FACEBOOK/ALAN BRANDT
Werbemarkt
Facebook und Google gegen den Rest
Der österreichische Online-Werbemarkt ist im internationalen Vergleich klein, aber er wächst. Doch die österreichischen Medienkonzerne und Agenturen haben wenig davon. Das Geld fließt direkt an Facebook und Google, vorbei an den Verlagshäusern. Auf der Suche nach alternativen Geschäftsmodellen werden viele von ihnen immer mehr zu Internet-Handelshäusern.
1. Jänner 2018, 02:00
Schweigen ist Gold. Für Facebook und Google heißt das übersetzt: Sag nicht, wo du dein Geld verdienst, dann zahlst du auch keine Steuern. Dass die großen Zuwächse, die der Online-Werbemarkt auch in Österreich erfährt, in die Bereiche Suchmaschinen-Optimierung, Facebook oder YouTube-Werbung fließen, ist trotzdem kein Geheimnis. "Es wird mehr Geld für digitale Werbung in Österreich ausgegeben, aber das Geld bleibt nicht in Österreich, es geht an Facebook, Google, Amazon und Co. Diese Wertschöpfung geht in Österreich komplett verloren", schildert André Eckert, Geschäftsführer vom IAB, dem Interactive Advertising Bureau, das die digitale Werbewirtschaft vertritt.
Das Geld bleibt nicht in Österreich
Darauf deuten auch die Zahlen der Werbebeobachter von Focus Media Research hin. Im ersten Halbjahr 2017 wurden für klassische Anzeigen im Netz rund 120 Millionen Euro ausgegeben, knapp sieben Prozent vom ganzen Werbekuchen. Der größte Teil der Werbeetats wird nach wie vor in Printmedien gesteckt.
Wo Werbung geschaltet wird
Ausgaben für Suchmaschinen-Optimierung und Social-Media-Werbung sind in den 120 Millionen Euro für Online-Werbung im ersten Halbjahr 2017 bzw. 251 Millionen Euro 2016 (siehe Grafik) allerdings nicht enthalten. Welche Summen dorthin fließen, lässt sich nur schätzen, weil gerade kleinere Unternehmen ihre Anzeigen direkt über Google und Facebook buchen - und die wiederum ihre Umsätze in Österreich nicht ausweisen. Aber die Marktforscher gehen davon aus, dass die Umsätze im Online-Werbemarkt insgesamt mindestens doppelt so hoch sind – und dass das Plus fast ausschließlich an Google und Facebook fließt. Anders gesagt: rund die Hälfte der Umsätze im Onlinemarkt geht an Facebook und Google.
Seid doch dankbar, sagt Google
Von Facebook ist über das Werbegeschäft in Österreich gar nichts zu erfahren. Google Österreich lässt #doublecheck ausrichten: "Google Austria erfüllt alle steuerlichen Vorschriften in Österreich." Und weiter: "Klein- und Mittelbetriebe haben mit geringen Budgets die Möglichkeit, bei Google zu werben. Geld, das für klassische Werbung nicht gereicht hätte. Google schafft gesamtwirtschaftlich einen Mehrwert."
Die Internet-Giganten in Europa zum Steuerzahlen zu verpflichten, ist ein langfristiges Anliegen der Politik. In der Zwischenzeit kassieren Facebook und Google in Europa mindestens 85 Prozent des Umsatzwachstums der Branche, das zeigen Zahlen der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle im Europarat.
Mobile First
Ein Grund für das Umsatzwachstum ist auch das geänderte Mediennutzungsverhalten, das sich immer mehr auf Smartphones abspielt. Und davon profitieren wiederum Google und Facebook, erklärt Nadia Abou Nabout, Online-Werbeexpertin an der Wirtschaftsuniversität Wien: "Ein Indiz dafür ist, dass der Bereich Mobile sehr stark wächst - ein Markt, den sich Facebook und Google aufteilen." Das Erfolgsrezept von Facebook und Google: ein großer Datenschatz, der gezieltes Werben sehr effizient macht, und einfache Buchungssysteme, die jeder bedienen kann. Damit können Medienhäuser nicht konkurrieren, so Abou Nabout.
Mit dieser Hausforderung gehen Medienhäuser unterschiedlich um. Viele werden zu Internet-Handelshäusern. Auch das Vorarlberger Medienhaus Russmedia hat Handelsportale für Immobilien, Autos, Motorräder und sogar für Pferde - aber auch Jobbörsen, und das nicht nur in Österreich.
Verlage werden zu Handelshäusern
"Rein mit Werbung könnten wir die Redaktion nicht finanzieren, und ohne die Portale wäre es sehr schwierig, die redaktionelle Qualität aufrechtzuerhalten", sagt André Eckert, der auch Digital-Chef vom Vorarlberger Medienhaus Russmedia ist. Werbekunden bekommen für bestimmte Onlineportale zum Beispiel Jahresabo-Verträge. Redaktionell sei man ihnen aber nicht verpflichtet, sagt Eckert.
Beim Styria-Verlag in Graz, zu dem die "Kleine Zeitung" und "Die Presse" gehören, nimmt man das genauer. Auch Styria verdient mit Portalen wie willhaben.at oder car4you. Aber hier wird nicht querfinanziert, sagt Styria-Geschäftsführer Markus Mair. Das seien getrennte Geschäftsbereiche, die auch getrennt lebensfähig seien. Das hält Mair auch für eine Garantie für unabhängigen Journalismus – ohne Querfinanzierung keine Interessenskonflikte, so die Logik.
Journalismus hinter Bezahlschranken
Alternative: Die Leser und Leserinnen zahlen. Deshalb verlangen "Kleine Zeitung" und "Die Presse" seit einem Jahr für bestimmte Artikel im Netz einen Aufpreis, bei der "Kleinen Zeitung" heißt das Angebot "Plus", bei der "Presse" spricht man von "Premium"-Artikeln. 25.000 "Plus"-Abonnenten gibt es, 14.000 zahlen für "Presse Premium". Das bringe jeweils mehrere hunderttausend Euro und liege über den Erwartungen, sagt Mair - und werde deshalb sicher als Finanzierungsmodell erhalten bleiben. "Das ist ein Beitrag, mit dem wir wieder journalistische Arbeitsplätze absichern können, direkt mit journalistischer Leistung."
Viele junge Menschen seien bereit, für Premium-Artikel zu zahlen, sagt Mair. Ein Trend, der sich auch international zeigt. Die Voraussetzungen dafür kommen aus der Unterhaltungsindustrie, wo sich junge Menschen an Abo-Bezahlmodelle wie die Streaming-Plattform Netflix oder den Musikdienst Spotify gewöhnt hätten, sagt Nic Newman vom Reuters Institute an der Oxford University.
Danke, Netflix und Spotify
"Wir hatten früher die Vorstellung, dass junge Menschen nicht für Nachrichten zahlen wollen. Aber wir sehen, dass ein großer Teil der Finanzierung für den 'Guardian' oder die 'New York Times' von unter 35-Jährigen kommt. Sie haben durch Netflix und Spotify gelernt, dass man für Premium-Content auch mehr zahlen muss", sagt Newman.
Mit Werbung blitzen Verlage bei jungen Menschen im Netz oft ab, ein Großteil der User unter 35 habe sogenannte Ad-Blocker installiert, die Werbeanzeigen ausblenden, sagt Newman. Ein Problem für den Werbeleister, denn je weniger Menschen die Werbung sehen, desto weniger Geld fließt. Und mit bezahlten Werbe-Artikeln, die neben redaktionellen Inhalten erscheinen und auch fast so aussehen, würden sich Medien selbst schaden.
Native Advertising = Fake News?
Nic Newman warnt daher vor dem sogenannten Native Advertising: "Wenn man sich anschaut, wie Leser auf gesponserte Artikel reagieren, dann sieht man: Viele Personen erkennen die Artikel nicht als Werbung. Als wir sie in unseren Studien dann darauf hingewiesen haben, waren die Leute verärgert und haben das als Fake News bezeichnet. Das schwächt das Vertrauen in den Journalismus."
Im Internet Geld zu verdienen, ist für Medienhäuser also nach wie vor ein knallhartes Geschäft. Finanzierung durch Werbung ist schwierig, Leser und Leserinnen zur Kasse zu bitten - eine Gratwanderung. Da kann man auf keinen Geschäftsbereich verzichten, sagt André Eckert von Russmedia Digital. Man werde online weiter auf das Native Advertising setzen, sowie auf Blogger, die für Kunden schreiben - und auf auf bestimmte Sachthemen spezialisierte Sonder-Webseiten, ähnlich wie von Firmen gesponserte Beilagen in einer Zeitung.
Google: Freund und Feind
Und man macht sich sogar Feinde zum Freund, erklärt Eckert: "Es geht so weit, dass wir im Haus eine Agentur haben, die für Kunden Google-Werbung und Suchmaschinen-Optimierung anbietet. Also wenn sie bei uns nicht das Passende finden, haben wir noch immer die Möglichkeit, die Google-Welt anzubieten."
Auf Englisch gesagt sei das eine "Frenemy"-Geschichte: Man ist "Friend" und "Enemy" - also Freund und Feind in einem. Eine Zweckbeziehung für Geld.