Amartya Sen

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Friedenspreis

Amartya Sen zur Lage der Welt

Am Sonntag wird in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an den indischen Wirtschaftsphilosophen Amartya Sen verliehen. Die Laudatio auf den Wirtschaftsnobelpreisträger von 1998 wird der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier halten. Sen wird nicht nach Frankfurt kommen, gestern Abend hat er aber in einer Videopressekonferenz zu seiner Auszeichnung und zur gegenwärtigen Lage der Welt Stellung genommen.

Den Anfang beim gestrigen virtuellen Pressegespräch machte Karin Schmidt-Friderichs, die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der den Friedenspreis seit 1950 vergibt. Sie hob Amartya Sens Bücher wie etwa "Die Idee der Gerechtigkeit" und "Die Identitätsfalle" hervor, "in denen die östliche Weisheit unser tendenziell eurozentrisches Weltbild so ein bisschen aufbricht, und wir verstehen, die Welt in ihrer Ganzheit zu denken und zu lernen."

"'Making Amerika big' kann nicht die Lösung sein, stattdessen muss die Welt lebenswerter werden." Amartya Sen

Amartya Sen, geboren 1933 in Indien, lebt und arbeitet seit Jahren als Professor für Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Harvard University in Cambridge/Massachusetts. Fragen nach Trump und den Folgen seiner Wiederwahl beantwortete er zurückhaltend mit dem Hinweis auf ein Gesetz, das es fremden Staatsbürgern verbiete, wahlbeeinflussend tätig zu werden. Er fügte aber augenzwinkernd hinzu, dass populistische Wahlsprüche wohl nicht der derzeitigen Probleme Lösung wären.

Nachdenken in einem zu engen Rahmen ...

Der weltweite Rechtsruck führe außerdem dazu, dass das Nachdenken über Gerechtigkeit in einem zu engen Rahmen erfolge und damit zu den falschen Ergebnissen führe. Es gibt diese Tendenz, nicht mehr global zu denken, doch kann jedes Nachdenken über Gerechtigkeit nur auf globaler und nicht auf nationaler Ebene erfolgen.

Als indischer Staatsbürger hat er seiner Heimat zahlreiche Bücher und Artikel gewidmet. Mit wachsender Besorgnis beobachtet er die Politik des rechtskonservativen und seit 2014 amtierenden Premiers Narendra Modi: "Die derzeitige Regierung führt das Land als wäre es eine reine Hindu-Nation, dabei gibt es unzählige Ethnien und Religionen. Zentral ist doch, dass das unabhängige Indien als säkulare Demokratie gegründet wurde und um die müssen wir kämpfen, denn sonst laufen wir Gefahr, sie zu verlieren."

Derzeit verfasst Sen seine Memoiren

Derzeit arbeitet Amartya Sen an einem Memoirenband, der die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens umfasst, und damit die Zeit, in der sich seine philosophische Grundhaltung herausgebildet hat. "In meinen Memoiren geht es um die Entstehung meiner Ideen durch die Gespräche mit anderen, wie wir uns einig waren, oder gegensätzliche Standpunkte verfochten, es ist also sehr kantianisch."

Zur Verleihung des Friedenspreises am Sonntag wird Sen coronabedingt nicht anreisen, er wird aber per Videokonferenz teilnehmen, bedingt durch die Zeitverschiebung in den frühen Morgenstunden. "Ich schreibe alle meine Bücher nachts und gehe gewöhnlich um vier Uhr morgens schlafen und am Sonntag werde ich eben um vier Uhr morgens aufstehen."

Preisgelder an Stiftungen

Stattfinden wird die Verleihung traditionell in der Frankfurter Paulskirche - unter Ausnahmebedingungen, so die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Karin Schmidt-Friderichs. Bundespräsident Steinmeier werde kommen, die Stühle werden aber fast alle leer sein.

Das Preisgeld von 25.000 Euro will Amartya Sen, genauso wie er das bereits mit dem Preisgeld für den Wirtschaftsnobelpreis 1998 getan hat, in seine drei Stiftungen in Indien, London und Bangladesch fließen lassen.

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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