Kirill Serebrennikow

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Regisseur Serebrennikow verurteilt

Ein russisches Gericht hat den Starregisseur Kirill Serebrennikow in einem umstrittenen Verfahren zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der 50-Jährige wurde wegen Veruntreuung von Fördergeldern verurteilt, wie das Bezirksgericht der Agentur Interfax zufolge in Moskau entschied. Der auch im deutschsprachigen Raum bekannte Künstler muss somit nicht in Haft.

Das Verfahren gilt als Schauprozess gegen die liberale Kunstszene in Russland. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft beantragt. Zahlreiche russische Künstler veröffentlichten im Vorfeld der Urteilsverkündung Videos, in denen sie ein ungerechtes Justizsystem beklagten. Viele Schauspieler, Sänger und Kulturschaffende erschienen am Freitag vor dem Gerichtsgebäude in Moskau. Sie empfingen Serebrennikow mit Beifall. Viele trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Free Kirill!", insgesamt seien etwa 400 Menschen dort, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

"Ein Schlag gegen die liberale Kulturszene" Vertreter der russischen Szene

In einer Videoschaltung des Senders Echo Moskwy, der über die Urteilsverkündung live im Internet berichtete, sagte der wegen der schwierigen Lage für die Kultur in Russland ausgewanderte Kunstexperte Marat Gelman, dass sich Serebrennikow Feinde im Kreml gemacht habe. Serebrennikow habe sich aber niemals bereichert, betonte er. Der Theatermacher soll 129 Millionen Rubel (1,6 Millionen Euro) unterschlagen haben.

Schuldspruch wegen Veruntreuung

Der Starregisseur übt in seinen Filmen und Theateraufführungen immer wieder auch Gesellschaftskritik. Serebrennikow hatte in seinem Schlusswort am Montag seine Unschuld beteuert und hervorgehoben, dass in dem Verfahren keine Beweise vorgelegt worden seien. Zugleich räumte er ein, dass die Buchhaltung seines Theaters schrecklich organisiert gewesen sei. Er verstehe aber nichts von Buchhaltung und Finanzen, sagte er. Deshalb gebe es Experten dafür. Eine Buchhalterin hatte Serebrennikow belastet. Ihr Fall wird in einem getrennten Verfahren behandelt.

"Er hat sich im Kreml Feinde gemacht" Kunstexperte Gelman

Mit Serebrennikow standen auch seine Kollegen Sofja Apfelbaum und Alexej Malobrodski sowie Juri Itin vor Gericht. Die Ermittlungen gegen das Team liefen seit Sommer 2017. Im vergangenen Jahr kam Russlands bekanntester Filme- und Theatermacher nach mehr als eineinhalb Jahren im Hausarrest mit Einschränkungen auf freien Fuß.

Solidaritätsbekundungen

Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sowie internationale Stars hatten sich für den Filme- und Theatermacher eingesetzt. Serebrennikow leitet in Moskau das populäre Theater Gogol-Zentrum. Er inszenierte aber auch in Berlin, Stuttgart und Hamburg - oft in Abwesenheit, weil er im Hausarrest saß und auch nach seiner Freilassung nicht reisen durfte. Im April 2021 soll seine Inszenierung von Richard Wagners "Parsifal" in der Wiener Staatsoper zu sehen sein. Tausende Kulturschaffende in Russland haben einen Unterstützerbrief für Serebrennikow unterzeichnet.

Auch in Deutschland gab es im Internet Solidaritätsbekundungen unter dem Schlagwort #freekirill. Die Schaubühne Berlin betonte, dass es Anschuldigungen gebe, "die in dem seit 2017 laufenden Strafprozess in keiner Weise belegt werden konnten". Das Theater sei "fassungslos und empört", dass Serebrennikow mehrere Jahre in einem Gefängnis verbringen solle.

Die Schaubühne kündigte eine Protestaktion am Freitagvormittag vor der russischen Botschaft in Deutschland an. Dort solle dem Botschafter eine Petition mit mehr als 55.000 Unterschriften übergeben werden. Auch der deutsche Schauspielstar Lars Eidinger rief zur Demonstration vor der diplomatischen Vertretung auf.

Text: APA, Red.

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Gogol Center - Kirill Serebrennikow (russ., engl.)
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