APA
Austria Presse Agentur
Die APA als geheimes Leitmedium
Die 150 Journalistinnen und Journalisten der Austria Presse Agentur beliefern österreichische Medien mit den wichtigsten Rohstoffen des Journalismus: Nachrichten und Informationen, aus denen Artikeln oder die einfach als Meldung übernommen werden. Damit setzen die APA-Journalisten Themen und bestimmen die Wortwahl wie keine andere Redaktion in Österreich. Dennoch werken sie im Verborgenen.
4. Februar 2019, 02:00
Wenn sich Nachrichtentexte auf verschiedenen Online-Seiten diverser Medien eins zu eins, oft bis auf den Beistrich, gleichen, steckt sie dahinter: Die Austria Presse Agentur, im Eigentum von zwölf österreichischen Tageszeitungen und dem ORF. Kaum eine andere Redaktion des Landes beeinflusst die Berichterstattung, das Themensetting und die Wortwahl der Medien mehr.
Wie oft sogenannte APA-Meldungen, also die Texte, die die APA über ein Computerprogramm im Minutentakt ihren Kunden zur Verfügung stellt, tatsächlich wortgleich von Medien übernommen werden, lässt sich zwar nicht genau sagen. Wer im Netz Nachrichten liest, weiß aber, dass die Online-Seiten von "Standard", "Kurier" und auch orf.at ohne den APA-Stoff ziemlich leer wären.
Die APA-Meldung als Basis der Onlinemedien
Online-Medien sind heute diejenigen, die den größten Bedarf an Agenturmeldungen haben. Man will schnell sein, nicht viel redigieren. Oft werden APA-Meldungen einfach nur kopiert und auf die Website gestellt. Immerhin zahlen die Medien für das Service, den sogenannten APA-Basisdienst, der es ihnen erlaubt, die Meldung zu übernehmen.
"Aufgrund der Ressourcenknappheit in allen Redaktionen ist es klar, dass wir die Austria Presse Agentur als erste Quelle verwenden, und die APA im digitalen Bereich untertags überall zum Zug kommt", sagt etwa Rainer Nowak, Chefredakteur der Tageszeitung "Die Presse" und Mitglied des APA-Aufsichtsrats, dem Kontrollorgan der Agentur.
Die Gatekeeper der Gatekeeper
Was die APA berichtet, landet damit zu einem großen Teil in den Online-Ausgaben der Zeitungen. "Schleusenwärter-Funktion", nennt das Johannes Bruckenberger, seit Anfang des Jahres neuer Chefredakteur der APA. Das sei eine große Verantwortung, erzählt Bruckenberger, immerhin verlassen sich die Medien dabei darauf, dass das, was die APA berichtet, auch korrekt ist. "Unser Grundauftrag lautet, dass wir zuverlässig und richtig berichten, dass wir schnell und objektiv und unter Vermeidung von Parteinahme berichten."
APA-Journalisten gehen auf Pressekonferenzen, zu Interviews, Terminen und Veranstaltungen. Was wichtig ist, das wird täglich bei einer Redaktionssitzung entschieden, sagt Bruckenberger. "Danach sind wir gefordert, möglichst schnell eine Meldung dazu ins Netz zu bringen." Die APA ist – gemeinsam mit Ö3, dem ORF-Teletext und dem Nachrichten-Monitoring im ORF-Zentrum – die einzige Redaktion, die rund um die Uhr besetzt ist.
International gut aufgestellt
International sei die Agentur gut aufgestellt, sagt Fritz Hausjell, Medienwissenschafter an der Universität Wien. "Die Austria Presse Agentur ist eine von nur 15 bis 20 weltweit vorhandenen unabhängigen Nachrichtenagenturen." Als Genossenschaft sei die APA keinem staatlichen Einfluss ausgesetzt und auch wirtschaftlich stehe die APA solide da. Durch die drei Standbeine der APA – das Nachrichtengeschäft, das Informationsgeschäft und die Computerdienstleistungen für Medien - könne der Agenturjournalismus in einem Umfang geleistet werden, "wie er für einen Kleinstaat schon beachtlich ist", sagt Hausjell.
Die Gefahr der Verwechselbarkeit
Für Online-Medien ist das Übernehmen von APA-Meldungen eine Gratwanderung. Einerseits wollen und müssen sie das Publikum im Netz schnell und günstig mit aktuellen Informationen versorgen, anderseits streben Medienmarken danach, auch Online stärker an Profil zu gewinnen. Wenn dieselbe APA-Meldung auf allen Zeitungsportalen auftaucht, führt das zur Verwechselbarkeit und kann ein Schuss ins eigene Knie sein, betont Anita Zielina, zuletzt beim "Stern" und bei der "Neuen Zürcher Zeitung" als Digital-Chefin tätig.
Zielina bildet ab Februar an der City University of New York journalistische Führungskräfte aus, die die alte Online-Welt hinter sich lassen wollen. Immerhin müsse es das Ziel der Medien sein, auch online mit ihren journalistischen Produkten Geld zu verdienen: "Wenn man will, dass man für ein Produkt zahlt, dann muss man es liebevoll gestalten, und wenn man online so gut sein will, wie man früher in Print war, dann muss man diese Mühe reinstecken. Und das heißt auch: Mit Agenturmeldungen anders umgehen", sagt Zielina.
Agenturennetz auf Vertrauensbasis
520 Meldungen veröffentlicht die APA pro Tag im Durchschnitt, die Hälfte davon sind selbstrecherchierte Geschichten, die andere Hälfte sind Meldungen, die von anderen internationalen Nachrichtenagenturen übernommen werden. "Wir kooperieren mit Reuters, DPA, AFP und haben mit diesen Nachrichtenagenturen Austauschverträge. Und umgekehrt, wenn in Österreich etwas Weltbewegendes passiert, dann können diese Agenturen auch auf unser Material zugreifen. Wir stellen eine Verbindung zum Weltnachrichtennetz her", sagt Bruckenberger.
Bei der Auslandsberichterstattung vertraut die APA ganz ihren Partnern. Ihre Meldungen werden nicht überprüft, denn unter den Agenturen gelte der Vertrauensgrundsatz: "Wir verlassen uns darauf, dass Meldungen, die wir von anderen Nachrichtenagenturen übernehmen, stimmen und korrekt sind, so wie sich auch unsere Kunden darauf verlassen, dass Meldungen von uns korrekt sind und stimmen." Eigene Redakteure im Ausland hat die APA nur selten vor Ort.
Fehlerkultur: "Transparent und offen"
Manchmal geht das freilich schief. Im Sommer übernimmt Reuters einen Satire-Tweet von einem Mitarbeiter des Magazins "Titanic" über den Bruch der Union von CSU und CDU, die APA greift die Eilmeldung auf, und auch das Ö1 Mittagsjournal hebt die vermeintlichen Breaking News kurzerhand in die Sendung. Bald wird klar: Es war ein Fake.
In solchen Fällen heißt es laut Bruckenberger: Fehler möglichst rasch korrigieren - und das transparent und offen. Prinzipiell gelte das Vier-Augen-Prinzip - bevor eine Meldung veröffentlicht wird, liest ein zweiter Redakteur über den Text. Doch es steigt der Druck, schnell zu sein, die Konkurrenz, nicht zuletzt Social Media, schläft nicht, und die APA-Kunden wollen nicht als Letzte informiert werden.
Nicht vor Spins der Regierung gefeit
Falschmeldungen, die bewusst verbreitet werden, sind das eine. Einem "Spin" aufsitzen, ist etwas anderes. Immer öfter gibt es auch Kritik an den Themen, die die APA aufgreift. Das letzte Beispiel: die Regierung hat im November nicht nachvollziehbare Zahlen über den Migrationshintergrund der Bezieher von Mindestsicherung lanciert. Es war Wochenende, die Redaktionen noch spärlicher besetzt als sonst.
Die APA hat die Regierungszahlen gebracht, und praktisch alle Zeitungen haben die Meldung übernommen. Nicht nur online, sondern auch in den Druckausgaben. Zwei Tage später war dann klar: Die Zahl war erfunden. Der neue APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger ist im Rückblick kleinlaut. Es sei auch berichtenswert, wenn die Regierung ihre Sichtweise darlegt, sagt er. "Wir haben in den Tagen danach einen Hintergrund gebracht und versucht, zu recherchieren." Dass die Recherche eigentlich vor der Veröffentlichung stehen sollte, räumt Bruckenberger ein.
"Agenturjournalisten sind Beobachter"
Journalisten gelten mitunter als eitle Zeitgenossen, die sich über die Präsenz in den Medien ihrer Arbeitgeber definieren. Für Agenturjournalisten ist das schwierig, sie sind nicht öffentlich sichtbar. Unter ihren Texten stehen nur Kürzel und keine vollen Namen, sie schreiben keine Kommentare, Reportagen oder persönliche Geschichten. Für Bruckenberger ist das kein Nachteil, sondern Journalismus in der reineren Form. "Wir sind zwar vielleicht, was die öffentliche Wahrnehmung betrifft, in der zweiten Reihe, aber was die Berichterstattung betrifft, sind wir eigentlich immer in der ersten Reihe vorne dabei." Der Agenturjournalist sei kein Akteur, sondern Beobachter.
Und das, ergänzt Bruckenberger, sei auch der Unterschied "zu manchen Medien, die sich in den vergangenen Jahren mehr in die Richtung aktivistischer Journalismus" entwickelt hätten. Das Motto, das Agenturjournalisten verfolgen, heiße: "true and unbiased news" zu liefern.
Information wie das kühle Wasser
Wahr und ohne Schlagseite. Sagen, was ist. Originelle Geschichten sind jedenfalls nicht der Job der Nachrichtenagentur. Von der erwartet man sich guten Rohstoff, wie es Gerald Heidegger, der Chefredakteur von ORF.at, dem größten Nachrichtenportal des Landes, ausdrückt: "Wir brauchen die APA als den kühlen Rohstofflieferanten." Das Publikum habe das starke Bedürfnis nach einer Information, "die so verlässlich wie das kühle Wasser aus der Leitung kommt", sagt Heidegger.