
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Kontext
Sachbücher und Themen
Von den Krisenherden dieser Welt über Entdeckungen der Neurowissenschaften bis zu den schönen Künsten. "Kontext" bietet Orientierungsservice im Sachbuch-Dschungel. Reportagen, Diskussionen, Rezensionen, Studiogespräche, Hintergrundberichte zu spannenden Büchern über Zeitgeschichte, Wirtschaft und Wissenschaft. Und ab und zu darf auch gelacht werden.
13. Jänner 2023, 16:39

Sachbücher im Mai
Die monatlich erscheinende Sachbuch-Bestenliste der Medienpartner "Die Literarische Welt", Radiosender WDR 5, "Neue Zürcher Zeitung“ sowie Ö1.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Angela Saini: "Die Patriarchen"
War es immer schon so, dass Männer an den Schalthebeln der Macht saßen? Und wenn nicht, wie sind sie dann zu dieser Macht gekommen, die sie nun auf der ganzen Welt ausüben? Und stimmt es, dass es früher matriarchale Gesellschaften gab, in denen Frauen an der Macht waren? Oder waren die frühen Gesellschaften egalitär? Die Wissenschaftsjournalistin Angela Saini hat sich auf die Suche nach der männlichen Herrschaft gemacht.
Angela Saini, "Die Patriarchen - Auf der Suche nach dem Ursprung männlicher Herrschaft", übersetzt aus dem Englischen von Simoné Goldschmidt-Lechner, Hanser
Madeleine Amberger
Serhii Plokhy: "Der Angriff"
Innerhalb eines Jahres erscheint mittlerweile das dritte, mit knapp 500 Seiten ziemlich voluminöse Buch des in Harvard lehrenden Ukraine-Historikers Serhii Plokhy. Ausgehend von der Geschichte entwirft Serhii Plokhy in diesem Buch ein Panorama der Zukunft. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die aktuelle Weltordnung durch den russischen Angriffskrieg verändert wird.
Serhii Plokhy, "Der Angriff - Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen für die Welt", übersetzt von Bernhard Jendricke und Peter Robert, Hoffmann&Campe
Erich Klein
M. Lenzen: "Der elektronische Spiegel"
Donald Trump, der vor Polizisten flüchtet. Oder der Papst, der in vollem Ornat auf einem Motorrad sitzt. Alles nur Fake. Oder sagen wir so: Alles nur errechnet und dargestellt von einer künstlichen Intelligenz, auf Befehl von Menschen. 2023 ist das Jahr, in dem so richtig deutlich wurde, wozu KI mittlerweile fähig ist. Kein Wunder, dass Rufe nach Regulierung und nach einem Entwicklungsstopp laut wurden. Der Philosophin Manuela Lenzen geht es in ihrer Beschäftigung mit künstlicher Intelligenz um weit mehr, nämlich um die Frage, was man von der Künstlichen über die menschliche Intelligenz lernen kann.
Manuela Lenzen, "Der elektronische Spiegel - Menschliches Denken und künstliche Intelligenz", C. H. Beck
Studiogespräch: Wolfgang Ritschl
Martina Pall: "Der Schlüssel"
Schlüssel sind so selbstverständlich, alltäglich und banal, dass wir meist keine großen Gedanken an sie verschwenden. Außer sie fehlen plötzlich. Dann gibt es kaum etwas anderes, an das wir denken, weil sie ja Wertvolles versperren, zu dem wir ohne sie keinen Zugang mehr haben. Und so ein Schlüsseldienst, der Ausgesperrte wieder einlässt, der kostet. Kaum jemand kennt sich mit Schlüsseln so gut aus wie Martina Pall. Die Kunsthistorikerin ist gerichtlich beeidete Sachverständige mit dem Schwerpunkt Schlüssel, Schlösser, Kästchen, Kassetten, Eisenkunstguss und Zunftzeichen.
Martina Pall, "Der Schlüssel. Dinge des Lebens", Residenz Verlag
Ivo Kaufmann

AFP/ANDREI PUNGOVSCHI
Seyda Kurt: "Hass"
In ihrem Erstlingswerk "Radikale Zärtlichkeit" hat sich die Journalistin Seyda Kurt vor zwei Jahren damit beschäftigt, weshalb Liebe immer auch politisch ist. Die linke feministische Autorin klopfte das Konzept der romantischen Liebe auf seine patriarchalen, kolonial-rassistischen, kapitalistischen und deshalb unterdrückerischen Aspekte hin ab. Jetzt beschäftigt sich Seyda Kurt mit dem "Hass" als einem widerspenstigen Gefühl. Wieder geht es ihr vor allem um die politische Bedeutung, um das aufrührerische, umstürzlerische Potential von Hass und um Machtverhältnisse, die Hass wachsen lassen.
Seyda Kurt, "Hass - Von der Macht eines widerständigen Gefühls", Harper Collins
Maicke Mackerodt
Wolfgang Benz: "Allein gegen Hitler"
Am 8. November 1939 entging Adolf Hitler mit knapper Not einem Attentat. Nach einem Auftritt des "Führers" detonierte im Festsaal des "Bürgerbräukellers" in München eine Bombe. Sie riss acht Menschen in den Tod, darunter sieben fanatische Hitler-Anhänger, 63 Menschen wurden verletzt. Genau dreizehn Minuten zuvor hatte Hitler in Abänderung seines Zeitplans den Schauplatz des Anschlags verlassen, um den Nachtzug zurück nach Berlin zu erreichen. Verantwortlich für das Attentat war der Tischlergeselle Georg Elser aus Königsbronn in der Schwäbischen Alb. Elser bezahlte seine Tat mit Folter, langjähriger Haft in Konzentrationslagern und schlussendlich mit seiner Ermordung im KZ Dachau.
Wolfgang Benz, "Allein gegen Hitler - Leben und Tat des Johann Georg Elser", C. H. Beck
Kai-Ove Kessler: "Die Welt ist laut"
Die Kinder mit ihrer lauten Musik. Der kreisende Verkehrshubschrauber, die rasenden Autos, die streitenden Nachbarn. Und erst der Typ, der so erbärmlich Klavier spielt. Lärm macht uns fertig, Lärm kann uns krank machen. Eine Welt ohne Autos, Flugzeuge und Klimaanlagen, die muss herrlich ruhig gewesen sein. Nein, sagt der Historiker und Journalist Kai-Ove Kessler, Lärm war immer da in der Geschichte, er war früher nur anders. Bereits im Alten Rom wurde darüber diskutiert, ob der Lärm der Großstadt die Psyche krank macht. Ein Studiogespräch über Fuhrwerke, Dampfmaschinen und Anti-Lärm-Vereine.
Kai-Ove Kessler, "Die Welt ist laut - Eine Geschichte des Lärms", Rowohlt
Studiogespräch: Wolfgang Ritschl
J. Weitbrecht/B. Roling: "Das Einhorn"
Das Einhorn galt lange als starkes, aber scheues Tier, das man nur äußerst selten zu Gesicht bekam. Heute - in unserer bunten Konsumwelt - ist alles anders: Im Netz gibt es Einhorn-Schmuck, Einhorn-Bettwäsche, Einhorn-Pralinen, Einhorn-Geschirr - und natürlich das putzige Einhorn-Kuscheltier zu kaufen. Die Faszination, die das Fabeltier ausstrahlt, scheint keine kommerziellen Grenzen zu kennen. Julia Weitbrecht und Bernd Roling haben die Kulturgeschichte durchforstet und die Spuren gesichert, die das Einhorn hinterlassen hat.
Julia Weitbrecht und Bernd Roling, "Das Einhorn - Geschichte einer Faszination", Hanser
Andreas Puff-Trojan

PICTUREDESK.COM/AFP/JOSEPH PREZIOSO
Tom Mustill, "Die Sprache der Wale"
Doktor Doolittle müsste man sein. Der würde die Gesänge von Buckel-, Blau- und Grönlandwalen mühelos verstehen. Wir Normalsterblichen tun uns damit schwerer. In den letzten Jahren hat die Wissenschaft allerdings immer ausgeklügeltere Methoden entwickelt, um den Geheimnissen der Walgesänge auf die Spur zu kommen. Der britische Tierfilmer und Biologe Tom Mustill hat nun ein lesenswertes Buch zum Thema vorgelegt.
Tom Mustill, "Die Sprache der Wale - Eine Reise in die Welt der Tierkommunikation", übersetzt von: Christel Dormagen, Rowohlt
Madeleine Amberger
David Van Reybrouck: "Revolusi"
"Kongo - Eine Geschichte": Mit diesem 780 Seiten starken Buch hat der belgische Historiker David Van Reybrouck 2012 auch im deutschen Sprachraum für Aufsehen gesorgt. So etwas habe es noch nie gegeben, urteilte die "Süddeutsche Zeitung" in einem ehrfurchtsvollen Besprechung: Van Reybroucks Werk sei in seiner Erzählweise, seinem enormen Rechercheaufwand und seiner Dramaturgie unvergleichlich - und von der ersten bis zur letzten Seite fesselnd wie ein Kriminalroman. Mit der gleichen Methode hat sich David Van Rebrouck nun eine andere Region der Erde vorgenommen - eine Gegend, in der der niederländische Kolonialismus mit unvorstellbarer Grausamkeit gewütet hat: Indonesien. Wiederum: ein Ereignis.
David Van Reybrouck, "Revolusi - Indonesien und die Entstehung der modernen Welt", Suhrkamp
Klemens Renoldner: "Geschichte zweier Angeklagter"
Am 13. März 1938 wird der Linzer Gendarmerie-Major Alois Renoldner auf Befehl seines Vorgesetzten, eines NS-begeisterten Obersts, verhaftet und nach mehrmonatiger, qualvoller Einzelhaft ins KZ Dachau deportiert. Nach dem Krieg steht der Denzunziant vor einem österreichischen Gericht - und wird schlussendlich freigesprochen. Der Schriftsteller Klemens Renoldner hat diesen historischen Fall aufgegriffen und zu einem 126 Seiten schmalen, aber inhaltlich intensiven Buch verarbeitet. Renoldner hat einen persönlichen Bezug zum Thema: Der Inhaftierte, Alois Renoldner, war sein Großvater.
Klemens Renoldner, "Geschichte zweier Angeklagter", Sonderzahl
Studiogespräch: Günter Kaindlstorfer
Harald Haarmann: "Die Erfindung des Rades"
Wie würde unsere Welt ohne Räder aussehen? Ohne Zahnräder, Windräder und ohne Räder für Autos, Velos und Züge? Eine Welt, in der nichts rollt, ist für uns schlicht nicht vorstellbar. Die Erfindung dieses so einfach wirkenden Gegenstands liegt bereits Jahrtausende zurück. Aber wie kam es dazu? Und was können wir über die Erfindung des Rades überhaupt wissen? Der deutsche Kulturwissenschaftler Harald Haarmann hat sich den Kopf darüber zerbrochen und ein Buch zum Thema vorgelegt.
Harald Haarmann, "Die Erfindung des Rades – Als die Weltgeschichte ins Rollen kam", C. H. Beck

GEMEINFREI
Hans van Ess: "Gespräche des Konfuzius"
Er war einer der bedeutendsten Denker der Menschheit - und ein einflussreicher Pädagoge, dessen Schüler seine philosophischen Grundsätze über zweieinhalb Jahrtausende hinweg bis in unsere Gegenwart tradiert haben: Kong Fuzi, im Westen unter dem Namen "Konfuzius" bekannt, ist bis heute ein angesehener und unerhört einflussreicher Philosoph, nicht nur in Ostasien. Anders als die Bibel oder der Koran liegen die berühmten "Gespräche" des Konfuzius bisher in keiner deutschen Übersetzung vor, die wissenschaftlichen Maßstäben standhält. Damit wollte sich der Münchner Sinologe Hans van Ess nicht abfinden. Und so hat sich der 61-Jährige entschlossen, selbst eine Konfuzius-Übersetzung anzufertigen und zu kommentieren.
Hans van Ess, "Die Gespräche des Konfuzius", neu übersetzt und mit Erläuterungen versehen, C.H. Beck Verlag
Maurice Höfgen: "Teuer!"
Ob im Supermarkt, an der Tankstelle oder auf der Strom- und Heizkostenabrechnung. Der Blick auf die Preise verrät: alles ist teurer geworden. Aber warum? Liegt das ausschließlich am Energiepreisschock, ausgelöst durch den russischen Überfall auf die Ukraine? Der Ökonom Maurice Höfgen warnt vor einer Hysterie und hat nun ein Buch vorgelegt, in dem er mit zahlreichen Mythen rund um „Inflation“ und Geldpolitik aufräumen möchte.
Maurice Höfgen, "Teuer! - Die Wahrheit über Inflation, ihre Profiteure und das Versagen der Politik", dtv
Till Koeppel
Richard Schneider: "Die Sache mit Israel"
1917 hat die britische Regierung den Juden eine nationale Heimstätte in Palästina versprochen. Die Briten hatten das Land von den Osmanen erobert und bekamen in der Folge ein Mandat über Palästina zugesprochen. Am 15. Mai 1948 kam es schließlich zur Gründung des Staates Israel. Eine Erfolgsgeschichte, wenn auch keine ungetrübte. Es ist ein kompliziertes Land. Um die gegenwärtigen Probleme zu verstehen, muss man sich mit seiner Geschichte beschäftigen, ist Richard C. Schneider überzeugt. Der langjährige Leiter des ARD-Büros in Tel Aviv beantwortet die drängendsten Fragen zu diesem komplizierten Land.
Richard Schneider, "Die Sache mit Israel - Fünf Fragen zu einem komplizierten Land", Deutsche Verlags-Anstalt
Studiogespräch: Wolfgang Ritschl
Ella Al-Shamahi: "Der Handschlag"
Da und dort noch ein wenig verhalten, anderswo aber wieder mit voller Leidenschaft und Ausdruckskraft: Er ist wieder da, der gute alte Handschlag. Eigentlich war er ja nie wirklich weg, doch die Pandemie ließ uns die letzten Jahre auf epidemiologisch sichere, aber wenig befriedigende Ersatzhandlungen zurückgreifen: zur Begrüßung sahen wir seltsame Verbeugungen, Ellbogenchecks oder die berühmt-berüchtigte Ghetto-Faust. Wo kommt der Handschlag aber eigentlich her? Warum schütteln wir die Hände dabei auch noch? Und warum machen das Schimpansen genauso? Die britische Paläoanthropologin und Evolutionsbiologin Ella Al-Shamahi kann diese Fragen beantworten.
Ella Al-Shamahi, "Der Handschlag - Die neue Geschichte einer großen Geste", übersetzt von Violeta Topalova, Harper Collins
Ivo Kaufmann
Wolfgang Struck: "Flaschenpost"
Beschriebene Zettel, die in Flaschen auf dem Meer treiben: Alles Mögliche kann da drauf stehen, ein Ruf nach Rettung von einer einsamen Insel, ein Liebesschwur oder ein Kochrezept. Kindern etwa bringt der Hase Felix in einem Buch charmant die Küchen der Welt nahe durch Rezepte in Flaschenposten. In der Realität kommen Botschaften nicht so einfach an den gewünschten Empfänger, denn Meeresströmungen, der Wind und andere Unbill treiben die Nachrichten vielleicht in eine gänzlich falsche Richtung. Dass das auch nützlich sein kann, zeigt ein legendäres Experiment, das den Kern des Buches „Flaschenpost“ von Wolfgang Struck ausmacht.
Wolfgang Struck, "Flaschenpost - Ferne Botschaften, frühe Vermessungen und ein legendäres Experiment", Mare Verlag
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