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Der ORF als trauriger Corona-Held
Die Corona-Krise hinterlässt im ORF tiefe Spuren. Das öffentlich-rechtliche Medienunternehmen hatte im Zuge der Corona-Krise schwierige Gratwanderungen zu bewältigen, das positive Feedback hat bei weitem überwogen. Der Dank dafür ist jetzt ein Riesen-Sparpaket von 75 Millionen Euro, um die krisen-bedingten Mehrkosten bewältigen zu können und 2021 wieder ausgeglichen zu bilanzieren. Der Stiftungsrat befürwortet das, warnt aber vor Kaputtsparen.
3. August 2020, 02:00
ORF/JOSEPH SCHIMMER
Allein die Mindererlöse aus Werbung und Gebühren in der Corona-Zeit gehen gegen 50 Millionen Euro, der Rest sind zusätzliche Programmkosten sowie mehr Personal- und Sachaufwand unter anderem für die nicht unumstrittenen Isolationsmaßnahmen. Im Stiftungsrat, dem Aufsichtsgremium des ORF, hat die Kanzlerpartei ÖVP das Sagen - und die Geschäftsführung weiß, was da zu tun ist. Der Generaldirektor hat das Sparpaket von sich aus angekündigt.
Grüne versprechen "kein Kaputtsparen"
Der Koordinator der drei grünen Vertreter im ORF-Stiftungsrat, Lothar Lockl, befürwortet das mit einer wichtigen Einschränkung: "Kaputtsparen wird es nicht geben. Weil der ORF für mich unverzichtbar ist in Österreich, für die Demokratie eine herausragende Rolle hat, und da gehört natürlich auch eine entsprechende finanzielle und ressourcenmäßige Ausstattung dazu." Lockl spricht von roten Linien, an denen man jetzt anlange - Sparen zu Lasten des Programms, das meint er damit ganz konkret. SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer formuliert es ähnlich.
Dramatische Folgen für Kreativ-Branche?
Lederer befürchtet dramatische Folgen für die Kreativ-Branche, nämlich dass es dort "zu Entlassungen, zu starken Reduktionen bis hin zu Konkursen von sehr kreativen Unternehmungen kommen wird. Man muss sich jeden eingesparten Euro genau anschauen, was der auch auch in weitergehenden Bereichen für Auswirkungen hat." Die Sorge ist nicht unberechtigt. Ein Drittel des Sparvolumens soll ORF1 tragen, also jener Kanal, dem Senderchefin Lisa Totzauer seit einigen Jahren mit vermehrten Eigenproduktionen und weniger US-Serien einen neuen Stempel aufzudrücken versucht. Das wird unter den Spar-Bedingungen noch schwieriger.
Erfolgsserien wie die "Vorstadtweiber" kosten schließlich mehrere Millionen pro Staffel. Auch das lang vorbereitete, aber bisher nicht realisierte Politik-Magazin im ORF1-Hauptabend steht zur Disposition. ORF-Chef Alexander Wrabetz will, wie er sagt, "die Dinge, die funktionieren, stärken" statt "neue Experimente" zu wagen. Die wegen Corona durchgeschaltete "Zeit im Bild" um 19.30 Uhr wird zur - vor diesem Hintergrund nur logischen - Dauerlösung für ORF 1.
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"Nicht über das Radio drüberfahren"
Die von den Grünen entsandte Stiftungsrätin Sigrid Pilz sorgt sich um das Radio, wo die personellen Strukturen schon jetzt am Limit sind: "Dort ist es ja so, dass Sparen gleichbedeutend mit Sparen beim Personal ist. Insofern bin ich dafür, dass man die Sparpotenziale dort verortet, wo sie aufzufinden sind, und dass man nicht Strukturen kaputt macht, die wir dringend brauchen." Das würde bedeuten: Prioritäten setzen beim Sparen, statt wie bisher stets Rasenmäher-artig über die Redaktionen drüberzufahren. Auch Lothar Lockl ist der Meinung, es gebe "Bereiche, wo man investieren muss, und Bereiche, wo man sparen kann".
Programm schonen, Technik durchforsten
Prioritäten setzen und nicht beim Programm sparen – das war schon oft die Devise, ist dann aber nicht immer eingehalten worden. Die Redaktionen sind zum Teil ausgedünnt. Der Sprecher des ÖVP-Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat, Thomas Zach, bringt einmal mehr die Technik ins Spiel, wo er Sparpotenzial sieht und den technischen Direktor Michael Götzhaber zitiert. Der hat in einem Interview von "Arbeitsbildern der 1960-er Jahre" in seinem Bereich gesprochen. Zach erwartet sich, dass alle Service-Bereiche des ORF gründlich durchforstet werden. Einer finanziellen Aufbesserung durch den Bund, indem etwa die Gebührenbefreiung refundiert wird, die den ORF 60 Millionen Euro im Jahr kostet – dem steht Zach mehr als reserviert gegenüber.
Gebühren-Refundierung außer Reichweite
Gefordert wird die Gebühren-Refundierung von SPÖ-Mann Lederer, aber auch immer wieder von der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger. Lothar Lockl, der die Vertreter der kleinen Regierungspartei im Stiftungsrat koordiniert, zeigt nur versteckte Sympathien für die Refundierung: "Man kann es schon so interpretieren, dass ich für diese Forderung Verständnis habe, ich glaube aber, dass in den nächsten Wochen und Monaten eben auch Hausaufgaben zu erledigen sind." Damit meint Lockl vor allem die Digitalisierung mit dem Herzstück ORF-Player, für den der Stiftungsrat jetzt einen Projektleiter bestellt hat. Roland Weissmann - der aus dem Haus kommt und früher selbst Journalist war - soll Tempo machen, zuerst die Teile des Players umsetzen, für die es keine Gesetzesänderung braucht. Der Generaldirektor will die Umsetzung wörtlich "massiv beschleunigen".
Match mit Privaten um den ORF-Player läuft
Es wird ein hartes Match mit Verlegern und Privatsendern, das schon seine Schatten vorauswirft. Dass sämtliche Medien unter der COVID-Krise wirtschaftlich leiden und nicht nur der ORF, macht das komplizierte Nebeneinander auf dem engen Medienmarkt nicht leichter. Wie daraus ein Miteinander werden könnte, das der Medienbeauftragte des Kanzlers, Gerald Fleischmann, aber auch Grünen-Stiftungsrat Lothar Lockl gern hätten, steht in den Sternen. Fleischmann hat in aktuellen Zeitungs-Interviews diesbezüglich nur kryptisch anklingen lassen: Andere Medienunternehmen sollen "die Möglichkeit zur Partizipation in verschiedensten Bereichen" des ORF-Players bekommen, konkret nannte Fleischmann Senderechte, Werbung und Archiv.
Fleischmann verspricht: Novelle nach Sommer
Die Novelle zum ORF-Gesetz, die den Player in vollem Umfang ermöglicht, soll im zweiten Halbjahr vorgelegt werden. Sie soll unter anderem die Abschaffung der Sieben-Tage-Regel, die Ermöglichung des Prinzips "Online First" und die Öffnung des ORF-Archivs bringen. In diesem Punkt stellt sich etwa die Frage, ob die Öffnung für die gesamte Bevölkerung oder nur für andere Sender gelten soll und ob es kostenlos oder gegen eine Gebühr genutzt oder verwertet werden kann.