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Rückblick
Das Kulturjahr 2017
Es war ein ereignisreiches Jahr für die Kunst und Kultur. Das "Superkunstjahr" bringt die Venedig-Biennale, die documenta, erstmals in den zwei Städten Athen und Kassel ausgerichtet, und die Skulptur Projekte Münster. Der österreichische Schriftsteller Robert Menasse erhält den Deutschen Buchpreis und vielerorts wird das politische Klima für Kunst- und Kulturschaffende feindlicher. Es gilt mehr denn je: mit und über Kunst und Kultur lässt sich jederzeit vortrefflich streiten.
29. Jänner 2018, 02:00
Kulturjournal | 29 12 2017
Dorothee Frank
Zu Beginn des Kulturjahrs 2017 wird in Hamburg einer der weltweit besten und teuersten Kulturbauten des Jahrzehnts eröffnet: Die Elbphilharmonie. Mit insgesamt 866 Millionen Euro hat das Projekt der Architekten Herzog de Meuron gut dreieinhalb Mal so viel gekostet wie ursprünglich geplant. Doch die Schönheit und grandiose Akustik der Konzerthalle in Form eines stilisierten Eisbergs hat - so der Tenor der Kommentare - den Aufwand gelohnt.
Architektur als Zankapfel
Auch in Wien steht 2017 Architektur im Mittelpunkt: Die Kontroverse um ein geplantes neues Hochhaus gegenüber dem Wiener Eislaufverein spitzt sich zu. Architekturexperten wie Christian Kühn kritisieren, dass hier in Bestlage nicht leistbares Wohnungen oder ein Gebäude für die Öffentlichkeit entstehen soll, sondern Luxuswohnungen. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou steht auch noch zu dem Projekt, als im Juli die UNESCO Wien auf die rote Liste des gefährdeten Welterbes setzt, wegen der geplanten Höhe des Wohnturms. Im Oktober gerät Christoph Chorherr, der Planungssprecher der Wiener Grünen, im Zusammenhang mit dem Heumarkt-Projekt unter Beschuss: Chorherr hat über einen Verein ein Schulprojekt in Südafrika ins Leben gerufen. Für dieses hat auch der Heumarkt-Investor Michael Tojner gespendet. Chorherr weist Amtsmissbrauchs-Vorwürfe schärfstens zurück.
Kunstschaffende in Konflikt mit der Politik
Bei der Vergabe der Golden Globes in Los Angeles ebenfalls Anfang Jänner erregt Meryl Streep Aufsehen mit einer scharfen Rede gegen US-Präsidenten Donald Trump. Sie verurteilt Trumps restriktive Einwanderungspolitik wie auch seinen "Instinkt, andere zu demütigen", etwa als er einen behinderten Journalisten vor laufender Kamera verhöhnte. Das sei eine Einladung an andere, sich ebenso zu verhalten. Das ganze Jahr über hagelt es Kritik an Trump aus dem Showbiz und dem Kulturbetrieb in den USA.
In Russland wird der Regisseur Kirill Serebrennikow zur Symbolfigur der Repression gegen oppositionelle Kulturschaffende. Er steht seit August unter Hausarrest, weil er staatliche Gelder veruntreut habe soll. Unter Russlands Intellektuellen glaubt das so gut wie niemand.
In der Türkei war die Schriftstellerin und kritische Journalistin Asli Erdogan bereits 2016 inhaftiert. Bis in den Herbst 2017 wird ihr die Ausreise verweigert. Bei einem Ö1-Interview in Istanbul nennt sie die Türkei ein chronisch repressives Land in einer akuten Phase. Ein Mann kontrolliere den gesamten Staat. Als Zeichen der Solidarität wird Erdogan 2017 in Europa mehrfach ausgezeichnet, in Österreich mit dem Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte und dem Grazer Menschenrechtspreis.
Abgang bei der documenta
Das "Superkunstjahr" 2017 bringt die Venedig-Biennale, die Skulptur Projekte Münster und die documenta; Kurator Adam Szymczyk richtet diese erstmals in zwei Städten aus, nämlich in Athen und Kassel. Trotz Besucherrekords kommt die Großausstellung nur mäßig gut an. Ein Budgetdefizit von 5,4 Millionen sorgt für ein unangenehmes Nachspiel, in dessen Verlauf die Geschäftsführerin Annette Kulenkampff gehen muss.
APA/HANS PUNZ
Schichtwechsel im österreichischen Kulturbetrieb
In Österreich kommt es zu einem Schichtwechsel bei den Leitungen mehrerer großer Kulturinstitutionen. Im Juni präsentiert Kulturminister Thomas Drozda Martin Kusej als neuen Burgtheaterdirektor ab 2019. Kusej strebt eine deutliche Erneuerung des Burgtheaters an, auch was das Schauspieler-Ensemble betrifft.
Markus Hinterhäuser kann die Salzburger Festspiele in seiner ersten Saison als Intendant erfolgreich neu positionieren. Nur mäßigen Erfolg bei der Kritik hat hingegen Tomas Zierhofer-Kin mit den ersten von ihm programmierten Wiener Festwochen.
Als Direktor des Kunsthistorischen Museums ab Mitte 2019 wird Eike Schmidt berufen, der derzeitige Leiter der Uffizien in Florenz. Kurz vor Weihnachten wird der gefeierte Regisseur Stefan Herheim zum Nachfolger von Roland Geyer als Intendant des Theaters an der Wien ab 2022 bestimmt. Und am Museum der Moderne Salzburg wird Thorsten Sadowsky im Herbst 2018 auf Sabine Breitwieser folgen.
Am Linzer Museum Lentos löst Hemma Schmutz als Direktorin Stella Rollig ab, die mit Anfang 2017 ans Belvedere nach Wien gewechselt ist. Sie folgt Agnes Husslein, deren Vertrag wegen Compliance-Verstößen nicht verlängert worden ist. Anfang Dezember macht der wirtschaftliche Geschäftsführer des Belvedere, Wolfgang Bergmann, neue Vorwürfe gegen Husslein publik. Wie etwa, dass für einige Umbauten keine Baugenehmigungen eingeholt wurden.
Der Deutsche Buchpreis
Der Schriftsteller Robert Menasse erhält für seinen Brüssel-Roman "Die Hauptstadt" den Deutschen Buchpreis. Und am 1. Oktober hält Menasse die Festrede für den Kultursender Ö1, der 50 Jahre alt wird.
Wie im Februar publik wird, zieht die Mäzenin Francesca Habsburg ihre Sammlung aus Wien ab und wird sie der Prager Nationalgalerie als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen; damit verlässt die Stiftung TBA21 das Wiener Augartenatelier. Mitte November kommt bei Christie‘s in New York das teuerste je versteigerte Gemälde unter den Hammer: Leonardo das Vincis Gemälde "Salvator Mundi" geht an einen anonymen Bieter. In Wien wird das Weltmuseum nach dreijährigem Umbau wiedereröffnet. Mit einer spektakulären Show am Heldenplatz; André Heller präsentiert Musiker und Tänzer aus verschiedensten Kulturen.
"Das neue Weltmuseum ist eine Art Botschaftsgebäude für das sogenannte Fremde. In Zeiten der Unkultur, ein Haus der Kulturen." André Heller
In Oberösterreich formiert sich seit August Widerstand gegen die Sparpläne der schwarzblauen Landesregierung im Kultursektor. Landeshauptmann Stelzer spricht von zehn Prozent Kürzungen wie in anderen Bereichen auch. Freie Gruppen, Kulturhäuser und Vereine sind aber nach Angaben der Plattform "kulturlandretten" mit 30 Prozent betroffen. Die Plattform kündigt weitere Proteste an.
Kunst- und Kulturprogramm der neuen Regierung
Am 16. Dezember steht mit der neuen Regierung auch deren Kunst- und Kulturprogramm. Dieses wird von prominenten Kulturschaffenden in einigen Punkten positiv, insgesamt aber kritisch beurteilt. Die Ankündigung "weg vom Gießkannenprinzip" bei Förderungen lasse Kürzungen befürchten. Widerspruch provoziert auch der Satz, Förderung von Kunstschaffenden müsse "auch als Sprungbrett in die wirtschaftliche Selbständigkeit" gesehen werden. Dazu äußert sich Eva Blimlinger, die Rektorin der Akademie der bildenden Künste und Präsidentin der Universitätenkonferenz.