Bundeskanzler Sebastian Kurz im Rahmen einer Sitzung des Ibiza-U-Ausschuss .

APA/ROLAND SCHLAGER

Ibiza-Untersuchungsausschuss

Von Aufdeckern und Wurstsemmeln

Ist der Ibiza-Untersuchungsausschuss eine "Transparenz-Maschine", wie der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer sagt? Das ist der Mann, der Auskunftspersonen durch angebliches Wurstsemmel-Essen während der Befragung aus der Fassung bringt. Oder ist es ein sinnloses Hickhack zwischen Kanzlerpartei und Opposition? Nicht nur die Fraktionen sind sich hier uneinig, auch die Medien bewerten das unterschiedlich.

Der "Kurier" zum Beispiel hat eine Umfrage veröffentlicht, wonach 76 Prozent glauben, es werde nach diesem U-Ausschuss in der Politik wieder so weitergehen wie vorher. Der Titel lautete: "U-Ausschuss ist für Mehrheit sinnlos!" Der Kabarettist Florian Scheuba hat dazu geschrieben: Das sei so, wie wenn 76 Prozent glauben, dass Tempolimits auch künftig missachtet werden, und der Titel dann so lauten würde: "Geschwindigkeitskontrollen sind für Mehrheit sinnlos!"

"So etwas hat man noch nie gehört"

Florian Klenk teilt die Ansicht des kritischen Kabarettisten. Der "Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung", wie der Ibiza-U-Auschuss offiziell heißt, sei gerade für Medien von unschätzbarem Wert. Da kämen spannende Dokumente auf den Tisch, da würden Leute aussagen, die sonst nie reden. Der "Falter"-Chefredakteur nennt den Staatsanwalt Gregor Adamovic von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beispiel. Adamovic habe Schikanen der Oberbehörde durch exzessive Berichtspflichten geschildert. "So etwas hat man Österreich noch nie gehört", sagt Klenk. "Man könnte Fortsetzungsgeschichten schreiben, mit Cliffhangern. Tagelang. Weil das so spannend ist."

Die Strategie des Schlechtmachens

Die ÖVP sieht das ein wenig anders. Der Ausschuss sei dabei, sich selbst zu beschädigen. Weder im Akt, noch bei den Befragungen sei die sprichwörtliche "Rauchende Pistole" gefunden worden, sagt die Nummer zwei der ÖVP im Ausschuss, Klaus Fürlinger. Seit es in den Befragungen zur Casinos-Postenaffäre immer öfter um die ÖVP geht, wirkt die Kanzlerpartei angespannt. Die Strategie, die daraus folgt: den Ausschuss diskreditieren, wo es geht. Der Finanzminister sagt 86 Mal, er könne sich leider nicht erinnern, der Kanzler belehrt den Ausschuss darüber, was bei ihm privat ist und was nicht.

Die absurde Gerstl-Intervention

Der ÖVP-Fraktionsführer im Ibiza-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, hat sich bei einer Pressekonferenz seines ÖVP-Innenministers unter die Journalisten gemischt und versucht, kritische Fragen abzuwürgen. Das hat es in der Form auch noch nie gegeben und ist von den Medienleuten entsprechend beantwortet worden. Barbara Piontek vom Nachrichtensender Puls24 in einem Aufsager ganz trocken: "Das geht gar nicht." Solche Aktion lenken andererseits die Aufmerksamkeit vom Kern der Sache weg. Insofern war Gerstls Intervention auch erfolgreich.

Abwarten und größeres Bild zeichnen

Fabian Schmid vom "Standard" mahnt dazu, sich nicht von diesen Oberflächlichkeiten leiten zu lassen. "Man muss ein viel größeres Bild zeichnen und jetzt auch einmal abwarten, bis alle Auskunftspersonen und Themenbereiche durch sind." Dann könne man seriös sagen, ob der Ausschuss viel gebracht hat. Oberflächlichkeiten, darunter fällt auch die Erregung des entmachteten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek über eine Wurstsemmel (die laut Florian Klenk ein Käseweckerl war, nicht einmal hier hätten alle genau hingeschaut). Oder der "Oasch"-Sager von NEOS-Abgeordneter Stephanie Krisper.

Kopfschütteln bei Ibiza-Aufdeckern

Leila Al-Serori aus dem Ibiza-Aufdeckerteam der "Süddeutschen Zeitung" beobachtet das alles auch immer wieder direkt im Parlament in Wien, sie sagt: "In Deutschland herrscht schon ein bisschen Kopfschütteln über das, was aus dem Ausschuss medial transportiert wird. Dass da so ein Theater um Kleinigkeiten gemacht wird." Ein Effekt, der zu einem guten Teil den in Österreich übermächtigen Boulevard-Zeitungen geschuldet ist. Die stürzen sich auf banale Aufreger, die Qualitätszeitungen ziehen mit. Das bindet Kräfte, die ohnehin knapp sind.

Investigative Medien-Kooperationen

Kein Medium in Österreich kann auch nur annähernd für eine Geschichte gezählte 18 Leute aufbieten wie jüngst das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit der Titelstory über die Wirecard-Affäre. Fabian Schmid: "In Österreich hast du maximal zwei bis drei Leute, die du für ein Thema wie Ibiza abstellen kannst. Und das sind dann schon paradiesische Zustände." Deshalb sind viele Enthüllungsgeschichten in Österreich zuletzt auch als Kooperationen mehrerer Medien erschienen - oft von "profil", "Standard" und ZIB2 oder den Ö1-Journalen.

Wer den Akt hat, hat die Geschichten

Die brisanten Geschichten entstehen durch aufmerksames Studium des Akts, den nicht nur die Fraktionen im U-Ausschuss haben, sondern auch der Journalist Klenk und der Ex-Politiker Peter Pilz, der das Online-Magazin "ZackZack" gegründet und damit die Seiten gewechselt hat. "ZackZack" lockt mit gut zu lesenden Geschichten etwa über Heinz-Christian Strache und seinen Geld-Rucksack. Florian Klenk plädiert dafür, die Berichterstattung über den Ausschuss vom Hickhack und der täglichen Aufregung um irgendetwas wegzubringen. Man müsse Geschichten erzählen. Etwa über Straches Handy, das beschlagnahmt worden ist und den Ermittlern, die darin stöbern "wie Archäologen in einer Steinzeithöhle", Einblicke ins Innerste der Republik gebe.

Die Novomatic-Story zum Ohren-Spitzen

Klenk: "Es beginnt schon damit, dass man den Leuten sagt, was ist eigentlich die Novomatic. Kein Mensch weiß, was die Novomatic ist. Aber wenn wir sagen: das ist der Konzern eines sechs Milliarden schweren österreichischen Fleischhauer-Sohns, der früher im Prater Flipper-Automaten verkauft hat und jetzt mit der Republik spielt und durch geschicktes Lobbying und Sponsoring Gesetze bewirkt, die ihm nützen, der auf der ganzen Welt von Swasiland bis zum Prater Automaten verkauft und sich dauernd der strafgerichtlichen Verfolgung entziehen kann, weil er das so geschickt macht – dann spitzen die Leute die Ohren."

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