Container im Hafen von Hongkong

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Dimensionen

Das BIP oder die Vermessung des Wohlstands

Das Weckerl zum Frühstück, das Fahrrad am Weg in die Arbeit oder der Friseurbesuch am Nachmittag: Das alles fließt ein, in die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts. Zumindest dann, wenn diese Güter und Dienstleistungen in Österreich hergestellt bzw. bereitgestellt wurden.

Rund 386 Milliarden Euro betrug die Summe dieser Güter und Dienstleistungen 2018 hierzulande. Dividiert man diese Zahl durch die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, dann erhält man das BIP pro Kopf: rund 43.600 Euro. Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt – Österreich gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Für sich allein genommen, ist das BIP jedoch wenig aussagekräftig.

Wirtschaftswachstum in Österreich

Die Politik fokussiert stark auf das BIP und seine Wachstumsrate. Die Kennzahl dient als Richtschnur für die wirtschaftliche Prosperität eines Landes. "Das BIP ist kein Maß für Wohlstand", betont Sigrid Stagl, die das Institut Ecological Economics an der Wirtschaftsuniversität Wien leitet.

Das BIP sei ein Produktionsmaß, gebe also Auskunft über die Produktion eines Landes in einem Jahr, über den Wohlstand der Menschen sagt das BIP jedoch nichts aus. Trotzdem ist die Steigerung des BIPs das erklärte Ziel jeder Regierung. Man verbindet mit ihm nämlich viel mehr als nur die Produktion. Es steht für Fortschritt, Wohlstand und politische Macht.

Eine Kriegs-Kennzahl

Erstmals berechnet und angewandt wurde das BIP oder besser gesagt sein Vorgänger, das Bruttosozialprodukt, während des zweiten Weltkrieges. Obwohl die Idee einer solchen Kennzahl bereits theoretisch dargelegt wurde, etwa von William Petty oder Colin Clark, waren die Regierungen bis dahin kaum daran interessiert. Man wusste nicht wirklich was man mit dieser Kennzahl anfangen sollte.

Das änderte sich mit dem Kriegseintritt der USA nach Pearl Harbor. Um die Achsenmächte in die Knie zu zwingen, mussten die Amerikaner die Kriegsmaschinerie anwerfen und im Gegenzug die Produktion von Nicht-Kriegsgütern zurückfahren. Anhand des Bruttosozialprodukts ließ sich die Produktivität berechnen. Und diese war viel höher als man ursprünglich dachte. Mit dem Marshallplan kamen das BIP und seine Berechnungsmethode nach Europa.

Eine Kennzahl unter Druck

Das BIP konnte sich auch nach dem Krieg bewähren. Die Ausweitung der Produktion sicherte Arbeitsplätze und damit den Wohlstand. Wachstum wurde zum politischen Dogma. Angesichts der Klimakrise werden zunehmen auch mahnende Stimmen laut, die darauf hinweisen, dass ein unbegrenztes Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht möglich sei. Auch große Institutionen wie die Europäische Union oder die OECD, die Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung, machen sich mittlerweile Gedanken über neue, alternative Indikatoren.

Vergleich der Lebensqualität 2012 in elf Bereichen, jeweils bestes Land und Rang Österreichs unter 36 Ländern.

Die OECD hat beispielsweise 2011 den "Better Life-Index" ins Leben gerufen. 40 Staaten werden darin auf Basis von elf Themen analysiert, darunter Wohnen, Einkommen, Bildung oder Umwelt. "Der Vorteil von einem Index ist, dass man eine Maßzahl hat, wo es ganz klar ist - ist es besser geworden oder ist es schlechter geworden.", erklärt Sigrid Stagl.

Doch ein Index würde auch immer Information verstecken. "Es kann zum Beispiel sein, dass sich ein Element um drei Prozent verschlechtert und ein anderes Element sich um drei Prozent verbessert und im Index ändert sich gar nichts."

Die Ökonomin plädiert daher für ein multidimensionales Informationssystem und für neue ökonomische Modelle, die es auch ermöglichen Nullwachstum abzubilden.

Service

OECD - "Better Life-Index"

Buch: Philipp Lepenies, Die Macht der einen Zahl. Eine politische Geschichte des Bruttoinlandsprodukts, edition suhrkamp, Berlin.

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