Neos-Wahlplakat auf einer Laterne

APA/HELMUT FOHRINGER

NEOS-Medienpolitik

Pinke Lehren aus Trollfabriken und Ibiza

Die kleine Oppositionspartei NEOS hat ihre Position gegenüber dem ORF adaptiert. Bisher galt ein Konzept, das den ORF zur Produktionsfirma ohne eigene Sender-Infrastruktur degradiert hätte. Doch das ist Schnee von gestern. Die neue Mediensprecherin Henrike Brandstötter bekennt sich im #doublecheck-Gespräch angesichts der Erfahrungen mit Schwarz-Blau in Österreich und mit der Orbanisierung im Nachbarland Ungarn ganz klar zu einem ORF, "der einordnet und den Menschen einen Rahmen gibt" - und deshalb "größtmöglich geschützt werden muss vor den Griffeln einer Politik, die nichts Gutes will".

"Gerade in einem kleinen Land wie Österreich mit einem großen gleichsprachigen Nachbarn kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine wesentliche Rolle für die Meinungsbildung in einem demokratischen System zu. Daher braucht es einen starken und unabhängigen ORF, der sich darauf konzentriert, Inhalte mit gesellschaftlichem Mehrwert zu produzieren und bereitzustellen." Der Befund der NEOS in ihrem Programm ist immer noch aktuell, doch die neue Mediensprecherin Brandstötter zieht eine andere Schlussfolgerung daraus.

Starker ORF in bestehender Dimension

"Die letzten Jahre mit Cambridge Analytica und russischen Trollfabriken haben gezeigt, dass es wichtig ist, einen unabhängigen starken ORF zu haben, der Dinge einordnet und dem Ganzen einen Rahmen gibt", sagt Brandstötter – und sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie mit dem starken ORF den ORF in der bestehenden Dimension meint. "Ich halte es für unrealistisch, den ORF zuzusperren und quasi auf dem grünen Tisch neu zu gründen – so weit bin ich schon Österreicherin." Es sei zwar durchaus diskussionswürdig, "dass wir neunmal Landeshauptmann-TV haben", aber die Landesstudios seien realpolitisch tabu.

"Neunmal Landeshauptmann-TV fragwürdig"

Brandstötter würde sie deshalb aufwerten und mit neuen Aufgaben betrauen. Die ORF-Landesstudios könnten zum Beispiel die Schulen bei der Vermittlung von Medienkompetenz an die Schülerinnen und Schüler unterstützen, sagt die NEOS-Abgeordnete. Die Landeshauptleute sind auch jene Kräfte, die eine Reform der ORF-Gremien aussichtslos erscheinen lassen. Sie sind mit neun von 35 Stiftungsräten in diesem ORF-Aufsichtsgremium vertreten und wollen die nicht hergeben. Eine Verkleinerung des Stiftungsrats kann man damit vergessen, die ÖVP probiert es gar nicht, die Grünen haben sich gefügt.

Henrike Brandstötter

NEOS ÖSTERREICH

Henrike Brandstötter

Kritik an der Absage einer Gremienreform

"Eine Partei, die in einem wichtigen Gremium die Mehrheit hat, wird die nicht hergeben", sagt die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, dazu pragmatisch-resignierend. "Das ist natürlich schon eine große Enttäuschung, dass die Grünen so schnell die Flinte ins Korn werfen. Das hätte ich mir persönlich nicht gedacht", sagt NEOS-Mediensprecherin Brandstötter. Die Grünen haben immerhin durchgesetzt, dass von den neun von der Regierung zu entsendenden Stiftungsräten wie bisher fünf von der ÖVP nominiert werden sollen und neu: zwei von den Grünen, zwei weitere sollen unabhängig sein. Das heißt, ÖVP und Grüne müssen sich auf zwei Experten oder Expertinnen einigen. Beispielgebend ist da etwa Leonhard Dobusch. Der Betriebswirtschafter und Jurist von der Uni Innsbruck ist Mitglied des ZDF-Fernsehrats und bereitet sich gerade auf eine zweite Funktionsperiode vor.

Grüner Deal für unabhängige Stiftungsräte

Namen für mögliche Unabhängige im ORF-Stiftungsrat kursieren noch nicht. Als grüne Stiftungsrätin wird zum Beispiel die Managerin Marie Ringler gehandelt, sie war in Wien Gemeinderätin und auch schon einmal kurz im Stiftungsrat. Oder Martin Radjabi, der Werbeprofi war früher bei Ö3 und hat gemeinsam mit Lothar Lockl den erfolgreichen Bundespräsidentschaftswahlkampf für Alexander Van der Bellen gemacht. Lockl, so war der Plan, hätte neuer Vorsitzender des Stiftungsrats werden sollen. Er hat abgelehnt. Noch steht dem ORF-Gremium FPÖ-Mann Norbert Steger vor. Wenn ihn die eigene Fraktion nicht abberuft, dann bleibt er Vorsitzender. Steger ist bis zum Ende der Funktionsperiode im Mai 2022 gewählt und de facto nicht abwählbar. Beobachter gehen aber davon aus, dass die FPÖ Steger nicht im Stiftungsrat belassen wird.

Die FPÖ hält sich noch bedeckt. Im Februar müssen die personellen Entscheidungen fallen, damit der Stiftungsrat in der nächsten Sitzung am 19. März in neuer Aufstellung zusammentreten kann. Neue Gesichter vor allem an der Spitze haben Signalwirkung, das ist nach der Zeit des schwarz-blauen Frontalangriffs auf den ORF allen bewusst.

NEOS-Bedingungen für Haushaltsabgabe

Für NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter sind eine Gremienreform und die klarere Formulierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Grundbedingungen für eine ernsthafte Diskussion über eine zukunftsfähige unabhängige Finanzierung des ORF. Die GIS-Gebühr wollen NEOS weiter abschaffen, dafür könnte laut Brandstötter aber eine Haushaltsabgabe kommen, die dann auch die sogenannte Streaming-Lücke schließen würde – das sind jene Mindereinnahmen des ORF, die entstanden sind, weil nach einem Höchstgerichtsurteil die ORF-Angebote im Internet gebührenfrei abgerufen werden können.

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