Lehrling Ehsan Ibrahimi

MARGARETE ENDL

Journal Panorama

Oberösterreich: Lehrlinge verzweifelt gesucht

In bestimmten Berufen wird es immer schwieriger, Arbeitskräfte zu bekommen. Besonders schlimm ist die Situation in Oberösterreich. Gerade erst hat die Wirtschaftskammer an die Regierung appelliert, den Lehrlingen unter den Asylwerbern Aufenthaltstitel zu gewähren. Derzeit werden viele solcher Lehrlinge abgeschoben - obwohl sie eine Ausbildung in Mangelberufen absolvieren. In Oberösterreich ist diese Problematik besonders schmerzlich spürbar.

Malermeister Michael Großbötzl sucht zwei Malergesellen und zwei Lehrlinge für seinen Betrieb in Ried im Innkreis. Doch die Konkurrenz auf dem lokalen Arbeitsmarkt ist groß. Der Flugzeugkomponentenhersteller FACC, der an drei Standorten im Bezirk Ried produziert, sucht 700 neue Mitarbeiter in den nächsten drei Jahren.

Die Industrie boomt im Innviertel, jener Region in Oberösterreich, die an der nördlichen Grenze zu Deutschland liegt. Die Unternehmen suchen händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften. Auch Lehrlinge werden verzweifelt gesucht. "Mittlerweile hat jeder das gleiche Thema: Fachkräftemangel generell über alle Bereiche, im Fertigungsbereich, im Entwicklungsbereich, im IT-Bereich, auch im Einkaufsbereich. Ich glaube, es geht quer um", sagt FACC-Vorstandsvorsitzender Robert Machtlinger.

Asylwerber in Mangelberufen

Vor zwei Jahren ergriff Malermeister Michael Großbötzl eine Chance, die sich ihm bot: Er nahm Ehsan Ibrahimi, einen afghanischen Asylwerber, als Lehrling auf. Gemäß einem Erlass des damaligen Sozialministers Rudolf Hundstorfer im Jahr 2012 dürfen Asylwerber in Mangelberufen eine Lehrstelle annehmen. Ibrahimi war vor einer akuten Bedrohung durch die Taliban geflohen. Doch 2017 erhielt er einen negativen Asylbescheid, im Februar 2018 den zweiten negativen Bescheid. Großbötzl engagierte einen Anwalt, damit sein Lehrling dagegen berufen konnte. Mitte Mai wäre Ibrahimi beinahe abgeschoben worden.

"Der 'zaht‘ super an, ist top integriert, gut in der Ausbildung, und jetzt schicken wir ihn heim." Lehrherr Michael Großbötzl

Lehrling Ehsan Ibrahimi

MARGARETE ENDL

Lehrling Ehsan Ibrahimi

Oberösterreich benötigt in den kommenden Jahren 20.000 zusätzliche Fachkräfte, sagt die Wirtschaftskammer. Für viele Unternehmen ist der Mangel an Arbeitskräften bereits jetzt ein gravierendes Problem. Promotech, Hersteller von Sensoren für die Autoindustrie, bildet seit einigen Jahren doppelt so viele Lehrlinge wie früher aus. Die derzeit 28 Lehrlinge stellen ein Zehntel der Promotech-Belegschaft dar. Zwei dieser Lehrlinge sind Afghanen. Sie erhielten kürzlich einen ersten negativen Asylbescheid. Promotech-Chef Günter Benninger steht vor der Entscheidung, neue Aufträge anzunehmen – dafür benötigt er aber jede einzelne Fachkraft. Er schrieb an Bundeskanzler Sebastian Kurz – bisher erhielt er keine Antwort.

Lehrlingsvisum gefordert

Mehr als 300 Unternehmen unterstützen mittlerweile die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" des oberösterreichischen Integrationslandesrats Rudi Anschober (Grüne). Die Unternehmer müssten noch mehr Druck aufbauen, rät der ÖVP-Landtagsabgeordnete Alfred Frauscher.

"Die Unternehmer müssen halt sagen: Wir als Wirtschaft, wir brauchen diese Leute in Zukunft, tut was. Da muss der Druck herkommen." Alfred Frauscher, ÖVP

Zuletzt hat die Wirtschaftskammer Österreich einen interessanten Vorschlag gemacht. Bei der geplanten Novellierung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes sowie des Asylgesetzes soll ein "Lehrlingsvisum“ eingeführt werden. Asylwerber, die eine Lehre machen und einen negativen Asylbescheid erhalten haben, sollten mit dem Lehrlingsvisum ihre Lehre abschließen können und anschließend auf eine spezielle "Rot-Weiß-Rot-Karte" umsteigen, ähnlich wie Studienabsolventen aus Drittstaaten.

Landesrat Rudi Anschober bemüht sich um Gespräche mit der Bundesregierung. Zwar gebe es offiziell noch keine positiven Reaktionen, so Anschober, "informell höre ich von etlichen, da müssen wir etwas tun, da brauchen wir eine Lösung."

Gestaltung und Text: Margarete Endl