Warner Bros Pictures GmbH
Mörderische Intrige
"Wonder Wheel" von Woody Allen
"Wonder Wheel" nennt sich nicht nur ein 1920 errichtetes Riesenrad in Coney Island, sondern auch der neue Film von Woody Allen. Dass seine Figuren diesmal mitten in einem Vergnügungspark am Südende von Brooklyn wohnen, heißt freilich noch lange nicht, dass ihnen Woody Allen Vergnügen im und am Leben gönnt. Im Gegenteil.
9. Februar 2018, 02:00
Morgenjournal | 09 01 2018
Arnold Schnötzinger
"Auch ich würde gerne Tschechow sein, habe aber freilich nicht dessen Genialität. So versuche ich einfach, die besten Filme zu machen, die ich eben machen kann." Woody Allen
Kulturjournal | Interview
Kurt Zechner im Gespräch mit Woody Allen über literarische Vorbilder, das eigene Scheitern und die moderne Technik.
Von Träumen, die sich nicht erfüllen können, sollte man sich rechtzeitig verabschieden. Doch weil diese Einsicht erstens nicht sehr beliebt ist und zweitens Gefühle dem Verstand gerne trotzen, beschert sich die Menschheit unaufhörlich Dramen aller Art. Diese künstlerisch zu kanalisieren, sie in Sprache und in Bilder zu übersetzen, das ist das Lebenswerk von Woody Allen. Auch in seinem neuen Film "Wonder Wheel" arbeitet er sich an der Unvernunft ab, am nur allzu Menschlichen, und natürlich an seinen Vorbildern: den griechischen Dramatikern, Tennessee Williams und Eugene O'Neill.
"Zweifellos ist die heutige Zeit ein Alptraum." Woody Allen
Verhängnisvolle Affäre
Da wäre etwa Carolina (Juno Temple). Mit 20 hat sie geheiratet, ausgerechnet einen Mafioso. Es sei eben Liebe gewesen entschuldigt sie sich fümf Jahre später, als sie Mitte der 1950er Jahre zu ihrem Vater nach Coney Island zurückkehrt. Während Carolina die Mafia auf den Fersen ist, hat sich ihre Stiefmutter (Kate Winslet), eine Ex-Schauspielerin und nun Kellnerin, in eine verhängnisvolle Affäre mit einem Rettungsschwimmer und angehenden Schriftsteller Mickey (Justin Timberlake) verstrickt.
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Justin Timberlake als Bademeister
Romantik als Fluchtweg
Getrieben von der Sehnsucht nach Ausbruch aus der Routine, vom Wunsch nach Abenteuer führt Woody Allen seine Figuren hinein in eine mörderische Intrige, die auf leisen Sohlen daher kommt. Hinter dem Anspruch der wahren Gefühle verbergen sich nämlich Gemein- und Verlogenheit, und wer Romantik als Fluchtweg in Gefilde jenseits alltäglicher Banalität benutzt, verirrt sich schon mal in pure und kostspielige Verzweiflung. Eine 500-Dollar-Uhr als Geschenk? Bademeister Mickey fühlt sich korrumpiert!
Kein Kinowunder
Neben seinen Dialogkünsten veranstaltet Woody Allen diesmal Licht- und Farbspiele im wahrsten Sinn des Wortes. Da taucht er ein Liebeswerben in ein derart hartes Blau, dass man bereits ahnt: eine wirkliche Liebe wird daraus wohl nicht werden. Freilich, so untertreibt Woody Allen, teile auch er selbst das Scheitern mit seinen Figuren, vor allem mit Schriftsteller Mickey. Solidarität, die sich dennoch nicht allzu produktiv auswirkt. Den Ausbruch aus der Routine seines eigenen, jährlich zur Schau freigegebenen Universums schafft Woody Allen nämlich einmal mehr nicht. "Wonder Wheel" beschert dem Kino also kein Wunder.
Service
Im "Kulturjournal" (17:09 Uhr) hören Sie Woody Allen im Interview.
Gestaltung
- Arnold Schnötzinger