"Krötenliebe" - Julya Rabinowich auf den Spuren Alma Mahlers

Die österreichische Schriftstellerin Julya Rabinowich beobachtet Alma Mahler bei ihren verhängnisvollen Affären und liefert gleichzeitig das Psychogramm einer widersprüchlichen Persönlichkeit und eines Zeitalters der Hysterie.

Mittagsjorunal, 12.3.2016

Sie war die Muse Gustav Mahlers, Oskar Kokoschkas und Franz Werfels, eine der angesehensten Salondamen Wiens und gleichzeitig eine verführerische Femme fatale, die zahllose Männer an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachte. Zahllos sind die Mythen, die sich um das Leben Alma Mahlers ranken und ebenso zahlreich die Bücher, die diesen Mythos bedienen und fortspinnen. Die österreichische Schriftstellerin Julya Rabinowich hat sich jetzt in ihrem ersten historischen Roman mit dem Titel "Krötenliebe" daran gemacht, die Beweggründe dieser widersprüchlichen Persönlichkeit zu entschlüsseln.

Alma Mahler war nie ein Kind von Traurigkeit, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs trieb sie es aber wirklich bunt. Da gab es eine vorläufig ruhende Affäre mit dem späteren Bauhausgründer Walter Gropius, eine Beziehung mit Oskar Kokoschka, die sogar zu einer Schwangerschaft führte und ein Tete-a-tete mit dem Biologen Paul Kammerer. Für Kokoschka war sie dabei gefährliche Geliebte und Muse in einem, inspirierte ihn zuerst zu seinem berühmten Gemälde "Die Windsbraut" und stürzte ihn dann in tiefe Verzweiflung.

Pose statt Irrsinn und Verlangen

Voller skurriler Details steckt der Roman "Krötenliebe". So setzt er ein im Atelier Oskar Kokoschkas, wo sich der Künstler über die Trennung von Alma mit einer lebensgroßen Puppe hinwegtröstet, gefertigt von einer berühmten Münchner Puppenbauerin genau nach den Maßen seiner Angebeteten. Almas gefährliches Spiel hat ihre Liebhaber in schwere Krisen gestürzt, spürbar wird im Roman aber auch die besondere Atmosphäre der damaligen Zeit, eine uns heute völlig fremd gewordene Bereitschaft, sich Hals über Kopf seinen Emotionen zu überlassen, so Julya Rabinowich. "Irgendwo mag ich diese Hysteriker, die sich erniedrigen, die sich absolut kranke Dinge liefern, aber die sich das auch trauen. Unser Zeitalter ist so bieder in seiner Sexualität, obwohl die so nach vor gekehrt wird. Aber sie wird als Pose herausgekehrt und nicht als wirklicher Irrsinn, als Verlangen und Leidenschaft."

Würmer für die Gottesanbeterin

Ein böses Spiel hat Alma auch mit dem Biologen Paul Kammerer gespielt, der dritten Hauptfigur des Romans. Kammerer wollte Darwin widerlegen und zeigen, dass die Evolution nicht nach dem Zufallsprinzip sondern logisch und systematisch abläuft. Als man ihn bezichtigte, seine Forschungsergebnisse gefälscht zu haben, nahm sich Kammerer 1926 das Leben. Gar nicht einfach sei das gewesen, so Julya Rabinowich, einen Roman innerhalb dieses strengen historischen Gerüsts zu entwerfen. Nur ein einziges Mal, gibt die Autorin zu, hat sie ihrer Fantasie den Vortritt gelassen. "Die Gottesanbeterinnen wurden mit Larven gefüttert und nicht mit Würmern, aber ich wollte Würmer auch in ihrer freudianischen Bedeutung." Das falsche Futter für die Gottesanbeterin, das richtige Lesefutter jedoch für diejenigen, die Alma Mahler und ihre Zeit jenseits der herkömmlichen Mythifizierung erleben wollen. "Krötenliebe" von Julya Rabinowich ist bei Deuticke erschienen.

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Julya Rabinowich, "Krötenliebe", Deuticke