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Klimakrise und Sprache
Mit der Klima-Sprache fängt es an
Sagen Sie noch "Klimawandel"? Oder sprechen Sie lieber von "Klimakrise" oder "Erderhitzung"? Hinter der Wortwahl steckt auch politisches Kalkül. Und: Ist der hungrige Eisbär auf der schmelzenden Eisscholle ein geeignetes Bild, um aufzurütteln? Immer mehr Redaktionen denken um. Angefangen hat die britische Tageszeitung "The Guardian", Österreichs Redaktionen haben Nachholbedarf.
3. Februar 2020, 02:00
Es war der republikanische Parteistratege Frank Luntz in den USA, der Anfang der 2000er Jahre den Begriff "Klimawandel" geprägt hat. Seine Regel, die er in Talkshows erklärt hat: Sprich niemals von Erderwärmung, das klingt zu unheilvoll. "Global warming suggests something more cataclysmic. Climate change suggests something more gradual. Global warming is more frightening, climate change less so", sagt Luntz da.
Der Spin vom "Wandel" aus den USA
Also: sprich lieber von "Klimawandel", ein Wandel passiert langsam, das macht weniger Angst. Inzwischen zeigt Frank Luntz öffentlich Reue, aber sein Begriff hat sich durchgesetzt. Benedikt Narodoslawsky, langjähriger Klimaredakteur beim "Falter", zieht daraus seine Schlüsse. Er spricht bewusst von einer Klimakrise: "Ich halte es für problematisch, wenn man Klimawandel sagt. Die Frage ist, ob man dann als Journalist zu aktivistisch ist, wenn man dem eine Dramatik gibt. Die Wissenschaft spricht von einer Krise, die in einer Katastrophe enden könnte, deshalb fühle ich mich darin bestätigt, den Begriff Klimakrise zu verwenden."
Sind Journalisten beim Klima Aktivisten?
Umweltaktivisten benutzen oft noch stärkere Worte, wie "Klimakatastrophe". Journalisten könnten da in eine Falle treten, warnt der schwedische Fernsehjournalist Calle Elfström: "Ich bin vorsichtig mit den Begriffen der Aktivisten. Man könnte als Journalist auch als Aktivist wahrgenommen werden. Nicht alle Zuseher teilen diese Meinung. Wir sollten als öffentlich-rechtlicher Sender nicht als Grüne oder Linke gelten. Die Rechten könnten unsere Berichte als Fake News auslegen. Wir müssen sagen, was Sache ist, aber nicht in der Sprache der Aktivisten. Sonst verlieren wir Glaubwürdigkeit."
Auch der Begriff "Klimakrise" ist umstritten, denn: Geht eine Krise nicht vorbei? Und was, wenn ich dauernd von "Klimanotstand" spreche, aber dann passiert politisch doch nichts? Das könnte abstumpfen, heißt es etwa bei der ARD. Die Sprachauswahl ist also ein Drahtseilakt, über den Redaktionen nachdenken sollten, sagt Carel Mohn von der Plattform "klimafakten.de".
Leugner nicht als Skeptiker verharmlosen
Aber in einer Frage hat Mohn eine klare Meinung: Menschen, die bestreiten, dass die Erderwärmung von Menschen verursacht wird, sollte man nicht Klima-Skeptiker nennen. "In den meisten Fällen ist das eine bewusste Entscheidung zu sagen: Diese Fakten interessieren mich nicht. Deshalb ist der Begriff Leugner angemessener." Die richtigen Worte für die Berichterstattung zu finden, ist nicht leicht, zumal die Sachverhalte oft abstrakt sind.
Etwa wenn die Politik über Klima- und Emissionsziele streitet, darunter könne sich niemand etwas vorstellen, sagt Mohn - ebenso wenig wie unter dem Begriff "Dekarbonisierung". Effektvoller sei es, einfache Worte zu verwenden, wie: "Wir wollen Öl, Gas und Kohle in der Erde lassen." Journalisten sollten etwa beschreiben, wie sich der Verkehr ändern müsste, damit die Luft sauberer werde.
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Der nichtssagende Eisbär auf der Scholle
Auch die Bildsprache ist tückisch, sagt Petra Bernhardt, sie ist Expertin für visuelle Kommunikation an der Universität Wien. Der hungrige Eisbär auf der schmelzenden Eisscholle sei zum Symbol der Erderwärmung geworden. Das habe aber den Haken, dass der Eisbär sehr weit weg ist von unserer Lebenswelt und man sich nicht vorstellen könne, wie die Klimakrise auf den persönlichen Lebensbereich einwirkt. Auch Bilder von Politikern, die über Klimaschutzmaßnahmen verhandeln, bewirken nichts, sagt Bernhardt. "Welche Auswirkungen das auf die Natur hat, wird uns nicht vor Augen geführt." Stattdessen sollten Journalisten die unmittelbaren Auswirkungen auf den Menschen zeigen. "Zum Beispiel Bilder über die Brände in Australien, die zeigen, dass Häuser verloren gehen, Gärten abbrennen und dass Menschen vor dem Nichts stehen."
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Rekordhitzen sind kein Sommerfeeling
In Österreich sollten Bilder die Auswirkungen auf die Dörfer zeigen, die vom Skitourismus leben, oder die negativen Folgen für die Landwirtschaft oder Bilder von Überschwemmungen. Besonders schlecht sei die Bildauswahl der Boulevardzeitungen über Hitzerekorde, sagt Bernhardt: "Hitze wird als Rekordphänomen präsentiert. Dazu wird gezeigt, wie Menschen sich in Bädern tummeln, und die Sonne genießen. Das ist genau das Bildmaterial, das nicht die negativen Konsequenzen vor Augen führt. Das ist kontraproduktiv."
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Warum also werden die Bilder noch verwendet? Sommerbilder verkaufen sich gut, und Redaktionen greifen vielleicht auch aus purer Gewohnheit oder Zeitdruck zu den immer gleichen Hitzebildern, vermutet Bernhardt. Hier fehle so mancher Redaktion noch das Bewusstsein.