"El Juez" - José Carreras im Interview

Am 2. und am 5. Juli gibt es am Theater an der Wien Christian Kolonovits' Oper "El Juez" zu erleben, die er für José Carreras geschrieben hat. Das Werk behandelt eines der dunkelsten Themen der spanischen Geschichte: die gestohlenen Kinder der Franco-Diktatur. Ein Gespräch über Carreras Jugend in jener Zeit und die Entstehung der Oper.

Kulturjournal, 28.6.2016

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Theater an der Wien - El Juez

Es sind jene Kinder, die zwischen 1939 und 1975 ihren politisch linksstehenden Eltern weggenommen wurden um in Klöstern und anderen öffentlichen Einrichtungen umerzogen zu werden. Die Kinder bekamen neue Namen und erfuhren nie, woher sie kamen und wer ihre wirklichen Eltern waren. Bis heute blieb das einzig existierende Archiv verschlossen und die quälenden Fragen nach der eigenen, der wahren Identität ohne Antwort.

Jetzt kommt "El Juez" samt José Carreras für zweimal ans Theater an der Wien. Am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters steht der Komponist selbst: Christian Kolonovits.

Sie haben Christian Kolonovits angeregt, eine Oper zu schreiben. Kann man das Ergebnis als gemeinsames Produkt bezeichnen?

Carreras: Nein, das wäre wirklich dem Komponisten und Librettistin gegenüber unfair. Es ist ihr Werk. Während des Entstehungsprozesses hat mir Christian Kolonovits immer wieder Versionen präsentiert, wir haben darüber gesprochen und diskutiert, aber die Leistung und der Verdienst liegen ausschließlich auf seiner Seite. Ich bin nur der Interpret.

Natürlich muss man sagen, dass ich in den Entstehungsprozess insofern involviert war, als es sich bei der Handlung ja um einen Teil der spanischen Geschichte handelt, den ich als Zeitzeuge miterlebt habe. Ich war bereits auf der Welt und lebte während der Franco-Diktatur in Barcelona. Deshalb hatte ich einige persönliche Erfahrungen, die ich natürlich Angelika und Christian mitgeteilt habe.

Welche Art von Erfahrung haben sie und ihre Familie zu der Zeit gemacht?

Während des Spanischen Bürgerkriegs war meine Familie auf der "anderen Seite". Mein Vater und Großvater kämpften auf republikanischer Seite gegen Franco. In meiner Familie hat es immer ein großes Bedürfnis nach Freiheit und Demokratie gegeben. Wir lebten damals unter der Franco-Diktatur wirklich in einer dunklen, schwierigen Zeit. Die Zeiten haben sich heute geändert, und wir leben - na, sagen wir - irgendwie in einer Demokratie, irgendwie halt. Aber die Franco-Diktatur war für uns Kinder auch eine bedeutende Zeit, in der wir gewachsen sind. Meine Eltern haben uns Kindern gelehrt, worauf es im Leben ankommt. Ich bin ihnen bis heute für die Prinzipien und die Werte dankbar, die sie uns vermittelt haben.

Dennoch soll die Oper kein politisches Werk sein. Im Zentrum steht, wie bei fast jeder Oper, die menschliche Tragödie, die Entwicklung der einzelnen Charaktere.

Wir wollten nicht ins politische Geschehen involviert werden. Die Handlung spielt eben zu dieser Zeit, aber die Oper ist keineswegs ein Werk über Politik. Im Vordergrund stehen Musik, Kunst, menschliche Gefühle. Es ist nicht notwendig, eine Proklamation für oder gegen bestimmte Ideale abzugeben.

Werden sie nach den beiden Aufführungen von "El Juez" auch wieder für Konzerte nach Wien zurückkommen?

Ich hoffe sehr und bin sicher, dass wir etwas zustande bringen, bevor ich den letzten Vorhang fallen lasse.

Aber ausschließlich für Konzerte. Auf die Bühne außerhalb des "El Juez" Projekts zurückzukehren, daran denken sie nicht.

Ich glaube nicht, aber man weiß ja nie, was das Leben so bringt. Auch wenn ich offen für alles bin, denke ich im Moment nicht, dass das geschehen wird. Im Moment bin ich einfach glücklich in dieser wunderbaren Stadt Wien, wo es so eine außergewöhnliche musikalische Tradition gibt, wieder Oper zu machen.