Rechtsextremer Österreicher wird von Presse bedrängt

APA/GEORG HOCHMUTH

Eine Gratwanderung

Wenn Rechtsextreme eine Bühne kriegen

Extremisten wie Terroristen brauchen Medien, um ihre Botschaften zu verbreiten. Aber wie können Medien verantwortungsvoll über extreme Gruppen und ihr Weltbild berichten, ohne ihnen in die Hände zu spielen? Eine Gratwanderung zwischen Aufklärungsarbeit und der steten Gefahr, zum Erfüllungsgehilfen zu werden.

Die Spende des Christchurch-Attentäters an den Chef der rechtsextremen Identitären in Österreich Martin Sellner hat eine politische und mediale Lawine ins Rollen gebracht. Die personellen, räumlichen, aber auch ideellen Verstrickungen der sogenannten Neuen Rechten, die sich gerne als hippe, moderne Bewegung inszeniert, mit der Regierungspartei FPÖ sind offen zu Tage getreten. Die Berichterstattung über all das stellt die österreichischen Medien vor neue Herausforderungen.

"Identitäre wollen nur Medienshows"

Für die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Identitären, die laut eigenen Angaben eine Handvoll registrierter Mitglieder und laut BVT einige hundert Anhänger in Österreich haben, ist die umfangreiche Berichterstattung – auch kritische - ein Segen. Jeder Artikel und jeder Auftritt im Fernsehen oder Radio hilft, die Bekanntheit der Gruppe und ihrer Ideologie zu steigern. "Die Identitären sind nur auf Medienshows aus. Das ist ihre Art, Politik zu machen", sagt der Kulturwissenschafter und Demagogie-Experte Walter Ötsch.

Rechte Verstrickungen ein Pflichtthema

Nicht über sie berichten, sei aber keine Alternative, wie Eva Linsinger, Innenpolitik-Chefin beim Nachrichtenmagazin "profil" feststellt. Angesichts der personellen und inhaltlichen Verbindungen der Identitären zur Regierungspartei FPÖ handle es sich bei den Identitären derzeit um ein "Pflichtthema", sagt Linsinger, "sowohl für den Bundespräsidenten abwärts, als auch für Medien". Die Berichterstattung habe sie als "notwendig und auch reinigend" empfunden. "Auch der Bundeskanzler kann danach nicht mehr tun, als wüsste er nicht, wes Geistes Kind sein Regierungspartner ist."

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz Christian Strache

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache

APA/ROLAND SCHLAGER

Wie sehr legitimiert ein "profil"-Cover?

"profil" hat Martin Sellner sogar ein Cover gewidmet. "Wie gefährlich sind die Identitären" fragte das Nachrichtenmagazin und erntete trotz des ausführlich recherchierten Artikels im Heft wegen des Porträtbilds des Rechten scharfe Kritik. "Das Profil-Cover wird Sellner die nächsten Jahre herumtragen und es als Legitimation benutzen", glaubt etwa die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl, Autorin des Buches "Die Identitären".

Die "profil"-Innenpolitik-Chefin schmettert den Vorwurf ab. Ein Cover sei keine Sympathiebekundung, sagt Linsinger: "Es ist ein Irrtum zu glauben, dass nur das Gute, Wahre und Schöne oder Personen, die wir sympathisch finden, es aufs Cover schaffen. Wenn Sie sich die "profil"-Cover-Galerie ansehen, sehen Sie ein breites Spektrum von Ungustln, Terroristen, Mördern, Franz Fuchs, Osama Bin Laden – da finden sich alle möglichen Personen, die wir schrecklich finden, die aber in einer Form bedeutsam sind."

Diskutieren ist gar nicht das Ziel

Immerhin hätten die Identitären die Regierung in eine erste veritable Krise gestürzt, so Linsinger weiter. Die Gefahr, dass die Gruppe dadurch medial überhöht werde, sieht Linsinger nicht. Wichtig sei es, eigene Fotos zu machen und nicht auf das Bildmaterial von Extremisten zurückzugreifen. Auch müsse man auf die Sprache achten und Begrifflichkeiten nicht blind übernehmen.

Expertinnen wie Natascha Strobl warnen aber nicht nur vor der bildlichen Inszenierung, die mitunter leichtgläubig übernommen wird. Für Strobl ist klar: Mit Vertretern der Identitären Bewegung könne man nicht diskutieren. "Zuwanderungsstopp" und "Remigration", das seien die einzigen Themen, die die rechte Bewegung habe. Eine mediale Bühne dafür soll man ihnen nicht geben.

Fellner kennt auch keine Diskursregeln

Genau das haben aber mehrere Medien getan. Wolfgang Fellner hat sich Martin Sellner für sein TV-Portal oe24 ins Studio geholt und ihn dort auf die ihm eigene Weise interviewt, stellenweise sogar beschimpft. Für Fellner gelten keine Diskursregeln, das kommt ihm im Umgang mit Rechtsextremen gelegen. Die machen das Gleiche, sie zerstören anstatt zu diskutieren, sagt Strobl: "Rechtsextremen geht es darum, den Diskurs zu bestimmen und zu zerstören." Dafür wenden sie verschiedene Strategien wie etwa Übertreibungen an, die einen normalen demokratischen Diskurs nicht mehr möglich machten und auf die es keine sachlichen Antworten mehr gebe, so die Expertin.

Rechte Stammgäste bei Servus-TV

Fellner war freilich nicht der Erste, der mit einem Auftritt des Identitären-Chefs punkten wollte. Bereits 2016 lud Michael Fleischhacker, Servus-TV-Moderator und "addendum"-Chef, Sellner in seine Talkshow "Talk im Hangar 7" ein. Sellner feierte die Einladung als medialen Durchbruch, viele der eingeladenen Gäste sagten ab. Mit einem Rechtsextremen über Migration zu diskutieren sei ein No-Go. Sellner vertrete Positionen, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen sein, sagte dazu Fleischhacker in einem #doublecheck-Interview vor einem Jahr, aktuell wollte er nicht Stellung nehmen.

Diskutanten sagten reihenweise ab

Die Provokation mit der Einladungspolitik hat ServusTV dieser Tage wiederholt, als vor wenigen Wochen der Vordenker der sogenannten Neuen Rechten, Götz Kubitschek, eingeladen war, um die Frage zu diskutieren, wie gefährlich die Extremisten denn seien. Auch diesmal haben etliche angefragte Diskussionsteilnehmer die Einladung verweigert, darunter Natascha Strobl. Unter #überRechteReden kommentierte sie Diskussion aber im Netz.



Der Medienwissenschafter Fritz Hausjell hat sich der Einladung gestellt, ist sich im Nachhinein aber nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war: "Weil ich mir sehr sicher war, dass ServusTV diese Diskussion jedenfalls machen wird und ich dachte, wenn die dann unter sich sind, dann ist es schlimmer, als wenn es zumindest den Versuch einer Auseinandersetzung", so Hausjell über seine Motivation. Die Kritiken nach der Sendung waren jedoch vernichtend, alles sei für Kubitschek gelaufen, so der Tenor. Moderator Michael Fleischhacker habe die Diskussion einfach laufen lassen, glaubt Hausjell, der dahinter Kalkül ortet.

In Diskussionssendungen im ORF-Fernsehen werde der Identitären-Chef sicher nicht eingeladen, betont hingegen ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom. Klar wäre das ein Quotenbringer, speziell als öffentlich-rechtlicher Sender habe man hier aber eine große Verantwortung, so Schrom.

Milborn würde auch mit Sellner talken

Für das Talkformat von Puls 4 "Pro und Contra" sei nicht ausgeschlossen, dass eines Tages ein Extremrechter wie Sellner Platz nimmt, sagt die Puls-4-Info-Chefin und Journalistin Corinna Milborn. Wenn die Person Sellners Thema einer Sendung ist, würde sie eine Einladung nicht ausschließen, sagt Milborn. Mit Sellner im Fernsehen über Migration oder Flucht zu diskutieren, wie es Servus-TV getan habe, lehnt Milborn strikt ab. "Das halte ich für absolut falsch und verantwortungslos."

Mit dem Vorwurf, ihren Gästen eine Plattform zu geben, kann Milborn jedoch wenig anfangen. "Da steckt der Wunsch dahinter, dass Dinge, über die im Fernsehen nicht berichtet wird, aufhören zu existieren. Aber so ist die Welt nicht." Wenn Medien nicht den Raum zum Diskurs geben würden, dann könnten Extremisten bequem auf ihre eigenen Medienkanäle ausweichen. "Nicht darüber berichten, ist keine Option. Aber Propaganda weitergeben, ist erst recht keine Option."

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