APA/ORF/THOMAS RAMSTORFER

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Das Damoklesschwert liegt auf Eis

Es waren die Landeshauptleute, die dem ORF in der Gebührenfrage eine Atempause verschafft haben. Ein für das Unternehmen existenzielles Thema, bei dem die Länder aber natürlich auch eigene Interessen verfolgen. Die Finanzierungsfrage soll erst gegen Ende der Legislaturperiode wieder aufgegriffen werden, bis dahin hängt sie wie das sprichwörtliche Damoklesschwert über der Reformdebatte.

Dass die Gebühren vorerst bleiben, hat der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats, Norbert Steger (FPÖ), klargestellt: "Weil es im Gesetz steht, und dieser Teil des Gesetzes wird jetzt nicht verändert." Sprich: Die Debatte ist nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Zu wichtig ist diese Frage den FPÖ-Verantwortlichen, allen voran Heinz-Christian Strache. Der Vizekanzler hat eine Entlastung für die Gebührenzahler versprochen, er muss liefern.

Gebühren als Faustpfand für Reform

Wie das umgesetzt wird, das ist längst Chefsache. Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) hat jetzt wieder die Idee einer Haushaltsabgabe ins Spiel gebracht, wie sie in Deutschland und neuerdings auch in der Schweiz eingehoben wird. Unabhängig von Geräten, unbürokratisch – aber von der FPÖ bisher nicht gerade favorisiert. Klar ist, dass die Finanzierungsfrage in den laufenden Verhandlungen über die Novelle zum ORF-Gesetz und wohl auch für die folgenden Personalentscheidungen ein wichtiges Faustpfand ist. Wer etwas für sich erreichen will, muss etwas zum Abtauschen haben.

Der Kanzler weiß um die Ö3-Reichweite

Dass die Regierungsparteien – so wie viele vor ihnen auch – im ORF etwas erreichen wollen, zeigt sich immer wieder aufs Neue. Der Bundeskanzler hat in einer beispiellosen Stellungnahme nach dem Ministerrat Kritik an den Ö3-Nachrichten geübt. Sebastian Kurz hat von Falschinformation gesprochen, obwohl ihm sichtlich nur der Blickwinkel eines bestimmten Beitrags nicht gepasst hat. Das war Kalkül. Das Umfeld von Kurz weiß um die Reichweite von Ö3 mit seinen 2,5 Millionen Hörern täglich - das sind deutlich mehr als die Kronenzeitung unter der Woche tägliche Leser hat.

"Kenn ich nicht, interessiert mich nicht"

Die FPÖ schießt ohnehin immer wieder gegen den ORF. Report-Chef Wolfgang Wagner wurde Gesinnungsjournalismus vorgeworfen, weil er in einem Interview mit dem Bundespräsidenten unbotmäßig nachgefragt hat. Ein medienrechtliches Verfahren wegen übler Nachrede gegen die FPÖ ist anhängig. Oder die ZIB2, wo Armin Wolf FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz beim Thema FPÖ und Identitäre ins Schwimmen gebracht hat. "Kenn ich nicht, interessiert mich nicht" – diese Antwort von Rosenkranz hat im Netz fast schon Kultcharakter gewonnen.

Blaue Nebelgranaten auf Twitter

Nach der Sendung hat dann auf Facebook und Twitter das große Vernebeln begonnen. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker startete eine Ablenkungskampagne, an der sich seine Parteifreunde lebhaft beteiligten. Es ist ein altes Muster und es funktioniert, denn es bindet Aufmerksamkeit und Kräfte von unbequemen Journalisten.



"Krone" spielt über die Bande mit

Druck auf den ORF kann man aber auch über den Zeitungsboulevard aufbauen. Richard Schmitt, Chefredakteur von krone.at, hat vor zwei Wochen ein FPÖ-Papier veröffentlicht, das aus der Zeit vor den Koalitionsverhandlungen 2017 stammt. Und dieses Papier hat Schmitt in großer Aufmachung auch in der Print-Ausgabe als fast fertigen Gesetzesentwurf der Koalition verkauft. Jetzt, nach der Vertagung der Gebührenfrage, wird weiter getrommelt.

Das GIS-Ende würde den Haushalten "fünf Restaurant-Besuche mit der Familie, zwei Städteflüge, sechs Thermen-Tage oder vier Tank-Füllungen" bringen, schrieb Schmitt diese Woche wieder. Dazu das gefühlte zehnte Leser-Voting zum Thema auf der Website. ORF-Bashing bringt immer Klicks, das weiß nicht nur die FPÖ.

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