ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Kulturjournalismus
"Ein kleines Dankeschön"
Früher, da konnte man sich nach einem Interview bei einem Künstler im Atelier eine kleine Zeichnung aussuchen, erzählen Kulturredakteure, die schon lange im Geschäft sind. Heute entstehen Interessenskonflikte im Kulturjournalismus eher dadurch, dass viele Redakteure und Redakteurinnen vom Journalismus nicht leben können, und viele Jobs haben.
5. Februar 2018, 02:00
Früher war der unabhängigste Journalist in der Kulturszene jener von der "Kronen Zeitung", erinnert sich Matthias Dusini, Kulturredakteur bei der Wiener Stadtzeitung "Falter". Denn dieser wurde am besten bezahlt.
Wenn das Geld im Journalismus nicht reicht
Auch heute gibt es Interessenskonflikte, wenn Journalisten in verschiedenen Sphären Geld verdienen, sagt Dusini. "Ein junger Kunstkritiker, der von ein paar Hundert Euro im Monat leben muss, natürlich wird der schauen, dass er mal eine Ausstellung kuratieren kann oder einen Katalogtext veröffentlichen kann. Er muss eine Patchwork-Existenz führen, die zur Befangenheit führen kann."
Einige seiner Kollegen und Kolleginnen in der Branche hätten aus so einem Interessenskonflikt die ehemalige Belvedere-Chefin Agnes Husslein-Arco in Schutz genommen, als dieser Verstöße gegen Compliance-Richtlinien vorgeworfen wurden. Namen will Dusini nicht nennen. Man kennt sich zu gut in der Szene.
Die Übermacht der Presseabteilungen
Beeinträchtigung der Berichterstattung gäbe es schon alleine dadurch, dass es in einzelnen Museen mehr Mitarbeiter in der Presseabteilung gäbe, als Kulturjournalisten bei allen Tageszeitungen zusammen genommen, meint Dusini und nennt das Belvedere als Beispiel.
Die Mitte als Kompromiss
Ein Urteil mit Abstand zum Beispiel über ein Theaterstück zu fällen, sei schwer, wenn man sich persönlich kennt, erzählt Norbert Mayer, Kulturredakteur von der Tageszeitung "Die Presse": "Da scheut man sich vor Extremen. Es wird dann kein totaler Verriss oder die totale Hymne. Man bleibt in der Mitte, und das ist oft uninteressant."
"Ja, wir reden darüber"
In der Kulturredaktion des aktuellen Dienstes bei Ö1 werden Naheverhältnisse in den Redaktionssitzungen diskutiert, sagt Ressortleiterin Susanna Dalmonte. Sie lehne Interviews mit Personen, die sie sehr gut kenne, ab und sagt über ihr Team: "Die meisten meiner Kollegen würden das ablehnen, weil sie dann in keinem guten Licht stehen."
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Du oder Sie?
Wie hält es die Ö1 Kulturredaktion im aktuellen Dienst mit dem Du? "Absolut per Sie, wenn nicht ein Unfall passiert, dass jemand vergisst - manchmal vergisst ja auch der Interviewpartner. Ich finde, das Sie dokumentiert eine gewisse Distanz, die auch rüber kommen soll", sagt Dalmonte. Auch mit Pressesprechern vermeide sie das vertrauliche Du: "Ich habe es nie ablehnen müssen, es ist auch eine Frage, wie man jemandem gegenüber tritt."
Kulturbeflissenheit im Wahlkampf
Versuche von der Politik die Kulturredaktion bei Ö1 zu instrumentalisieren gebe es natürlich auch, zum Beispiel im Wahlkampf: "Plötzlich wird der Minister oder die Ministerin ganz gesprächig und freundschaftlich gegenüber der Kulturredaktion. Da kann man schon das Interview machen, aber man muss den Spieß umdrehen."