Cannes mit Assayas und Almodovar
Zwei Schwergewichte des europäischen Kinos haben gestern im Cannes-Wettbewerb Premiere gefeiert: "Personal Shopper" von Olivier Assayas - mit dem einstigen "Twilight"-Teenie-Star Kristen Stewart in der Hauptrolle - und "Julieta" von Oscar-Preisträger Pedro Almodovar, der in Cannes für "Volver" 2006 die Goldene Palme gewonnen hatte.
26. April 2017, 12:23
Die 69. Internationalen Filmfestspiele laufen noch bis Sonntag.
Morgenjournal, 18.5.2016
Knapp zwei Stunden lang war es mucksmäuschenstill im Grand Theatre Lumiere, bei der Vorführung von Pedro Almodovars "Julieta". Einmal mehr sei er dabei in eine Welt zurückgekehrt, die er wohl nie verlassen werde, so Almodovar: die Welt der Frauen. Basierend auf drei Kurzgeschichten von Alice Munro, erzählt der Film von der titelgebenden Julieta, die seit zwölf Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter hat, und darüber, wie die Abwesenheit von jemandem, ein Leben bestimmen kann.
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Bildern und verdichtender Musik, stellt Almodovar dabei eine Frauenfigur in das Zentrum, die sich aber von jenen seiner bisherigen Filme wesentlich unterscheide. Verglichen zu den anderen Müttern in seinen Filmen, die alle sehr stark seien, sehr kämpferisch, sei Julieta verletzlich. Ein Opfer der Verluste, die sie erlebt habe.
Zuletzt sah sich Almodovar vor allem in Spanien einem medialen Kreuzfeuer ausgesetzt, weil sein Name in den Panama Papers aufgetaucht war. Und obwohl der Moderator ihn einlud nicht auf die Frage einzugehen, meinte Almodovar in der Pressekonferenz sichtlich entspannt: Wären die Panama Papers ein Film, wäre seine Rolle so klein, dass er nicht einmal als Komparse im Abspann aufscheinen würde. Am Ende gab es viel Applaus für "Julieta" - ein weiterer Anwärter für einen der Festivalpreise.
Dass Cannes 2016 auch anders kann, musste hingegen Olivier Assayas erleben. Kein Applaus, Pfiffe und Buhrufe. Doch Assayas nahm es gelassen: Eine Filmpremiere, gerade in Cannes, sei wie eine Geburt. Und sein Film habe die Erwartungen wohl nicht erfüllt.
Mit "Personal Shopper" hat Assayas einen Horrorfilm realisiert: Eine junge Frau wartet auf ein Zeichen ihres verstorbenen Bruders; eine Geistergeschichte, die dabei vor allem auch Anziehungskraft des Geisterglaubens und damit verbundene Urängste reflektiert. Der Film wirkt oft zerfahren, ist aber mit seinem eigenwilligen Rhythmus dennoch über weite Strecken spannungsgeladen. Das liegt nicht zuletzt an Hauptdarstellerin Kristen Stewart, die praktisch jede Szene des Films trägt. Es gehe hier um eine tiefgreifende Identitätskrise, weshalb ein extremes Schauspiel nötig gewesen sei. Dementsprechend wurde Stewart - bei ihrem bereits zweiten Auftritt hier in Cannes nach Woody Allens "Café Society" - mit viel Applaus bedacht.