Dietrich Mateschitz

APA/BARBARA GINDL

Aus für Addendum

Der Mäzen gibt, der Mäzen nimmt

Völlig überraschend hat der Milliardär und Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz das seit knapp drei Jahren von ihm finanzierte Projekt "Addendum" eingestellt. Ende August ist Schluss, und selbst die 57 von Kündigung betroffenen Mitarbeiter wissen nicht mehr über die Hintergründe, als einer dürren Presseaussendung von Red Bull zu entnehmen ist. Der Versuch einer Annäherung.

In der am Dienstag verschickten Aussendung wird als Grund für die Einstellung der Rechercheplattform und die Auflösung der Stiftung (QVV – Quo Vadis Veritas) dahinter genannt, Zitat: "dass es trotz erheblichen Mitteleinsatzes und einer Reihe erfolgreicher und relevanter Rechercheprojekte insgesamt nicht gelungen ist, die Zielsetzungen der Stiftung in ausreichendem Maß zu erfüllen und Dietrich Mateschitz beabsichtigt, die von ihm unterstützten journalistischen Aktivitäten stärker auf lösungsorientierte Projekte jenseits der politischen Alltagsauseinandersetzungen zu konzentrieren".

Mateschitz hat neues Projekt laufen

Was das sein könnte, darüber wird in der Medienbranche seit Dienstag gerätselt. Gesichert ist, dass es ein konkretes Projekt gibt, dass in Wien schon ein Büro bezogen ist und dass erste Mitarbeiter angeworben worden sind. Auffallend sind Stellenangebote, die dieser Tage veröffentlicht worden sind. Der Inserent hält sich bedeckt, gesucht werden Redakteure und Redakteurinnen für Print, Online und Social Media für die Entwicklung und den Aufbau einer neuen, crossmedialen Medienmarke in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Da ist von einem neuen, faktenbasierten Stil in der Information und von einem internationalen Team die Rede, das auf ein großes Netzwerk von Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zurückgreifen könne. Das könnte zu Mateschitz passen, ist aber vorerst nur Spekulation.

Störte kritische Linie im Lockdown?

Red Bull spricht nicht, bleibt also seiner zurückhaltenden Kommunikation treu. Mateschitz gibt extrem selten Interviews, er hat auch nie dazu Stellung genommen, was er sich von "Addendum" erwartet und wie er mit der Entwicklung des Mediums zufrieden ist. Weshalb auch rasch spekuliert worden ist, der Mäzen könnte mit der Linie während und nach dem Lockdown nicht einverstanden gewesen sein. Denn Chefredakteur Michael Fleischhacker hat die Recherche-Plattform da kontrovers positioniert, der regierungskritische Public-Health-Experte Martin Sprenger hat auf "Addendum" eine Dauer-Bühne bekommen. Fleischhacker selbst hat in #doublecheck abschätzig über die Regierungsspitze als die "Corona-Könige" gesprochen.

Sehr viele Millionen verbraten

Am Geld kann es nicht gelegen sein, denn erstens hat Mateschitz genug und zweitens war immer klar, dass diese Rechercheplattform niemals kostendeckend betrieben werden und schon gar nie ein Geschäft sein kann. Die Redakteure waren sehr gut bezahlt, die Produktionsstätten und die Ausrüstung waren vom Feinsten und also teuer. In den drei Jahren seien sehr viele Millionen verbraten worden, sagen Insider. Man hat sich zwar um Einnahmen bemüht, aber intern war immer klar: mehr als 20 oder 30 Prozent Kostendeckung wären nicht zu schaffen.

Rivalitäten mit dem Servus-TV-Chef

Von mehreren Seiten hört man, dass interne Intrigen zum überraschenden Aus für "Addendum" geführt haben könnten. Zwischen Fleischhacker als Chef der Plattform und Ferdinand Wegscheider, dem Senderchef von Servus TV - dem anderen großen Medien- und Zuschuss-Projekt von Mateschitz – hat es ewige Rivalitäten gegeben. Die Position von Servus TV und damit von Wegscheider ist sukzessive gestärkt worden, Reportagen und Talks, die zuvor Fleischhackers Leute für den Sender produziert haben, werden jetzt von Wegscheiders Team gemacht. Leute von "Addendum" sind auch dorthin gewechselt.

Der Milliardär war nie zimperlich

Offen ist, was mit den "Addendum"-Mitarbeitern passiert – ob sie am Ende dieses Corona-Sommers auf der Straße stehen oder ob es Angebote geben wird, beim neuen oder bei anderen Projekten mitzumachen. Dass er nicht zimperlich ist, was das Freisetzen von Mitarbeitern betrifft, hat Dietrich Mateschitz schon einmal bewiesen, als er 2016 den Betrieb von Servus TV einstellen wollte. Grund dafür waren offensichtlich Versuche, einen Betriebsrat zu gründen. Als sich die Mitarbeiter von diesen Bestrebungen distanzierten, ließ Mateschitz Milde walten und zog die Einstellung des Senders am Tag nach der Ankündigung zurück.

Was bleibt: eine unvollendete Bibliothek

Was von "Addendum" bleiben wird, wenn Mateschitz die Inhalte nicht auch noch abdreht: eine frei zugängliche Bibliothek zu einer Fülle von Themen, die meisten multimedial und hochprofessionell aufbereitet. Aber unvollendet - in dem Sinn, dass sie eben nicht mehr aktualisiert werden wird. Einer der letzten Artikel, die auf "Addendum" erschienen sind, ist eine ausgesprochen lesenswerte Analyse der Verbindungen zwischen Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern auf dem Messenger-Dienst "Telegram". Dass daraus im Netz gleich die große Mateschitz-Verschwörung gegen "Addendum" konstruiert wurde, liegt auf der Hand.

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