Mädchen in einem Laden

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"Shoplifters" - Gaunerkomödie und Sozialdrama

Bei den Festspielen in Cannes hat der japanische Film "Shoplifters" im Mai die Goldene Palme gewonnen. Nun komm Regisseur Hirokaze Kore-Edas Werk rund um einen achtjährigen Buben und seine eigenwillige Patchwork-Familie in die heimischen Kinos.

Morgenjournal | 27 12 2018

Judith Hoffmann

Es schwingt etwas von einem Agentenkrimi mit, wenn Vater und Sohn einen ihrer durchkomponierten Plünderzüge durch den Supermarkt antreten: Jeder Handgriff sitzt, alle Bewegungen sind akribisch akkordiert und die Musik aus dem Off tut ihr Übriges dazu, dass das alles eher nach einer verspielten Choreografie aussieht als nach dem Elend der kleinen Hütte am Stadtrand von Tokio, in die sie ihre erbeuteten Lebensmittel tragen, um neben sich selbst auch Mutter, Tante und Großmutter zu versorgen.

Dramaturgische Kniffe

Erst später wird sich herausstellen, dass niemand in dieser Familie tatsächlich blutsverwandt ist, und das ist nur einer von zahlreichen dramaturgischen Kniffen, die Kore-Eda in seinem Film anwendet. Ein anderer hat mit dem verwahrlosten Mädchen Yuri zu tun, das sie eines Nachts von ihrem Streifzug mit nach Hause nehmen, weil sie es nicht übers Herz bringen, die Kleine halb erfroren allein auf dem Balkon sitzen zu lassen, von dem sie es bergen. Monate vergehen, bis man Yuri in einer groß angelegten Fahndung doch noch aufspüren und ihrer paradoxen Gastfamilie entreißen wird.

Spätestens dann macht sich zwischen liebevoller Fürsorge und Diebstählen, gemeinsamen Mahlzeiten und dreisten Einbrüchen unmissverständlich die Frage breit, wie viel Schuld jemand tatsächlich auf sich lädt, der lediglich versucht, das Beste aus seiner misslichen Lage am Rand der Gesellschaft zu machen.

"Geschichte über die Gesellschaft"

Der Regisseur Hirokaze Kore-Eda: "Ich weiß gar nicht, ob es so gut funktioniert, eine Familiengeschichte stellvertretend als Geschichte über die Gesellschaft zu erzählen. Und in diesem Film wollte ich tatsächlich weniger über die japanische Gesellschaft als vielmehr über die Familie in Japan und ihre Reibung mit der Gesellschaft sprechen, und zwar mit einem wesentlich breiteren Horizont und einem größeren Spektrum als in meinen früheren Filmen."

Für seine herzerwärmende Mischung aus Gaunerkomödie und Sozialdrama gewann Kore-Eda 2018 die Goldene Palme in Cannes, neben anderen Auszeichnungen ist er außerdem für den Auslands-Oscar 2019 nominiert. Und doch muss man dem Film vorwerfen, dass er den anfänglichen Rhythmus nicht ganz durchhält, ihn immer wieder bricht und am Ende plötzlich in ein paar wenige Szenen all die Informationen packt, die er zuvor geschickt zurückhält. Das ist schade angesichts der spannenden Thematik, die "Shoplifters" auf höchst unkonventionelle, erfrischende und dennoch berührende Art erzählt.

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