Eine Illustration von Otl Aicher

FLORIAN AICHER/ROTIS/HFG-ARCHIV/MUSEUM ULM

Dimensionen

Otl Aicher - Designer, Typograph, Philosoph

Otl Aicher gilt als einer der bedeutendsten deutschen Grafiker der Nachkriegszeit. Er gestaltete Designs, die man heute noch kennt. So basiert das Erscheinungsbild der Lufthansa noch heute auf seinen Entwürfen. Der Schriftzug der Küchenfirma "bulthaup" stammt von ihm, ebenso das Maskottchen zu den Olympischen Sommerspielen in München 1972.

Die Arbeiten zu den Olympischen Sommerspielen in München 1972 können als sein Hauptwerk bezeichnet werden, kein anderes war so umfassend, so vielfältig und natürlich, so international in seiner Ausstrahlung. Otl Aicher gestaltete die ganze Stadt für die ganze Welt. Das Bild der Nazi-Spiele von 1936 in Berlin sollte ersetzt werden durch das Bild eines neuen Deutschlands, das für Frieden, Demokratie und nicht zuletzt Lebensfreude stand.

"Nur ein Denken, das aus dem Entwerfen kommt, kann die Welt zum Guten verändern."

"Es ist zu unterscheiden zwischen Symbol und Zeichen. Die menschliche Kultur ist eine solche der Zeichen. Zeichen stehen für etwas, deuten auf eine Sache oder einen Sachverhalt. Das Symbol will mehr. Es greift über die Sache hinaus, es blickt dahinter", schreibt Otl Aicher in einem seiner vielen Texte unter dem Titel "Verzicht auf Symbole".

München 1972

Die Schaffung von einfachen Bildzeichen, die unabhängig von Sprache und Kultur eindeutig verständlich sind, ist eine Kernaufgabe von visueller Kommunikation. So gelten die bis heute gebräuchlichen Strichmännchen für Hinweistafeln als Schöpfung von Otl Aicher.

Streng zweidimensional, mit einem Kreis als Kopf und einem Körper aus dicken Linien, aber korrekt proportioniert, konnten diese Figuren alle Sportarten darstellen - aber auch einen Menschen, der zu einem Notausgang läuft. "Die sind sehr leicht, der Kopf schwebt, die haben ja keinen Hals, und die Arme hängen so dran, das sind sehr leichte Schöpfungen."

Auch farbige Fahnenpulks zum Kaschieren hässlicher Stadtecken und bunte Overalls für die Polizei gehörten zum olympischen Design für München.

Olympische Spiele München 1972 Otl Aicher und das Design

Kein Rot und kein Schwarz

Martin Mäntele ist der Leiter des HfG Archivs am Museum Ulm hat den Nachlass von Otl Aicher aufgearbeitet, darunter fast mehr Schriften zu dessen Arbeiten als Arbeiten selbst. Das Material von 1972 ist ein Highlight.

"Das lichte Blau und Weiß als Hauptfarben, dann kommen Silber und strahlendes Grün hinzu, und es wird Blauviolett, Dunkelgrün und Orange noch verwendet. Er verwendet überhaupt kein Rot, überhaupt kein Schwarz, jegliche Kombination dieser Art wird ausgeschlossen, weil das an die Nationalsozialisten erinnert, also bei Rot spricht er immer vom Rot der Cäsaren, das will er nicht haben in diesem Erscheinungsbild", erklärt Martin Mäntele.

Darum gab es in der Farbpalette auch nur Silber und kein Gold. Die Sportplakate entstanden zusätzlich zu den Piktogrammen, es sind verfremdete Fotos Die Plakate wurden begehrte Sammelobjekte. Was heute am Computer gemacht wird, war damals Handarbeit: Die schematisierten Fotos wurden übermalt. Otl Aicher versprach sich davon mehr Lebendigkeit in der Wirkung: Plakate als Gegenentwurf zu Leni Riefenstahls heroischem Realismus.

Das Design der Lufthansa - technisch kühl

Otl Aichers Meisterstück aus der Zeit der an der Hochschule für Gestaltung in Ulm ist das Erscheinungsbild der Lufthansa. Den Auftrag bekam er 1962, umgesetzt wurde es von einem Team aus Studierenden und Lehrenden. Aus vielen vorhandenen Elementen sollte das entstehen, was heute Corporate Design genannt wird, ein schlüssiger Gesamtauftritt, dem alles Visuelle unterworfen ist: Die Farben Blau und Gelb, das Schriftlogo in nüchterner Helvetica, das Signet mit dem Kranich – das Erscheinungsbild schloss Essgeschirr und Besteck, die Uniformen der Bordcrew und die Sitzbezüge mit ein.

Alles wirkte technisch kühl, das vermittelte Sicherheit. Angeblich fühlten sich Menschen aus Deutschland gleich zuhause, wenn sie eine Lufthansa-Maschine betraten – selbst wenn diese noch auf einem ausländischen Flughafen stand.

"Die Dinge werden nicht mehr entworfen. Der Entwurf wird ihnen im Nachhinein übergestülpt."

"Über Mythos kann man nicht streiten, aber über Design kann man streiten, Design ist zu begründen."

Sein Ruf und seine Überzeugungskraft erlaubten es Otl Aicher vergleichsweise kleine Projekte mit viel Denk- und Schreibarbeit zu kombinieren. "Die Dinge werden nicht mehr entworfen. Der Entwurf wird ihnen im Nachhinein übergestülpt. Als Design, als Erscheinungsform, als Symbol. Die Dinge haben keinen Zweck mehr zu erfüllen, sie sind Produktion, die wir zu konsumieren haben. Also existieren sie aus ihrer aufgelegten Bedeutung, sie haben Symbolwert.
Die Aussicht, dass heute ein Auto wieder zu einem Fahrzeug wird, ist gering. Jede sachliche Darstellung des Autos, des Autoverkehrs und seiner Folgen würde einer Verteufelung gleichkommen. Und die kann sich niemand leisten."

Untrennbar verbunden mit Aicher ist die Hochschule für Gestaltung in Ulm, die er mitbegründete. Dort sah man sich in der Tradition von Bauhaus und als Gestalter einer neuen, besseren Zeit nach dem Nationalsozialismus. Aicher, 1922 in die Zwischenkriegszeit und den aufkeimenden Faschismus hineingeboren, drückte mit einem Bruder der Geschwister Scholl die Schulbank. In seinen späteren Texten und Büchern - immer philosophisch grundiert - erweist sich Aicher als Verfechter eines klaren Stils, also der Moderne statt Postmoderne.