New York's Radio City Music Hall

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Radiogeschichten

Musikalische Aspekte in der Literatur

"Im Sommer 1979, in New York, saß ein 15-jähriger Junge in seinem Zimmer und lauschte einer Stimme, die aus dem Radio zu ihm sprach." Die Stimme gehört David Byrne, dem Frontmann der New-Wave-Band Talking Heads. Und der, der hier zum Erzählen ansetzt, ist der bekannte US-Autor Jonathan Lethem.

Seine Angst vor der Musik auf der Straße - seine "Fear of Music" - nahm die neurotisch-intellektuelle Band dem White Boy im damals schwarzen Brooklyn mit ihrem gleichnamigen Album. Rettung via Radio quasi. Wenn die Talking Heads ein Lautgedicht des Dadaisten Hugo Ball zur funkigen Nummer umbauen konnten, konnte Lethem auch dazu tanzen. Dafür bedankte sich der gefeierte Autor in seinen Vierzigern mit einem Buch zur Platte. Es ist ein höchst persönliches Schreiben über Musik.

 Jonathan Lethem

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Jonathan Lethem

Rettung via Radio

"Über Musik", so heißt auch ein fünftägiger Schwerpunkt in den "Radiogeschichten". "Über Musik kann man denken und schreiben, was man will", fiele einem dazu ein - und dieser Gedanke wäre wohl nach einer Blitzumfrage unter den Besucher/innen der Salzburger Festspiele, die dieser Tage im Großen Festspielhaus den Konzerten lauschen, schnell bestätigt. Also reichen wir auf diesem subjektiven Terrain den Staffelstab von einem Liebhaber zum nächsten, etwa von Jonathan Lethem zum österreichischen Autor Julian Schutting. Dieser schreibt in seinen "Metamorphosen auf Widerruf" von der Liebe zur Oper, von Stehplatzbesuchen oder dem Moment, in dem sich das Orchester in einem polyfonen Aufschrei einstimmt.

Weiter geht es in eine andere Musikrichtung, Zeit und Weltgegend, zu Julio Cortázar. Der argentinisch-französische Schriftsteller mit den stechend blauen Augen und dem wortwörtlich fantastischen Schreibstil war ein Kenner des Jazz. Diesem und dem verehrten Louis Armstrong setzt er in der Kurzgeschichte "Louis, ein ganz enormes Cronopium" ein Denkmal, wie es wohl nur Cortázar zustande bringt.

Über Musik kann man denken und schreiben, was man will

Lorenzo Da Ponte darf ebenfalls kurz den Stab halten. Und erzählt aus seinem eigenen Leben. Der italienische Dichter hinterließ der Nachwelt nicht nur die Libretti zu Mozart-Opern wie "Don Giovanni" und "Le nozze di Figaro", sondern im selbstsicheren Bewusstsein seiner Rolle im Kulturtreiben des 18. und 19. Jahrhunderts auch einen dicken Stapel Memoiren. Darunter Erinnerungen an die Jahre am Hof Kaiser Josephs II. - Intrigen, Bürokratie und Zensur inklusive.

In einem radikal anderen Umfeld, wenn auch gar nicht viel später, spielt die Geschichte eines musikalischen Genies, das den Stab bald wegwirft. Die Rede ist vom Musiker Elias Alder in Robert Schneiders Roman "Schlafes Bruder", "der zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er beschlossen hatte, nicht mehr zu schlafen". Genialisches Orgelspiel kann ein Ausnahmetalent im hintersten Vorarlberger Bergdorf schwer glücklich machen - aber zu einem Tod führen, der von Musik inspiriert ist.

Text: Antonia Löffler