Ilija Trojanow

THOMAS DORN

Literatur

Ilija Trojanow: Die Krise als Chance

Die Corona-Krise als Chance sieht Ilija Trojanow, einer der vielseitigsten und engagiertesten Autoren deutscher Sprache. Nach seinem Bestseller "Der Weltensammler" hat er unter anderem Bücher über den Islam geschrieben und über den Kampf der Kulturen, über Datenschutz und den Klimawandel und nicht zuletzt ein groß angelegtes Gesellschaftspanorama Bulgariens. Trojanow ist ein leidenschaftlich Reisender, ein Kosmopolit, seit vielen Jahren lebt er in Wien.

Die gegenwärtige Krise, meint Trojanow, sollte als Weckruf gehört werden, damit wir tatsächlich jene Transformationen anpacken, die nötig sind - sei es aus ökologischen oder sozialen Gründen. Beginnen wir mit dem Sozialen: Die Zeit des Corona-bedingten Stillhaltens, das sei eine Möglichkeit, seine Weltsicht zu vertiefen, schlägt Ilija Trojanow vor.

Zeit der Reflexion

"Viele monieren, dass sie durch die soziale Distanz vereinsamen, ohne darüber zu reflektieren, dass wir schon seit Jahrzehnten eine zunehmende Atomisierung der Gesellschaft erleben, dass ein größeres soziales Engagement, etwa beim Roten Kreuz oder auch eine Mitgliedschaft bei Parteien, das geht zunehmend zurück - also: Isolierung, das hatten wir schon."

Corona - ein Vorspiel

Kulturjournal | 29 04 2020 - Ilija Trojanow im Gespräch über Krisen als Beschleunigungsräume für Utopien, Repression und relative Werte

Kristina Pfoser

Ein großes Umdenken, so Trojanow, sei unumgänglich, angesichts der Klimakatastrophe, angesichts der Ausbeutung von Natur und Menschen, wachsender Ungleichheit und sozialer Krisen, die damit unweigerlich auf uns zukommen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werde uns das, was wir jetzt erleben, nur ein Vorspiel sein.

Hilfe? Hilfe!

18 Millionen Menschen, die jährlich an Unterernährung sterben, die Erbarmungslosigkeit des neoliberalen Arbeitsmarkts, politische Apathie - darüber hat Ilija Trojanow in seinem Essay "Der überflüssige Mensch" geschrieben und vor zwei Jahren hat er für sein Buch "Hilfe? Hilfe! Wege aus der globalen Krise" Aktivistinnen und Aktivisten in Sierra Leone, Pakistan oder Guatemala besucht.

In den vergangenen Tagen hat Trojanow etliche von ihnen wieder kontaktiert. "Die Textilarbeiterinnen in Karatschi, Slumbewohner in Nairobi oder Flüchtlinge in Mexiko, sie alle leben nahe dem Untergang", sagt er, "ihre Situation ist jetzt noch einmal verschärft. Unsere Aufgabe ist, die Globalisierung als moralische Aufgabe zu begreifen und uns als Teil eines Organismus gegenseitiger Abhängigkeiten."

Eine globale Gesundheitsversorgung

Dazu die konkrete Frage: Wie kann eine Sozial- und Gesundheitsversorgung aussehen, die global gedacht und umgesetzt wird? "Wir können es uns schlicht und einfach nicht leisten, dass drei Fünftel der Weltbevölkerung ohne ernstzunehmende medizinische Versorgung dahinsiechen", so Trojanow. Nicht zuletzt zeige Pandemie klar und deutlich, dass wir alle in einem Boot sitzen.

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