Strache geht durch eine Türe mit Mundschutz

APA/HELMUT FOHRINGER

Heinz-Christian Strache

Große Bühne für den Anti-Helden

Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Korruptionsvideos von Ibiza ist Heinz-Christian Strache zurück. Als zentrale Figur im angelaufenen Untersuchungsausschuss und als Wahlkämpfer. Er will in die Politik zurück, und er bekommt dafür in vielen Medien eine Bühne. Machen Journalisten sich zum Helfer eines Gescheiterten, der in der Politik nichts mehr verloren hat? Wie sollen die Medien mit Strache jetzt umgehen? Das Comeback des Anti-Helden bedeutet auch ein journalistisches Dilemma.

Auftritt bei Corinna Milborn auf puls24. Auftritt in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum". Strache war zum Ibiza-Jahrestag von den Medien gut gebucht. Beinahe wäre er auch auf Ö1 "Im Journal zu Gast" gewesen, er hat aber in letzter Minute abgesagt. Da waren manche in der Redaktion froh darüber, aber die Radio-Information wird - wie alle anderen Redaktionen auch - wieder vor der Entscheidung stehen: Laden wir ihn ein oder lieber nicht? Es ist eine Gratwanderung.

Eine staatsanwaltliche Befragung

Thomas Mohr von puls24 hat Strache schon Ende Februar interviewt, mehr als 20 Minuten lang im Fernsehen, minutiös vorbereitet. Strache war knapp davor aufzustehen, angesichts der "staatsanwaltlichen" Befragung durch den Interviewer, wie er befand. Doch Mohr blieb gelassen und fragte weiter, was ihm vom medienkritischen "Falter" die Auszeichnung "Hero der Woche" eingetragen hat. Auf Twitter stellte er die entscheidenden Fragen und lieferte gleich die Antworten dazu: "Fördert puls24 Strache mit diesem Interview? Möglich. Schadet puls24 Strache? Möglich." Man weiß es nicht, aber man muss das Bewusstsein wahren.

Ein liebedienerisches "Krone"-Cover

"Falter"-Herausgeber Armin Thurnher hat sich in einem Kommentar empört gezeigt, als zum Jahrestag der Ibiza-Affäre alle Bedenken zu fallen schienen. Die "Kronen Zeitung", die Strache in der Finca auf der Balearen-Insel an eine vermeintliche reiche Russin verschachern wollte, hat dem Ex-Vizekanzler und seiner Frau ein freundliches Interview geschenkt. Geführt von einer Ex-Pressesprecherin der FPÖ. "Es war einfach nur peinlich" - war das Zitat auf der Titelseite der "Krone bunt", die am Sonntag 2,5 Millionen Leser hat. Heinz-Christian und Philippa Strache lächelten händchenhaltend vom Cover.

"So einer hat in der Politik nichts verloren"

Was Thurnher, der mit der "Kronen Zeitung" Kummer gewohnt ist, zusätzlich ereiferte, war Straches Auftritt im ORF-Talk. Das waren noch einmal 760.000 Menschen, denen sich Strache – trotz professioneller und energischer Moderation von Claudia Reiterer – als Opfer präsentieren konnte. Armin Thurnher meint ja: "Jemand, der so etwas gemacht hat und sich dabei erwischen lässt, hat in der Politik nichts mehr verloren." Zumindest aber müssten ihn die Medien nach seiner Relevanz beurteilen – und die sei überschaubar.

Heinz Christian Strache und Claudia Reiterer

ORF

Nicht ausgrenzen, aber Relevanz beachten

Der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell stößt ins selbe Horn. Strache liege in den Umfragen bei drei bis fünf Prozent, das rechtfertige sicher keine formatfüllenden Auftritte – weder in der "Krone", noch im ORF. Hausjell: "Das heißt nicht Ausgrenzung, das wäre auch nicht professionell und auch nicht durchzuhalten. Es geht um eine ganz gezielte Rückbesinnung auf die journalistischen Relevanz-Kriterien." Und das gerade deshalb, weil die Versuchung in diesem Fall so groß sei. "Der Strache zieht ja nach wie vor, weil diese Person in der Zuspitzung für das Publikum nach wie vor attraktiv ist", sagt Hausjell.

Die seltsame Rolle des Boulevard-Riesen

Der Chefredakteur der "Kronen Zeitung", Klaus Herrmann, war nach Ibiza wie ausgewechselt. Aus der Zurückgezogenheit des Boulevard-Riesen ist eine neue Offenheit geworden, in einem aufsehenerregenden #doublecheck-Interview hat Herrmann eine ganz neue "Krone" erkennen lassen, und er hat in keiner Diskussionsrunde gefehlt. Das peinliche Strache-Cover wollte Herrmann nicht im Interview verteidigen, er gab nur eine schriftliche Stellungnahme ab, in der er auf die immer noch Strache-kritische Grundhaltung seiner Zeitung hinwies. In der besagten Ausgabe zum Ibiza-Jahrestag gab es tatsächlich auch eine kritische Analyse von Peter Filzmaier und einen Rückblick auf die Tage im Mai 2019. Nur eben im Blatt-Inneren und nicht auf der Titelseite.

"Wollen ohne Schadenfreude berichten"

In der Stellungnahme für #doublecheck findet Herrmann kritische Worte für Strache, nennt ihn einen – Zitat – "Schwachkopf" und weist darauf hin, für diesen von ihm schon öfter verwendeten Ausdruck von Strache nie geklagt worden zu sein. Strache habe mit Hilfe der "Krone“ 34 Prozent bundesweit schaffen wollen, die FPÖ sei auf 17 Prozent abgestürzt, so Chefredakteur Klaus Herrmann. Zitat: "Und nun kämpft der Mann, wenn man den Meinungsforschern folgt, um ein einstelliges Ergebnis mit seiner Namensliste bei der Gemeindewahl in Wien. Während seine Ex-Partei immerhin noch auf ein zweistelliges Ergebnis hofft. Wir bemühen uns, darüber neutral und ohne Schadenfreude zu berichten."

Ibiza-Aufdecker erstaunt über den Fokus

Schadensbegrenzung ist angesagt, man darf gespannt sein, wie sich der neutrale Kurs in der Berichterstattung auswirken wird. Frederik Obermaier, Journalist der "Süddeutschen Zeitung" und einer der Ibiza-Aufdecker, sieht jedenfalls ein Jahr nach Auffliegen des Skandals eine Schieflage in der Berichterstattung: "Mich erstaunt, dass der Fokus ein bisschen von dem weggeht, was Strache und Johann Gudenus – der spätere FPÖ-Klubobmann im Nationalrat – auf Ibiza gesagt und in Aussicht gestellt haben." Genau darauf müsse sich der Fokus wieder richten, sagt Medienwissenschafter Fritz Hausjell.

"Besserungsversuche wären das Falscheste"

Und Hausjell meint damit nicht nur die Medien, sondern auch die Politik, die mit dem Untersuchungsausschuss auf dem besten Weg dazu ist. Strache wird weiter seine Auftritte haben und diese, weil ihm nichts zu peinlich ist, für die Reparatur seiner zerstörten Reputation zu nützen versuchen. Wie soll man also mit ihm umgehen? Auf keinen Fall mit der Besserungsattitüde, warnt Armin Thurnher vom "Falter" eindringlich: "Nach dem Motto: schämen Sie sich nicht? Das wäre ganz falsch. Berichten sollte man nach Maßgabe der Bedeutung der Person. Also man sollte versuchen, eine Ein-paar-Prozent-Partei in Wien entsprechend zu behandeln."

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