Balkan-Länder schließen Grenzen

Die Flüchtlingsroute von der Türkei Richtung Nordwesteuropa ist faktisch dicht: Slowenien hat am Dienstag angekündigt, keine Flüchtlinge mehr durchzulassen. Künftig dürften Schutzsuchende nur nach Slowenien kommen, wenn sie dort Asyl beantragen wollten oder in Einzelfällen aus humanitären Gründen, erklärte das Innenministerium. Als Reaktion kündigten Serbien und Mazedonien an, ebenso zu verfahren. Slowenien setzte die neuen Maßnahmen um Mitternacht in Kraft.

Grenzzaun

APA/AFP/DIMITAR DILKOFF

Morgenjournal, 9.3.2016

Aus Slowenien,

Sloweniens Premier hat gestern angekündigt, dass es zwischen Slowenien und Österreich wieder völlige Reisefreiheit geben wird - weil niemand mehr durchgewunken wird. Gleichzeitig mit Slowenien hat auch Serbien die Grenzschließung angekündigt.
In allen Balkanstaaten dürften somit auch hunderte Migranten aber auch tatsächliche Flüchtlinge festsitzen, die nach Deutschland oder Österreich wollten. Und auch solche, die Eltern oder Kinder in Deutschland und Österreich haben. In Slowenien sind schon jetzt in zumindest zwei Flüchtlingszentren Menschen untergebracht, die von Österreich an der Grenze in Spielfeld zurückgewiesen wurden. Unter diesen Menschen sind viele Syrer und auch Afghanen, von denen manche Familienangehörige haben, die vor wenigen Wochen noch problemlos über die Grenze gekommen sind. Bernt Koschuh bereist dieser Tage die Balkanroute - seine erste Station ist Slowenien - und ein Camp, in dem die Zurückgewiesenen jetzt festsitzen.

Zurückgewiesen in Spielfeld

Ein Video mit zerbombten Häusern in Idlib in Syrien zeigt uns der 14-Jährige Ubaida im slowenischen Flüchtlingsquartier Vrhnika auf seinem Handy. Er selbst hat das gefilmt, sagt er, nach einem russischen Bombenangriff, erklärt sein Vater. Anfang Februar, haben wir Idlib verlassen, erzählt die junge Mutter Sena Mohamed Lul, und die Tränen kollern, auch weil die siebenköpfige Familie in Spielfeld zurückgewiesen wurde: Der Übersetzer hat gefragt, wohin wollen sie, wir haben gesagt nach Deutschland. Haben sie Verwandte in Europa. Wir haben gesagt, ja in Deutschland, Holland und Schweden. Und deshalb haben sie uns zurückgewiesen. Der Übersetzer hat verstanden, wir wollen nach Schweden, sagt Senas Mann Amer.

Ein Missverständnis vielleicht, meint die vierfache Mutter aber: Der Übersetzer hat mein Leben zerstört. Ich habe in Syrien alles verloren, mein Haus, die Schule meiner Kinder zerstört. Und dann das. Dabei wolle sie mit ihren vier Kindern und einem Neffen, dessen Vater im Krieg gestorben sei, nicht nach sondern durch Österreich – nach Saarbrücken zu ihrer Schwester und ihrer besten Freundin: „wir kommen in Frieden und wir wissen, Slowenien ist sicher aber wir wollen zu unserer Familie und Angela Merkel doch gesagt, dass Deutschland Syrer aufnimmt, warum lässt uns Österreich dann nicht durch“

Es ist ein ungewöhnlicher aber kein Einzelfall. Im Quartier Vrhnika bei Ljubljana sind 82 von Österreich zurückgewiesene Menschen untergebracht, 72 aus Syrien, 6 aus Afghanistan und vier aus dem Irak, sagt der Leiter des Zentrums, Branko Rajakovic: Die meisten haben Pässe und andere Papiere aus Syrien und Afghanistan und es ist bewiesen, dass sie von dort sind, übersetzt Ansche Schikonia Anse Sikonia, ebenfalls Mitarbeiter beim slowenischen Zivilschutz.

In Vrhnika wohnen fast ausschließlich Familien mit insgesamt 40 Kindern: Die Leute sagen, wir haben zu viel erzählt an der Grenze, statt nur zu sagen Asyl – Deutschland. Die 17-jährige Yasmin erzählt, dass sie aus Aleppo stammt und ebenfalls in Spielfeld das rote Armband bekommen hat, das für Zurückweisung steht. Die österreichische Caritas sucht nach ihr, weil ihr Vater in Österreich ist. „Es waren nur zwanzig Minuten zwischen mir und meinem Vater, ich war in Spielfeld und er in Graz und sie haben mich zurückgewiesen.“

Warum, das haben Yasmin und ihr Mann bzw. Freund nicht verstanden. Hat sie ein Dolmetsch als Wirtschaftsflüchtling gesehen, weil sie schon fast drei Jahre in der Türkei gelebt hat? Vor wenigen Wochen noch hätte so etwas jedenfalls niemand hinterfragt an der österreichischen Grenze. Die 17-Jährige will versuchen irgendwie doch noch nach Österreich zu kommen und die vierfache Mutter Sena erzählt: „Ehrlich gesagt haben wir versucht zu fliehen aus Slowenien und haben ein Zugticket nach München gekauft - aber wir sind an der österreichischen Grenze ein zweites Mal aufgehalten worden.“

Noch bevor nun die Balkanroute blockiert wird sitzen offenbar hunderte Syrer, Iraker und Afghanen fest am Balkan. Aus Slowenien wurden einige nach Kroatien abgeschoben, um das zu verhindern stellen andere einen Asylantrag in Slowenien – manche trotz Verwandten in Deutschland und Österreich.

Übrigens hat sich kürzlich der Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft damit beschäftigt, dass Flüchtlinge in Spielfeld zu Unrecht oder willkürlich zurückgewiesen worden seien. Speziell kritisiert wurde, die Rolle der über die Security-Firma G4S angeheuerten nicht-zertifizierten Laiendolmetscher.