APA/HANS PUNZ
TV-Werbemarkt
Das Spielfeld braucht den großen Player
Der ORF soll zum Partner der privaten Medien werden. So das Credo von Medienminister Gernot Blümel von der ÖVP - er will eine österreichische Lösung, die allen die Finanzierung sichert. Was das genau bedeutet, ist unklar, aber in der Diskussion schwingt mit: Wenn der ORF ein bisschen schlanker wird, dann bleibt für die anderen Player am österreichischen Medienmarkt mehr - mehr Geld und mehr Aufmerksamkeit. Das könnte sich wirtschaftlich als Trugschluss erweisen.
6. Mai 2019, 02:00
"Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst" - ein alter Spruch, der auch für die Konkurrenten auf dem heiß umkämpften TV-Werbemarkt gilt. "Einerseits braucht man den ORF als Flaggschiff. Auf der anderen Seite gibt es genug Beweggründe, das Flaggschiff zu schwächen, weil man die anderen Schiffe in der Flotte stärken will. Das widerspricht sich möglicherweise", sagt der Medienwissenschafter Heinz Wittenbrinck von der Fachhochschule Joanneum in Graz.
Das Flaggschiff stärkt die Flotte
Müsste der ORF mehr als hundert Millionen Euro einsparen, wie schon kolportiert worden ist, dann gäbe es weniger Programm. Das bedeutet auch weniger Werbung, die im ORF gezeigt werden kann. Die ersten, die sich darüber freuen, seien natürlich die privaten TV-Sender, sagt Michael Göls von der Agentur HavasMedia. Denn die Privaten könnten dann ihre Werbeplätze natürlich teurer verkaufen. Es geht um Angebot und Nachfrage für sogenannte Kontakte, wie die Währung im Marketing-Sprech heißt. Gemeint ist, wie oft eine Werbung gesehen wird: "Weniger Programm bedeutet weniger Nutzung, das bedeutet weniger kaufbare Kontakte. Wenn ich weniger kaufbare Kontakte habe, kann ich die Kontakte, die ich habe, teurer verkaufen."
Private könnten die Preise erhöhen
Davon würde mit Servus TV ein österreichischer Konkurrent profitieren, der Sender gehört dem Milliardär und Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz. Vor allem würden aber zwei deutsche Medienkonzerne mitschneiden. ProSieben/Sat1, zu dem die österreichischen Sender Puls4 und ATV gehören - er bekommt derzeit schon den weitaus größten Teil vom österreichischen TV-Werbekuchen - und RTL. Beide verdienen schon gut in Österreich, weil es für das deutsche Programm, das in Österreich gezeigt wird, eigene österreichische Werbefenster gibt.
Die Gewinne dieser börsennotierten Konzerne verteilen sich auf Aktionäre in der ganzen Welt. "Eine österreichische Lösung ist das sicher nicht", sagt Göls.
Auf Dauer für Werber unattraktiv
Aber die Freude über höhere Werbeeinnahmen würde selbst bei den privaten TV-Sendern nicht lange anhalten, glaubt Göls. Denn Österreich würde für große Werbekunden insgesamt weniger interessant. Zum einen, weil ohne die große ORF-Reichweite weniger Menschen erreicht werden. Zum anderen, weil sie zu hohe Preise bei den Privatsendern ebenfalls nicht bezahlen wollen: "Je teurer die Kontakte in Österreich werden, desto mehr werden sich internationale Werbetreibende überlegen, ob sie in Österreich investieren, oder ihr Geld in anderen Ländern ausgeben. Das ist das Kritische daran für den Wirtschaftsstandort", so Göls.
Weniger lineares TV, mehr YouTube
Der ORF finanziert sich derzeit zu 25 Prozent aus Werbeeinnahmen. Das Geschäft wird nicht leichter. Nicht nur weil die Konjunkturaussichten schlechter werden. Vor allem weil Online-Giganten wie Google und Facebook Geld aus dem Werbemarkt abziehen. Vergangenes Jahr haben Unternehmen auf diesen beiden Plattformen in Österreich netto 306 Millionen Euro für Werbung ausgegeben, geht aus der Spendingstudie der Agentur Momentum hervor. Das ist mehr, als der ORF in TV, Radio und Online durch Werbung eingenommen hat - das waren netto rund 230 Millionen. Wird TV-Werbung weniger attraktiv, beschleunigt sich dieser Prozess, sagt Göls: "Wenn die Reichweiten unter ein gewisses Niveau fallen, wird Fernsehen ersetzt werden durch Online-Bewegtbild, zum Beispiel YouTube."
Damit wären auch die bisher noch vagen Pläne gefährdet, Werbung über eine gemeinsame Online-Vermarktungsplattform für ORF und private Sender zu verkaufen, warnt der Grazer Medienexperte Heinz Wittenbrinck.
Klicks sammeln statt gut informieren
Nicht nur wirtschaftlich, auch journalistisch würde ein kleinerer ORF mit weniger Programm eine Lücke hinterlassen, die private Sender nicht füllen würden. Weil es sich schlicht nicht rechnet: "Wahrscheinlich ist, dass journalistisch schlechtere Formate stärker würden", sagt Wittenbrinck. Die privaten Sender würden zwar mehr Nutzer, Hörer und Seher dazubekommen, aber sie müssten und würden auch versuchen, wie bisher mit ihrem Programm mehr Werbeerlöse zu erzielen. "Das geht durch Billigformate, die sehr schnell sehr viele Leute anziehen, vor allem Online."
Hochwertige journalistische Inhalte zu finanzieren, ist so schon ein schwieriges Geschäft. Ohne das Flaggschiff ORF könnte die Finanzierung solcher Inhalte in Österreich noch schwieriger werden – für alle Sender.