Diagonal-Plakat an der Eingangstür zur Redaktion

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Diagonal

35 Jahre Diagonal

Ein glamouröser Betriebsausflug aus gegebenem Anlass hätte dem aktuellen Sendungsteam wohl gefallen. Vielleicht in die Avenida Diagonal in Buenos Aires. Lange Zeit schon hängt ein Plakat an unserer Redaktionstür im Funkhaus - darauf zu sehen: das Bild eines Supermarktes in dieser Straße. Darunter der Schriftzug: "Supermarché Diagonal". Diagonal, der Radio-Bauchladen - wie passend.

Aber auch ein anderes Reiseziel hätte sich für eine solche Reise angeboten. Da wir Diagonaler/innen ohnehin auch im Urlaub nicht anders können, als unsere Aufnahmegeräte - "für den Notfall", wie wir gern sagen - in der Tasche zu haben, wären damit auch noch drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen gewesen: Erholung, Teambuilding und gesammeltes Audiomaterial für eine ganze Sendung.

Daraus wäre freilich ein Diagonal-Stadtporträt geworden. Die Reise hätte uns nämlich in eine Stadt im US-amerikanischen Bundesstaat Iowa geführt. Die Existenz einer Stadt, die so heißt wie wir, Diagonal, blieb uns bisher verborgen.

"Radiosendungen machen und ausstrahlen ist wie eine Flaschenpost abfüllen und aussetzen"

Vorfreude auf die Jubiläumssendung. Die aktuelle "Diagonal"-Redaktion: Peter Waldenberger, Christian Scheib, Ines Mitterer und Johann Kneihs

Nun hätten sich mit dieser Reise aber Probleme ergeben: Ein "Diagonal-Stadtporträt Diagonal", das klänge zu sehr nach Klamauk. Nahezu absurd erschiene es zudem, ein Team, das zurzeit circa 30 Frau und Mann stark ist, an einen Ort zu bringen, für den die Bezeichnung Kleinstadt schlicht eine Übertreibung ist: Diagonal zählt nur 328 Einwohner/innen.

Wir hatten es über die Jahrzehnte und in Dutzenden Stadtporträts meist mit anderen Kalibern zu tun. Oft mussten es die Metropolen der Welt sein, zuletzt die kolumbianische Hauptstadt, Bogotá, zuvor das indische Bangalore, oder auch eine Stadt, die eigentlich keine ist, sondern eine Gegend - eine einflussreiche noch dazu: Für das "Stadtporträt Silicon Valley - im Tal der Datenschürfer" wurden wir 2017 mit dem Dr. Karl Renner Publizistikpreis ausgezeichnet. Nicht die einzige Honorierung in der Geschichte dieser Sendung - so viel Selbstlob sei nach 35 Jahren erlaubt.

Plakat auf der Türe

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Ein kleines Büchlein - jede Woche!

Diagonal hat es übrigens auch mit Städten aufgenommen, die es nur als Idee gibt: Man denke an die ebenfalls ausgezeichnete Sendung über Entenhausen/Duckburg. Untertitel: "Enten sind auch nur Menschen." An solcherlei Überlegungen merkt man, wie sehr wir dem Sendungstitel gerecht werden möchten: diagonal denken und schräg werken. Jüngst wieder einmal buchstäblich, mit einer Produktion über den Joker unter den Zeichen, das X, jenen Buchstaben, der aus zwei gekreuzten Diagonalen besteht.

Es ist nun also der 35. Geburtstag, den Diagonal im Mai begeht. Wir fühlen uns so jung, wie wir sind. Liefern weiter und gern jede Woche zwei Stunden möglichst dichtes, tiefgründiges und unterhaltsames Radio. In Papierform wäre das ein kleines Büchlein - jede Woche!

"Diagonal" statt "Tumult"

Als Wolfgang Kos, der Diagonal-Erfinder, 1984 zum ersten Mal die Stimme erhob, sagte er in ruhigem Ton: "Radiosendungen machen und ausstrahlen", das sei wie "eine Flaschenpost abfüllen und aussetzen". Wo die Bestandteile einer Sendung hintrieben, wisse man nie. Um später hinzuzufügen, dass es eine Zeit lang so ausgesehen habe, als würde dieses neue Format "Tumult" heißen. Doch das klang Kos und seinem kongenialen Partner Michael Schrott allzu sehr nach Konfusion. "Jetzt heißen wir eben Diagonal - Radio für Zeitgenossen", schloss er seine Einführung. Jetzt sei endlich die Radiowalze angeworfen.

Wolfgang Kos und Michael Schrott

Wolfgang Kos und Michael Schrott

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Mehr als 1.600 Diagonal-Sendungen, und man kann fast sagen einige Radiogenerationen später, sind die allermeisten Macher/innen von damals - mit wenigen Ausnahmen - zwar nicht mehr hier, im Funkhaus: Wolfgang Kos, Michael Schrott, Rüdiger Wischenbart, Helmut Waldert, Werner Geier und etliche andere. Doch das klingende Zwei-Stunden-Ding Diagonal ist es. Bleiben Sie uns auch weiterhin gewogen.

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Wolfgang Kos über die verbindende Kraft der Moderation.