Heißes Eisen schmieden

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Instrumentalisierung

Wenn Aufdecker zum Werkzeug werden

Woher kommen Informationen und warum bekommt man sie? Die Affäre Silberstein hat eine Diskussion über mehr Transparenz im Umgang mit Quellen angestoßen.

Der Wahlkampf ist schon fast ein Vierteljahr her, und die Affäre Silberstein beschäftigt die Medienbranche immer noch. Gernot Bauer - einer der Aufdecker der Rolle der SPÖ hinter den Anti-Kurz-Facebook-Seiten im Internet - analysierte den Medien-Fall im "Profil"-Jahresrückblick noch einmal. Das "Profil" und die Tageszeitung "Die Presse" hatten die brisanten Informationen, Quellen wurden nicht genannt.



Rechtfertigungsdruck beim "Profil"

"Das bedeutet nicht, dass 'Profil' die Quelle nicht kannte. Das Magazin prüfte die Validität seiner Informationen - und schützte die Quelle", schreibt Gernot Bauer. Das tat er auch als Reaktion auf den Medienwissenschafter Fritz Hausjell von der Universität Wien, der in der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" geschrieben hatte: "Investigativer Journalismus hätte den Umstand, dass hier die jeweils politisch gegnerische Seite massiv ihre Finger im Spiel hatte, thematisieren müssen. Das ist nicht erfolgt. Daher müssen sich die betreffenden Medien den Vorwurf der Instrumentalisierung gefallen lassen."

Der Zorn des "Presse"-Chefredakteurs

Als #doublecheck das Thema Anfang Oktober aufgriffen hat, löste das Zorn bei "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak aus. Ganz verraucht ist er immer noch nicht. "Das ist ein ziemlich absurder Vorwurf, den ich vorher in dieser Form noch nie gehört habe. Es hat noch nie jemand bei einer investigativen Enthüllung nachgefragt, wem es jetzt schadet und wem es nützt. Ehrlich gesagt ist das auch nicht unsere Aufgabe."

Wichtig sei, dass die Informationen wahr sind. Das sagt auch "Profil"-Herausgeber Christian Rainer, der wie Nowak den Verdacht zurückweist, man habe sich von politischen Akteuren einspannen lassen und mit dem Rücktritt von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler als einzigen Beweis quasi einen Lucky Punch – also einen Glückstreffer - gelandet: "Das war die entscheidende und letzte Bestätigung, wir hatten allerdings mehrere andere Quellen."

"Immer politische Interessen dahinter"

Anneliese Rohrer ist nicht überzeugt. Der Befund der erfahrenen Innenpolitik-Journalistin über den investigativen Journalismus in Österreich ist generell hart: "Es gibt in Österreich keine investigative Aktion, die nicht von irgendeiner Seite aus politischem Interesse angestoßen wird." "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk vermutet hinter dem Silberstein-Fall einen Skandalisierungs-Akteur, der zwei Medien geschickt gegeneinander ausgespielt habe.

Geschickter Skandalisierungs-Akteur

"Der hat gewusst: wenn ich es beiden gebe, dann setze ich sie unter Druck, auch ihre Recherche vielleicht nicht so ausführlich zu machen, wie sie es vielleicht gerne hätten. Weil sie wissen, sonst bringt es der andere." Klenk sagt aber dazu, dass er die Geschichte im "Falter" auch gebracht hätte. Im Zweifelsfall habe der Quellenschutz Priorität, auch wenn man instrumentalisiert werde. Mit diesem Problem müsse der Journalismus leben, sagt der "Falter"-Chefredakteur. Denn das Redaktionsgeheimnis sei ein sehr hohes und wertvolles Gut.

Mögliche Quelle bemüht Quellenschutz

In Verdacht, die Quelle im Fall Silberstein zu sein, ist sehr rasch Daniel Kapp geraten. Er kommt aus der ÖVP, berät Sebastian Kurz, war enger Mitarbeiter von Ex-Vizekanzler Josef Pröll und ist heute selbstständig tätig. Und Kapp beruft sich auf den Quellenschutz. "Deswegen tue ich mich schwer, darauf im Detail einzugehen." Die Geschichten von "Profil" und "Die Presse" seien seiner Ansicht nach sauber und eben auch sehr wirkungsmächtig gewesen.

Die Reaktion der SPÖ - Motto: Haltet den Dieb - hält Kapp wiederum für verdächtig. "Man hat versucht, die Quelle zur Geschichte zu machen. Und da würde ich gerne die Frage stellen: Wer hat sich denn dafür instrumentalisieren lassen?" Willkommen in der Welt des Spindoktors - eine Welt, die das Gegenteil von transparent ist. Florian Klenk regt in diesem Punkt zum Umdenken an. "Von wem bekomme ich ein Gutachten, von wem bekomme ich einen Rechnungshof-Bericht, wer sind die Akteure einer Skandalisierung? Das sollten wir unseren Leserinnen und Lesern möglichst transparent sagen."

Blick hinter die Kulissen freigeben

Als Peter Pilz wegen Sexismus-Vorwürfen noch im Zuge einer "Falter"-Recherche zurückgetreten ist, hat Klenk einen Schritt in diese Richtung gemacht und auf Facebook erklärt, wie die Recherche gelaufen ist. Das sei sehr gut aufgenommen worden, sagt Klenk: "Die Leute sind in dieser Zeit der Fake News und der Echokammern froh, wenn sie auch einmal hinter die Kulissen blicken können."

Gestaltung

Übersicht