Francoise Gilot

AFP/JEAN-PIERRE MULLER

Faksimile-Ausgabe

Francoise Gilot - Die widerständige Muse

Pablo Picasso hat zu seinen Lebzeiten seine Dominanz nicht nur in der Kunstwelt, sondern auch in seinem Beziehungsleben ausgespielt. Eine einzige Frau gab es jedoch, die ihn verlassen hat und das war die Künstlerin Francoise Gilot. Jetzt erscheinen drei Reiseskizzenbücher der heute 96-Jährigen in einer Faksimile-Ausgabe.

Morgenjournal | 08 08 2018

Wolfgang Popp

Picasso mit Kirschen

Francoise Gilot war gerade 21, als sie den um vierzig Jahre älteren Picasso kennenlernte, in Paris galt sie aber bereits als die große künstlerische Hoffnung ihrer Generation. Francoise Gilot: "Ich traf Picasso im Mai 1943, als ich meine erste Ausstellung hatte. Eines Abends saß ich in einem Restaurant mit einer anderen Künstlerin und dem Schauspieler Alain Cluny zusammen, und weil Picasso Cluny kannte, kam er an unseren Tisch und bot uns eine Schale mit Kirschen an. Damals hatte er es mit Kirschen, denn sie tauchten zu jener Zeit auch immer wieder in seinen Bildern auf."

Tage ohne morgen

Paris war damals von den Deutschen besetzt und Soldaten streiften in Zivil durch Gilots Ausstellung und suchten die Bilder nach kritischen Inhalten ab. Viele ihrer im Untergrund tätigen Freunde waren bereits umgekommen und ihre jüdischen Bekannten deportiert worden.

Francoise Gilot: "Hätte ich Picasso unter gewöhnlichen Bedingungen kennen gelernt, wäre nichts zwischen uns passiert. In dieser Untergangsstimmung damals gab es für uns aber kein Morgen und wir sahen über die Unterschiede zwischen uns hinweg, die in Friedenszeiten viel offener zutage getreten wären."

Aufgeschlagendes Buch

TASCHEN VERLAG

Braque und Matisse

Zehn Jahre, von 1943 bis 1953 war Gilot mit Picasso zusammen und hatte mit ihm zwei Kinder. Die drei Reiseskizzenbücher, die der Taschen-Verlag jetzt als Faksimiles herausbringt, sind allerdings wesentlich jüngeren Datums. Sie stammen aus den Jahren zwischen 1974 und 1981, entführen nach Venedig, Indien und in den Senegal und zeigen Gilots Nähe zu zwei französischen Künstlern.

"Meine Mentoren waren Matisse und Georges Braque. Ich hielt Picasso zwar für einen großen Maler, künstlerisch waren wir aber ganz unterschiedlich, er viel expressionistischer und ich eher meditativ", so Francoise Gilot.

Aufgeschlagenes Buch

TASCHEN VERLAG

Tanzende Zeichen und Bäume

Das Venedig-Buch ist stark wortlastig, die lyrischen Texte aber wie Zeichnungen gestaltet. Das nur etwas mehr als Zigarettenpackung große Indien-Buch ist ganz in schwarzer Tusche gehalten, die Stadtansichten, die Frauen in ihren Saris und schlafenden Bettler, erzählt Gilot, sind mit schnellem Strich im Flieger entstanden. Im Senegalbuch schließlich spielt Gilot mit den Körpern und den dickstämmigen Baobab-Bäumen und löst ihre Formen in abstrakte Ornamente auf.

Als Schritte zur Freiheit hat Gilot selbst ihre kleinen Bücher bezeichnet. Und die war der 96-Jährigen stets wichtig. In künstlerischer Hinsicht, aber auch in ihren Beziehungen. "Picasso fragte mich häufig, warum ich ihm immer widersprechen würde. Weil zwischen zwei Menschen ein Dialog stattfindet, sonst könntest du gleich Selbstgespräche führen, konterte ich damals. Es sagen doch ohnehin alle immer Ja zu allem, was du sagst, da sorge ich hin und wieder für ein Nein." So Francoise Gilot, die einzige Frau, die Picasso Kontra geboten hat. In ihrer Beziehung genauso wie künstlerisch.

Service

Francoise Gilot, "Three Travel Sketchbooks: Venice, India, Senegal", Faksimile-Ausgabe mit einem Begleittext auf Deutsch, Französisch und Englisch, Taschen-Verlag

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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