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Hörbilder
Im Labyrinth der Leidenschaften - Pedro Almodovar
Pedro Almodovar ist Spaniens wohl berühmtester Regisseur der Gegenwart. Bei den Filmfestspielen von Venedig wurde Almodovar, der am 25. September seinen 70. Geburtstag feiert, mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk geehrt. In seinem neuen Film "Schmerz und Ruhm" blickt er auf seine eigene Biografie als Künstler zurück. Für die "Hörbilder" haben Daniel Guthmann und Joachim Palutzki Pedro Almodóvar und seinen Bruder Agostin in Madrid getroffen.
20. Oktober 2019, 02:00
Der Nonkonformist aus der spanischen Provinz La Mancha hat in den 40 Jahren seines Schaffens ein unverwechselbares filmisches Universum kreiert. Darin spielt die Zeit nach Franco, die schrille spanische Variante des New Wave, der "Movida Madrilena", der späten '70er-Jahre ebenso eine zentrale Rolle wie die wirtschaftlichen und politischen Krisen nach 2008.
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Über die wilden Jahre der "Movida Madrilena" nach dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 sagt Almodovar in diesem Ö1 Hörbild:
Wir lebten in dieser musikdurchtränkten, nächtlichen Welt der Clubs und Diskotheken - das war gewissermaßen unsere Universität. Und die Nacht ging in Madrid nie zu Ende!
Diese hedonistische Zeit sei geprägt gewesen von von großer Lebenslust und schöpferischer Kraft. Es ging, so Almodovar weiter, "um eine bestimmte Lebensweise, die Lichtjahre entfernt von dem schien, was ältere Generationen uns vorgelebt hatten. Das Wichtigste war ein grundlegender Wandel des Verhaltens und der Mentalität.“
Immer sind Almodovars Filme opulent, experimentierfreudig und voller Erotik, voller tragikomischer Schicksale von vermeintlichen Außenseitern, Junkies, Nonnen, Huren, Transvestiten und Transsexuellen. Sein Werk umfasst viele preisgekrönte Filme: "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs", "Sprich mit ihr", "La Mala Educacion - die schlechte Erziehung" oder "Volver - Zurückkehren".
Über die Partystimmung bei den Dreharbeiten in den 1980er Jahren sagt Almodovar:
Die Dreharbeiten am Set damals, das war, als wenn Du einen Nachtclub betrittst. Man konnte praktisch nichts sehen durch den ganzen Qualm der Zigaretten, die wir rauchten. Das ganze Set war eingenebelt.
Es wurden freilich nicht nur Zigaretten konsumiert und so erinnert sich Almodovar, dass er sich während der Dreharbeiten zu "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" genötigt sah, am Set ein Drogenverbot auszusprechen: "Na ja, gut, das waren halt die freien 1980er Jahre, das musste natürlich gefeiert werden, aber es musste eben auch gearbeitet werden!“
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Nostalgisches Alterswerk
In seinem jüngsten Film"Leid und Herrlichkeit" lässt Almodovar sein durchaus wechselvolles Leben Revue passieren. In Cannes wurde "Dolor y Gloria" umjubelt und Hauptdarsteller Antonio Banderas als bester Schauspieler geehrt. Almodovar erzählt die Geschichte des einst erfolgreichen, aber von zahlreichen schmerzhaften körperlichen Leiden geplagten Regisseurs Salvador, der von Erinnerungen an sein Leben heimgesucht wird - und unschwer als das Alter Ego des Filmemachers zu dechiffrieren ist. Banderas liefert in der Hauptrolle eine buchstäbliche reife Leistung - gealtert, graubärtig und gebrechlich.
Alle meine Filme sind sehr persönlich, aber in der Tat ist dieser Film derjenige, der mich am meisten repräsentiert und vor allem, der mich am intimsten repräsentiert.
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Für die "Hörbilder" haben Daniel Guthmann und Joachim Palutzki Pedro Almodóvar und seinen Bruder Agostin in Madrid getroffen.
Eine unscheinbare dreigeschossige Fassade in einer kleinen Gasse in der Nähe der madrilenischen Stierkampfarena Las Ventas: hier befindet sich die Produktionsfirma "El Deseo" von Pedro und Agustín Almodóvar. Die beiden Brüder empfangen uns im Juni 2019 zum Interview. Der Terminkalender ist übervoll, wir fühlen uns geehrt, dass uns fast eineinhalb Stunden für das Interview zur Verfügung gestellt werden, der Zeitrahmen streng überwacht von Bárbara Peiró Aso, die bei "El Deseo" für die Pressearbeit zuständig ist. Almodóvars Team tourt mit dem neuen Film "Leid und Herrlichkeit" durch Europa, man befindet sich nur auf Zwischenstopp in der Heimat. Jedoch ist bei dem fast 70-jährigen Pedro Almodóvar, der uns im T-Shirt empfängt, keine Spur von Müdigkeit zu spüren. Ein kleiner Konferenztisch mit einigen kleinen blauen "Solan de Cabras"- Mineralwasserflaschen, ein Mikrofon und ein Aufnahmegerät. Viel braucht es nicht, um ein Gespräch mit dem Granden des europäischen Kinos in Gang zu bringen. Man verbleibt beim verbindlichen Du, das sich im spanischen Kulturbetrieb nach "Generalíssimo" Francos Tod schnell durchgesetzt und bis heute behauptet hat. Die wilde Zeit nach 1975, als Pedro Almodóvar angefangen hat, Undergroundfilme zu drehen, und diese mit Live-Kommentaren versehen in den legendären Bars und Clubs von Madrid auf nicht weniger legendären Veranstaltungen vorgeführt hat, prägen Haltung und Ansichten bis heute, trotz allen Glamours von Cannes bis Hollywood. Bárbara hat uns im Vorfeld dazu angehalten, nur wenige Fragen vorzubereiten, da das Gespräch dank der sehr ausführlichen Antworten Pedros sonst leicht bis in den Abend andauern würde. Wir hätten nichts dagegen gehabt ...
Daniel Guthmann & Joachim Palutzki