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Türkis-Grün
Grüne Medienpolitik auf dem Prüfstand
Kommt mit den Grünen in der Regierung eine Wende in der Medienpolitik? Was bleibt übrig von den Plänen der Vorgänger-Regierung zwischen ÖVP und FPÖ? Im Regierungsprogramm weiter stark verankert ist die Idee, dass ORF und Privatsender zusammenarbeiten sollen. Was fehlt, sind neue Ideen für die klassische Medienförderung und für die Inseratenpolitik.
9. März 2020, 02:00
Das Medienkapitel im neuen Regierungsprogramm ist nur knappe drei Seiten lang, darin findet sich wenig Konkretes. Aber ein Satz im Regierungsprogramm schlägt einen Pflock ein: "Wir stehen für einen unabhängig finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk". Noch vor einem Jahr wollte die FPÖ, dass der ORF nicht mehr über die GIS, sondern über das Budget finanziert wird. Damit wäre der ORF direkt am Gängelband der Politik gewesen, die Finanzierung hätte von gefälliger Berichterstattung abhängig gemacht werden können.
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"Wir haben die Verböserung gestoppt"
Mit den Grünen geht das nicht, sagt Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen. Die "Verböserung" sei nun gestoppt, wie sie sagt. "Wenn wir an die vorige Regierung denken und die Pläne der FPÖ, den ORF zu einem Staatsfunk zu machen - heißt staatlich zu bezahlen und damit am Gängelband zu haben - das wird es mit den Grünen nicht geben."
Fortgesetzt werden aber unter ÖVP und Grünen die Pläne der vorigen Regierung, dass der ORF mit den privaten Mitbewerbern wie puls4 und ATV kooperieren soll. Motto: Nur gemeinsam sind wir stark gegen die Konkurrenz durch Netflix, YouTube und Co. Der ORF trage Verantwortung, auch die Privaten zu unterstützen, heißt es.
Zwang zur Kooperation mit Privaten?
Wie diese Kooperation aussehen soll, ist nicht klar. Zum einen sollen ORF und Private die Vermarktung für Werbekunden gemeinsam abwickeln, das ist längst in Vorbereitung. Es könnte aber auch bedeuten, dass ORF und die Privatsender gemeinsam eine Plattform entwickeln, um ihre Inhalte im Netz auszuspielen. Der ORF baut ja derzeit am sogenannten Player, das ist eine Art Super-TVthek mit Fernsehen und Radio, aber auch extra Videos und Podcasts - und Puls 4 bespielt bereits eine eigene Plattform namens "Zappn".
ÖVP und Grüne haben jedenfalls verschiedene Vorstellungen. Blimlinger: "Um eine inhaltliche gemeinsame Sache geht es aus meiner Sicht nicht, weil die Frage des öffentlich-rechtlichen Inhalts sich beim ORF völlig anders stellt als bei den Privaten. Aus meiner Sicht geht es in erster Linie um eine Vermarktungsplattform. Da geht’s natürlich darum, wie die Einnahmen aufgeteilt werden."
Wenn das Ö-Tube wieder aufflackert
"Es geht darüber hinaus", sagt hingegen Gerald Fleischmann von der ÖVP, langjähriger Kommunikations- und PR-Profi hinter Bundeskanzler Sebastian Kurz. Kurz und Fleischmann kümmern sich gemeinsam um die Fragen der Medienpolitik. Fleischmann bezieht sich auf den ORF-Player: "Es ist auch die Rede von einem Ö-Tube oder A-Tube. Es geht um das Angebot von Bewegtbild. Wie das auf dem Smartphone ausschauen wird, das wird jetzt geklärt." Ähnlich sehen das wenig überraschend die Privatsender, mit denen die ÖVP seit jeher ein gutes Einvernehmen pflegt.
"Wenn dieser Player erfolgreich sein soll, dann muss es ein Angebot sein, das für die österreichischen Konsumenten und Konsumentinnen attraktiv genug ist - und dazu gehört, dass möglichst viele österreichische Inhalte dort vertreten sind", sagt Corinna Drumm, sie ist Geschäftsführerin vom Verein Österreichischer Privatsender. Sie sagt aber auch, dass sie keine Ahnung hat, wie die gemeinsame Plattform ORF-Private genau aussehen soll. Will die Regierung also, dass der ORF-Player zum Teil den Privaten gehört? Was würde das für die Aufteilung von Finanzierung und Erlösen bedeuten? Darauf gibt es keine Antworten.
Den deutschen Töchtern geht’s ums Geld
Klar ist jedenfalls das Anliegen der Privaten: Seit Jahren fordert puls4-Chef Markus Breitenecker (dessen Sendergruppe mit ATV zum deutschen ProSieben-Sat1-Konzern gehört, an dem auch der italienische Medienmogul Silvio Berlusconi beteiligt ist) mehr öffentliches Geld für private Sender. Das Argument: Auch Private würden förderungswürdiges Programm nach öffentlich-rechtlichem Vorbild machen,das Zauberwort heißt "Public Value".
Corinna Drumm vom VÖP, in dem Breitenecker eine große Nummer ist, bestätigt: "Es steht ja im Regierungsprogramm deutlich drinnen, dass man mehr Public-Value-Inhalte fördern möchte, und dann betrifft das jenen Bereich, der noch nicht so stark gefördert wird - das ist der privatwirtschaftliche Medienbereich". Die kommerziellen Privatsender, die Gewinne machen, haben von ÖVP und FPÖ vor einem Jahr bereits mehr Geld bekommen, die Dotierung des Privatrundfunkfonds wurde von 15 auf 20 Millionen Euro jährlich erhöht.
Kein Junktim, aber ein ORF-Gesetzes-Paket
Die Struktur für die neue Zusammenarbeit soll ein neues ORF-Gesetz schaffen, sagt Kanzler-Vertrauter Gerald Fleischmann. Damit verknüpft sind jetzt Forderungen des ORF – etwa, dass TV- und Radio-Beiträge länger als sieben Tage im Netz bleiben dürfen, oder dass man Inhalte nur fürs Netz produzieren darf. Beides ist wichtig, damit der ORF sein digitales Angebot verbessern kann. Von einem Gegengeschäft will Fleischmann nicht sprechen, er spricht lieber von einem "Gesetzespaket, weil es ja mehrere Maßnahmen umfasst".
Blimlinger spricht es aus: Hier läuft ein Tauschgeschäft. "Uns war es ein Anliegen, dass der ORF nicht in junktimierende Situationen kommt, dass man das auf bestimmte Bereiche wie eben den Player und die Sieben-Tage-Regelung beschränkt", sagt Blimlinger - "und nicht dem Grundsatz nach den ORF in seiner öffentlich-rechtlichen Substanz gefährdet".
Haushaltsabgabe für die ÖVP kein Thema
Bleibt die Einigung: Die unabhängige Finanzierung des ORF ist gesichert. Aber auch das kann Unterschiedliches bedeuten. Käme statt der GIS-Gebühr eine Haushaltsabgabe, würden alle den ORF mitfinanzieren - auch jene, die die Angebote nur online nutzen, die sind ja derzeit von den Gebühren ausgenommen. Die Grünen finden eine Haushaltsabgabe gerechter. Vorbild sei die Schweiz, sagt Blimlinger. Käme die Haushaltsabgabe, dann würde sie den "großen Wurf" bevorzugen und auch die Finanzierung der Privaten gleich neu aufstellen.
Das will die ÖVP nicht. Medienbeauftragter Gerald Fleischmann stellt klar: "Im Regierungsprogramm steht eine Haushaltsabgabe nicht drinnen, jetzt kommt sie einmal definitiv nicht." So wirklich einig sind sich Grüne und ÖVP also in Sachen Rundfunk nicht.
Immer grüner Ärger mit den Inseraten
Auch am Zeitungssektor kann es schwierig werden. Die Regierungsinserate in den Zeitungen waren den Grünen stets ein Dorn im Auge. Im Sommer noch sagte der wahlkämpfende Werner Kogler, er würde die Inserate halbieren, dafür solle die Presseförderung von derzeit knapp neun Millionen auf 50 Millionen Euro erhöht werden - die Berichterstattung soll dadurch unabhängiger von den Wünschen der Regierung werden. In Wien sind die Grünen freilich seit 2010 mit der SPÖ an der Macht - und hier haben sie ihr Anliegen jedenfalls nicht umgesetzt, sagt Georg Eckelsberger von der Rechercheplattform Dossier. Er beobachtet die Inseratenpolitik seit Jahren.
"Die Grünen haben sich arrangiert"
"Nach dem Regierungseintritt der Grünen 2010 sind die Inserate bis 2015 stark angestiegen. Zahlen haben wir ab 2012, da waren die Inserate der Stadt Wien noch unter 15 Millionen Euro im Jahr, 2015 sind sie auf einen Rekordwert von über 30 Millionen Euro geklettert. Die Partei hat sich mit dem System arrangiert", so Eckelsberger. Die SPÖ sei es, die an den Inseraten der Stadt Wien nicht rütteln wolle, erzählen die Grünen. Im Bund entscheidet nun jedes Ministerium selbst, wieviel es inseriert. Man wird sehen, wie sich die Grünen verhalten. Eckelsberger: "Dass Druck ausgeübt wird von Verlegern, das ist ein Faktum. Und dass auch im Gegenzug signalisiert wird, dass sonst kritische statt wohlwollende Berichte kommen."
Digitalförderung statt Qualitätskriterien
Kein klares Wort findet sich im Regierungsprogramm über die Presseförderung, obwohl in der Vergangenheit immer wieder von einer möglichen Erhöhung und einer Verknüpfung mit Qualitätskriterien die Rede war. Die Verleger habe eine Erhöhung auf 50 Millionen Euro immer wieder gefordert. Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen, nimmt die vagen Passagen im Koalitionspapier überraschend gelassen: "Bei der Vielzahl an Projekten, die die Bundesregierung vorhat, sehe ich nicht, dass da viel Geld in der Kassa bleibt. Das heißt aber nicht, dass wir die Forderung aufgegeben haben." Wurde im Regierungsprogramm auf die Zeitungen vergessen? Nein, sagt Grünberger: "Was drinnen steht, ist die Digitalförderung, und das ist auch mehr auf der Höhe der Zeit."
Digitalförderung bedeutet: Einnahmen aus der Digitalsteuer kommen den Verlegern zugute, 15 Millionen Euro sind dafür vorgesehen, auch das hat die Vorgängerregierung auf den Weg gebracht. Wenn die Regierungsinserate also wie gehabt weiter fließen, gibt es für die Zeitungen insgesamt doch mehr Geld. Es ist gut ein eingespieltes System, das den Mächtigen nützt. Grüne Revolutionen sind eher unwahrscheinlich.