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ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Prekäre Arbeitsverhältnisse

Die Ausdünnung des Journalismus

Es wird gespart in den Medienhäusern. Die Redaktionen werden ausgedünnt, Neuanstellungen sind rar. Das trifft besonders die Jungen, die sich immer öfter als freie Journalistinnen und Journalisten durchzuschlagen versuchen. Obwohl die meisten Medien auf die Zulieferungen von Freien angewiesen sind, ist deren wirtschaftliche Lage schwierig. Man kann von einem journalistischen Prekariat sprechen. Und von einem Nachwuchsproblem.

Monat für Monat um Aufträge kämpfen, die einmal schlechter, einmal besser bezahlt sind. Kosten, auf denen man sitzen bleibt, wenn etwa ein Artikel nicht erscheint, obwohl er abgegeben wurde. Und dann noch die Sozialversicherung, die unabhängig von der Auftragslage pünktlich bezahlt werden muss. Für viele freie Journalistinnen und Journalisten ist das der Alltag, den sie allein meistern müssen. Es fehlt der Rückhalt, wie ihn Redaktionen bieten.

Leben im journalistischen Prekariat

Anfang habe er mit 1000 Euro im Monat auskommen müssen, erzählt Jonas Vogt. Der freie Journalist schreibt regelmäßig für renommierte Medien, darunter das Monatsmagazin "Datum", die Tageszeitung "Der Standard" oder die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit". Vor allem Aufträge für deutsche und Schweizer Medien seien lukrativ, so Vogt. Drei Jahre Zeit hat sich Vogt gegeben, um als freier Journalist durchzustarten. Mittlerweile kann er vom Journalismus leben, in der Selbstständigkeit musste er sich aber erst zurechtfinden. Sich Urlaub nehmen, das Gefühl ablegen, ständig und überall im Dienst zu sein, all das muss gelernt werden, weiß Vogt.

"Solche Honorare sind unzumutbar"

Natürlich hat Selbstständigkeit ihren Reiz, man kann seine Themen frei wählen und unterschiedlichen Medien anbieten, so Markus Mittermüller, Vorsitzender des Vereins "Freischreiber". In dem Verein vernetzen sich Journalisten ohne Anstellung und tauschen sich aus - auch über die Höhe ihrer Honorare, die den "Freischreibern" viel zu niedrig sind. "Um solche Honorare sollte niemand arbeiten müssen", sagt Mittermüller.

Ein Honorar von 40 Euro für 1000 Zeichen – das ist ungefähr eine halbe DIN-A4-Seite - steht aktuell im Kollektivvertrag. Um bei diesem Satz angemessen zu verdienen, müsste man 32 Artikel im Monat abliefern, sagt Mittermüller. Das sei vom Aufwand her schlicht unmöglich.

Mindest-Tarife nicht eingehalten

Speziell Tageszeitungen würden schlecht zahlen, sagt Mittermüller. Auch der Präsident der Journalisten-Gewerkschaft, Eike Clemens Kullmann, bestätigt, dass die vereinbarten Mindesttarife aktuell nicht immer eingehalten würden. Bei der Gewerkschaft gebe es dazu laufend Beschwerden. Mehr zu verlangen, sei für Freie aber riskant, will man doch den Auftraggeber nicht vergraulen. "Man hat immer im Hinterkopf: Da stehen zehn Leute hinter mir, die den Job machen, wenn ich ihn nicht annehme", sagt Jonas Vogt.

PR-Arbeit als zweites Standbein

Die mageren Tarife führen auch dazu, dass es immer mehr Journalisten zu den Bereichen Public Relations und Werbung verschlägt. Denn die allermeisten Freien brauchen ein zweites Standbein, um finanziell zu überleben, sagt Mittermüller – auch wenn das nicht unbedingt vereinbar sei. Schließlich ist PR-Arbeit das glatte Gegenteil von kritischer und investigativer Recherche.

Journalismus wird zum Eliten-Job

Der Einstieg in den Journalismus erfolgt nicht selten über ein schlechtes oder gar nicht bezahltes Praktikum, die Aussicht auf eine fixe Anstellung ist gering. Vor diesem Hintergrund wird der Traumberuf immer mehr zum Privileg. Denn, so die freie Autorin Bianca Jankovska: "Man muss sich die unbezahlte oder schlechtbezahlte Textarbeit gerade zu Beginn erstmal leisten können." Viele junge Menschen schlagen den Weg nur ein, wenn sie finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern haben. Dadurch leidet die soziale Vielfalt in den Redaktionen.

Sozial durchmischter Nachwuchs fehlt

Der Journalismus verkommt zum Eliten-Job. Die Medien sind sich dessen durchaus bewusst, wie eine gerade erst publizierte Studie der Universitäten Oxford und Mainz zeigt. Medienhäuser wünschen sich nach eigenen Angaben weniger Kinder aus wohlhabenden Haushalten als journalistischen Nachwuchs, dafür mehr Mitarbeiter mit Migrationsgeschichte und mehr Frauen. Dafür getan werde freilich nicht viel, resümiert die Studie.

Bianca Jankovska

MELANIE ZIGGEL

Bianca Jankovska

Millenial-Generation gegen Ausbeutung

Bianca Jankovska ist Autorin des Buches "Das Millenial Manifest". Darin setzt sich die Wienerin schonungslos mit dem modernen Erwerbsleben auseinander und erklärt, weshalb sich ihre Millenial-Generation nicht mehr um jeden Preis ausbeuten lassen will. Jankovska hat selbst als Journalistin gearbeitet und kennt die Ungewissheit, die viele Freie plagt. Ob die schmalen Honorare wenigstens pünktlich bezahlt werden etwa. Zahlungserinnerungen und Mahnungen schicken zu müssen, sei keine Seltenheit: "Selbst renommierte Zeitungen, die sich groß Gerechtigkeit auf die Fahne schreiben, zahlen mitunter erst drei, vier Monate später."

Digitaler Wandel macht arbeitslos

Der digitale Wandel hinterlässt in den etablierten Medien- und Verlagshäusern Spuren. Die Werbeeinahmen gehen zurück und wandern gleichzeitig zu den Online-Riesen ab. Die Folge: Medien sparen, vor allem auch am Personal, weiß Lydia Ninz nur zu gut. Sie ist Geschäftsführerin des Projekts "Ajour" und betreut arbeitslose Journalisten. 770 von insgesamt rund 7000 Journalisten suchen aktuell österreichweit einen Job, also mehr als zehn Prozent.

Bei "Ajour", das vom AMS Wien mitfinanziert wird, erhalten arbeitslose Journalisten und Journalistinnen Beratung und Weiterbildung. In dem Projekt, das erst vor kurzem verlängert worden ist, wurden bisher 160 Menschen betreut, rund 40 Prozent sind wieder in einen Medienberuf eingestiegen. Fast die Hälfte kam in sogenannten mediennahen Kommunikationsberufen unter, also in PR und Werbung. Neun Prozent der Betreuten sind nun in einer völlig anderen Branche.

Sparen als "Selbstmord auf Raten"

Ninz sieht die Entwicklungen in der Medienbranche äußerst kritisch. Personal zu kürzen, sei der absolut falsche Weg, Lydia Ninz spricht von einem "Selbstmord auf Raten", das sei gerade im Journalismus "Wahnsinn". Medien sollten in Zeiten von Fake News offensiv agieren und "die Qualität, die Journalistinnen und Journalisten haben, ausspielen". Denn wer das Vertrauen seines Publikums behalten wolle, der brauche auch abgesicherte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Qualität ihrer Arbeit hochhalten können.

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