ORF/THOMAS RAMSTORFER
Armin Wolf
Ein Skandal mit etwas anderen Folgen
Der Konflikt zwischen der Regierungspartei FPÖ und dem ORF hat mit dem ZIB2-Interview von Armin Wolf mit FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky einen neuen Tiefpunkt erreicht. ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom sieht das als Match, das nicht Aufgabe des ORF sei. Man müsse davon wegkommen.
3. Juni 2019, 02:00
Wolf hat Vilimsky mit einem Bild aus dem Nazi-Hetzblatt "Der Stürmer" konfrontiert, um den rassistischen Duktus eines FPÖ-Plakats zu verdeutlichen. Der FPÖ-Politiker sprach daraufhin von einem Skandal der Sonderklasse, der nicht ohne Folgen bleiben werde. Chefredakteur Matthias Schrom über das Interview: "Das war ein prononciertes, auch scharfes Interview. Aber es war jedenfalls im Rahmen dessen, was journalistisch drinnen ist. Und rechtlich sauber." Den Vergleich mit dem "Stürmer" hätte man auch nur ansprechen können, so Schrom. "Aber es heißt halt Fern-Sehen."
"Wenn das Mikro dann ausgeschaltet ist"
Matthias Schrom ist als ORF2-Chefredakteur für die wichtigsten Informationssendungen des Landes verantwortlich, er hat den Posten im Vorjahr unter wohlwollenden Blicken der Regierungspartei FPÖ übernommen. Wie sieht Schrom den Druck seitens der Politik, der mittlerweile auf den Redaktionen lastet? Man müsse versuchen, die Emotionen von der sachlichen Ebene – vom journalistischen Produkt – zu trennen. "Das ist zwar nicht immer ganz einfach, aber es geht. Davon bin ich überzeugt. Auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren, und den Rest kann man besprechen, wenn das Mikrofon ausgeschaltet ist."
Berichterstattung wie über Ungarn
Wir werden kein Mikro brauchen. Das klingt ein bisschen nach jener österreichischen Lösung, vor der jetzt nicht nur im Inland sehr viele Stimmen warnen. Hat doch Harald Vilimsky am Tag nach dem ZIB2-Interview laut über einen Rauswurf von Armin Wolf nachgedacht und der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates, der frühere FPÖ-Obmann Norbert Steger, hat Wolf ausgerechnet im Fellner-Fernsehen zu einer Auszeit geraten: "Ich würde ein Sabbatical-Jahr nehmen und mich neu erfinden."
Eine Welle der Solidarisierung mit Wolf in Österreich, aber besonders auffällig auch in Deutschland waren die etwas anderen Folgen des Skandals, den Vilimsky in dem kritischen Interview sehen wollte. Die Tagesthemen - das ZIB2-Schwesterformat der ARD - hat über Österreich berichtet, wie man es bisher nur bei Berichten über die akut gefährdete Pressefreiheit in Ungarn und Polen gewohnt war.
Selbst die "Bild-Zeitung" ist besorgt
Das deutsche Massenblatt BILD hat ÖVP-Chef Bundeskanzler Sebastian Kurz nahegelegt, sich einen Plan B - nämlich für eine Regierung ohne FPÖ auszudenken. Neben allen anderen großen deutschen Medien hat sich auch das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL mit Wolf und dem ORF solidarisiert. Wien-Korrespondent Hasnain Kazim hat eine ganz spezielle Erfahrung gemacht: "Mich rufen zunehmend österreichische Journalisten an und sagen, ich habe da eine Geschichte, die ist sehr heikel und kritisch mit der Regierung, aber ich kann die nicht schreiben. Sonst bekomme ich Probleme."
Kurz und Vize Strache beschwichtigen
Die Aufregung über die Grenzen hinaus hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Nach der Regierungssitzung am 1. Mai sagte FPÖ-Chef Vizekanzler Strache auf eine Frage der ARD-Korrespondenten in Wien: "Es ist schade, dass sich das so aufgeschaukelt hat.“ Und ÖVP-Obmann Bundeskanzler Kurz: "Unsere Aufgabe ist sicher nicht die ständige Auseinandersetzung mit den Medien." Vorerst ist also wieder Beschwichtigung angesagt. Bis zum nächsten rechtsextremen Einzelfall, der die Wogen hochgehen lässt.