
APA/HANS PUNZ
Black Lives Matter
Auseinandersetzung mit Rassismus in Österreich
Erst am Dienstag wurde ein neuer Bericht der Österreichischen Liga für Menschenrechte bekannt, wonach der Schutz gegen Diskriminierung und Rassismus in Österreich "leider nicht so gut" wäre. Davon ist auch die hiesige Kreativszene betroffen. Nach den großen Demonstrationen gegen Rassismus in der vergangenen Woche steigt auch bei Kreativen und Kunstschaffenden die Hoffnung, dass etwas in Bewegung gekommen ist. Für das Kulturland Österreich geht es dabei auch um einen möglicherweise nicht angenehmen Blick in den Spiegel und eine kritische Selbstreflektion.
11. Juli 2020, 02:00
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Morgenjournal | 10 06 2020
"Schwarz zu sein ist Österreich bedeutet, Angst zu haben. Gesehen, aber nicht gehört zu werden" - so eine der Schlüsselbotschaften der #blacklivesmatter-Demonstrationen vergangene Woche. Mwita Mataro ist schwarzer Österreicher mit tansanischen Wurzeln, aufgewachsen in Salzburg und Sänger der Band At Pavillon. "Es beginnt damit, dass man als schwarze Person wahrnimmt, dass ein Teil der Gesellschaft einen nicht dahaben möchte."
Rassismus - Made in Austria
Als schwarzer Frontman ist Mataro in Österreich eine Ausnahme. Er und so manche seiner afrikanischen Freunde wunderten sich über die Berichterstattung hierzulande zu den Protesten nach dem Tod von George Floyd. "Wir hatten das Gefühl, dass es darum ging, über die US-Thematik zu berichten. Dabei hätten wir uns gewünscht, dass auch Österreich sich eingesteht, ein Rassismus-Problem zu haben." Eine EU-Studie kam zu dem Schluss, dass etwa 85 Prozent aller rassistischen Übergriffe gar nicht erst gemeldet werden. Ein Anhaltspunkt: in Österreich bearbeitete ZARA im Vorjahr 1.950 rassistische Vorfälle.
"Kids of the Diaspora" ist ein international beachtetes Projekt von Leni Charles und Cherrelle. Mit ihrer Mode wollen sie jeder und jedem erlauben, "der zu sein, der du bist", erklärt Cherrel Charles. Die Botschaft ist einfach und universell: "Es ist ok, wie du aussiehst, wie du dich fühlst. Du gehörst an diesen Platz und es gibt viele, die ebenso fühlen. Du bist also nicht alleine." Für 15.000 Follower auf Instagram ist "Kids of the Diaspora"-Diversity-Agentur, Kreativplattform und Modelabel in einem. Die hier textil verarbeiteten Botschaften finden weltweit Abnehmer.
Wer kann es sich leisten, Kunst zu machen?
Vor allem an einem Konzept reiben sich die Macherinnen - "deconstructing minority" nennen sie den gezielten Abbau des Konstrukts "Minderheit". "Wenn du schon von Kind auf als Minderheit behandelt wirst und für dich dann glaubst, dass du minder bist, dann löst das etwas Destruktives aus", sagt Cherrel Charles. "Wenn man aber aufmacht und kapiert, dass es da viel mehr gibt, dann öffnet das neuen Raum. Den braucht man, um mit sich selbst zufrieden zu sein."
Kunst und Kultur können Kräfte dieser Öffnung sein. Der Vision einer vielfältigeren Kulturbranche würden allerdings oft soziale und wirtschaftliche Realitäten entgegenstehen, meint Mwita Mataro. Für ihn wäre es für People of Colour besonders schwer, es sich sprichwörtlich leisten zu können, Kunst zu machen. "Das ist oft unattraktiv und man tendiert dazu, sichere Jobs anzustreben: Mediziner, Jurist, etc." Spezielle Unterstützung, um gezielt People of Colour in das Kulturleben einzubinden gibt es laut Staatssekretärin Andrea Mayer nicht. Sie erklärt auf Anfrage, dass Förderungen ausschließlich nach Qualitätskriterien und unabhängig von der Herkunft vergeben werden.
Austria so white
"Ich bin kein Kulturpolitiker", sagt Mwita Mataro, um dann doch eine kulturpolitische Aussage zu treffen. "Aber ich habe wahrgenommen, dass nach wie vor die erfolgreichen Musikerinnen und Musiker, auch das Theater, die Kulturbranche generell noch immer sehr weiß ist." Austria so white also. Es ist auch noch nicht lange her, dass an der Wiener Staatsoper der weiße Otello-Darsteller ganz selbstverständlich schwarze Farbe im Gesicht trug. Gelebte Diversität verlange nach einem neuen Bewusstsein, meint Leni Charles. Für sie komm es bei "Black Lives Matter" künftig auch darauf an, "dass wir verstehen, wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir auf die Straße gehen, dann müssen wir laut sein und wir müssen es gemeinsam machen, denn sonst hört uns keiner."