist keine leichte Aufgabe, sich in diesen Zustand zurückzuversetzen und sich zu erinnern, wie sich das anfühlt. Man weiß nur, dass man diese Zusammenbrüche gehabt hat und dass man wegen der absterbenden Motoneuronen nicht mehr fähig war, eine gerade Linie zu gehen."

Schmerzhaftes Schreiben

Antrims bisherige Romane waren alles frei erfundene Geschichten mit einem Hang zum Fantastischen. Die meisten Erzählungen in seinem neuen Buch "Das smaragdene Licht in der Luft" sind hingegen stark autobiografisch und verraten, gibt Antrim zu, einiges über sein Leben: "Das hat nichts mit Enthüllungen zu tun und es ist mir auch ziemlich egal, was und wie viel jemand über mich weiß. Für mich bedeutet dieses Buch einen Aufbruch zu neuen Ufern. Ich will jetzt ausreizen, was Schreiben alles sein kann und wozu es sich verwenden lässt. Bisher kann ich nur sagen, dass es schmerzhafter ist als früher, aber das ist in Ordnung für mich."

So schmerzhaft das Schreiben für Antrim gewesen ist, so intensiv lässt er den Leser eintauchen in diese Welt, in der die Luft zum Erdrücken schwer empfunden wird. Die Erfahrungen, die Antrim beschreibt, gehen unter die Haut, sind gleichzeitig aber von seltener sprachlicher Präzision und Schönheit.

"Die Krankheit wirkte sich stark auf mein Empfinden aus. Die Erfahrungen waren zwar schrecklich, aber sie verliehen mir einen ganz neuen Blickwinkel, der mir beim Schreiben bisher unbekannte Türen geöffnet hat. Zum anderen hat mich meine lebensgefährliche Krise natürlich auch mit ganz neuen Inhalten und Themen versorgt", erzählt der Autor.

Pulitzer-Preis-Gewinner Jeffrey Eugenides hat einmal gemeint, "viele Autoren können traurig, lustig, erschreckend oder lächerlich sein. Antrim aber kann alles zugleich". Viel besser lässt sich die Wirkung von Antrims Erzählband "Das smaragdene Licht in der Luft" nicht beschreiben.

Service

Donald Antrim, "Das smaragdene Licht in der Luft", Erzählungen, aus dem amerikanischen Englisch von Nikolaus Stingl, Rowohlt Verlag

Originaltitel: "The Emerald Light in the Air", Farrar Straus Giroux

The New Yorker - Donald Antrim