Eine Frau hält ein Kabelbündel aus Glasfaserkabeln vor einer sogenannten Speedpipe (Leerrohr) für ein Glasfasernetzwerk.

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Mit Glasfaser durch die Pandemie

„Fiberpower“, „Giganetz“ und natürlich „Gigaspeed“ – es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Wörtern und Formulierungen, die etwas vage die Glasfaser-Zukunft propagieren wollen. Die Kernbotschaft scheint „alles geht schneller“.

Laut jüngster RTR-Studie sind allerdings 88 Prozent aller Haushalte sehr zufrieden, beziehungsweise zufrieden mit ihrer Internet-Anbindung. Und Österreich ist, was Glasfaser-Anschlüsse direkt ins Haus, beziehungsweise in die Wohnung betrifft, europäisches Schlusslicht.

Die Schlussfolgerung, der Internet-Schuh würde also nicht sehr drücken, drängt sich eventuell auf, wurde aber spätestens durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie widerlegt.

Mobilfunk-Sendemast

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Österreich das Mobilfunkland

„Österreich wird in anderen Europäischen Ländern oft als ‚Mobilfunkland‘ bezeichnet. Die Versorgung ist gut und lange Zeit wurde der Ausbau der Kupfernetze vorangetrieben. Deshalb war bis dato die Notwendigkeit auf Glasfasernetze zu wechseln nicht so groß, wie vielleicht in anderen Ländern, die diese Technologie übersprungen haben. Allerdings sind die Kupfernetze de facto am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, unter anderem weil der Bandbreitenbedarf sich mittlerweile alle zwei Jahre verdoppelt. Sprich, man muss reagieren, um für die nächsten Dinge gewappnet zu sein“, erklärt Reinhard Baumgartner, Geschäftsführer der Niederösterreichischen Glasfaserinfrastruktur GmbH, NÖGIG.

Im Jahr 2014 wurde sie vom Land Niederösterreich gegründet, um vor allem kleineren Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnerinnen und Einwohnern, an Glasfaser anzuschließen. Im Jahr 2015, begann der Ausbau in vier Pilotregionen: Waldviertler Stadtland, Zukunftsraum Thayaland, Ybbstal-Eisenstraße und Triestingtal. Mittlerweile sind dort 35.000 Haushalte mit Glasfaser versorgt.

Ein wichtiger Aspekt hierbei: Egal welches Unternehmen künftig seine Dienste über die Glasfaserleitungen anbietet, die passive Infrastruktur bleibt, ähnlich wie Kanalisation und Wasserleitungen, langfristig in der Hand des Landes Niederösterreich, betont Reinhard Baumgartner: „Es gibt nicht ‚den‘ Glasfaseranbieter am Netz, sondern die Netze die in Niederösterreich entstehen sind offene Netze, das heißt, sie sind zu gleichen fairen Bedingungen jedermann, jedem Unternehmen dort zugänglich. Sprich, es entsteht in weiterer Folge eine Vielfalt an Dienstanbieterinnen und Dienstanbietern im Netz und diese Vielfalt erzeugt natürlich Wahlmöglichkeit für den Endkundinnen und Endkunden.“

Glasfaser-Pioniere in Gmünd

5338 Menschen leben in Gmünd, im nordwestlichen Waldviertel. Der Tourismus wirbt mit Kultur und Idylle: Ein Naturpark, die waldviertler Schmalspurbahnen, ein Erlebnisbad, sowie natürlich Wanderwege sollen für einen abwechslungsreichen Familienurlaub sorgen. Fast ein wenig abgelegen, gleich neben der Europastraße, in der Zweiländerstraße, befindet sich das Unternehmenszentrale von NBG.

Ein Unternehmen, das Gmünd in der Welt der Fiberoptik bekannt gemacht hat. Hier wird eines der reinsten Gläser der Welt produziert. Eine Reinheit, die aufwändig erzeugt werden muss, aber das Um und Auf für Glasfaser darstellt, erklärt Karl Bauer, Eigentümer und CEO von NBG: „Viel dreht sich um die Dämpfung des Lichts. Wenn man sein Fenster aufmacht, wird man merken, dass es draußen ein wenig heller ist. Macht man das Fenster zu, ist es ein wenig dunkler. 5 Millimeter herkömmliches Fensterglas entsprechen in seiner Dämpfung 4000 Meter unseres optischen Glases. Das ist die Reinheit, die wir hier erzeugen.“

Ein Prozent des Weltmarkts, das sind um die 5,2 Millionen Faserkilometer werden hier im Waldviertel produziert. Über 40 Kabelfabriken auf der ganzen Welt zählen mittlerweile zu den Kunden für die Stahlröhrchen, die mit Glasfaser befüllt sind.

Ein Statement gegen das Auslagern von Produktionsstätten

Allerdings konnte die Industrie, die mittlerweile vor allem in den asiatischen Raum ausgelagert war, bei den rasanten Wachstummschüben nicht immer mit der Lieferung des Rohmaterials, Glas, mithalten. Es kam immer wieder zu Engpässen. Waren es im Jahr 2000 noch 100 Millionen Faserkilometer die weltweit verbraucht wurden, hat sich der Bedarf mittlerweile auf 500 Millionen Faserkilometer verfünffacht, was Bauer dazu veranlasste, das Rohmaterial selbst zu produzieren.

Ein Eigener Reinraum, 100 Meter lang, 24 Meter Hoch und 20 Meter breit wurde im Jahr 2019 errichtet. 190 Millionen Liter Luft werden hier einmal in der Stunde gefiltert. Kostenpunkt: 50 Millionen Euro. Eine Riesensumme für das Unternehmen, das -unter Anführungszeichen -„nur“ einen Umsatz von 20 Millionen Euro generiert.

Für Bauer garantiert dieser Reinraum aber nicht nur Versorgungssicherheit, sondern soll auch ein Statement gegen das Auslagern von essenziellen Produktionsstätten aus Europa darstellen. „25 Jahre wurde outgesourced und wir waren der Erste, der das wieder zurückgeholt hat. Es gibt in Europa noch sehr viel Kabelindustrie, aber die Unternehmen haben, wie viele andere, das Problem, die Rohmaterialien aus Asien beziehen zu müssen, da es keine Alternativen gibt. Da gerät man schnell in eine gewisse Abhängigkeit. Und ein Wirtschaftskrieg, der ohne Waffen ausgetragen wird, kann im Endeffekt dazu führen, dass Fabriken, die nicht, wie etwa in China durch den Staat gestützt werden, verkauft werden müssen. Wo China wieder schnell zur Stelle wäre, um die Industrie zu übernehmen. Diese Strategie des Ausverkaufs wollen wir mit unseren Investitionen durchbrechen.“

Glasfaserkabel

APA/DPA/SINA SCHULDT

5G - der größte Schub für den Fiberoptik-Netzausbau.

Die Zukunft des 5G-Ausbaus für das „Mobilfunkland Österreich“, kann Glasfaser übrigens nicht ersetzen. Im Gegenteil - erst Glasfaser ermöglicht, dass die propagierten Zukünfte, vom Internet der Dinge über selbstfahrende Autos bis hin zur „Industrie 4.0“ überhaupt umgesetzt werden können.

An Nachfrage für Gmündner Glasfaser wird es also auch in den nächsten Jahren nicht mangeln. „ Alles was von einem Handy irgendwo hin gestrahlt wird, muss von Glasfaser aufgesammelt und in das große Netz geschickt werden. Nur wenn es eine entsprechende Verdichtung (Anm. des Netzes) gibt, macht es auch Sinn, dass man die Mobilität nutzt. Und dann braucht man schon alle 20 Meter einen Glasfaser-Anschluss für diese Antennen. Also 5G ist für uns der größte Schub für den Fiberoptik-Netzausbau. Wenn 5G kommt, klatschen wir in die Hände, weil das nochmal mehr 20, 30 Prozent die Faserkapazität steigern wird“, so Bauer.

Nicht die günstigste Wirtschaftszone für ein Autohaus

Vor mittlerweile 45 Jahren hat Herbert Hörmann in der Ortschaft Heidenreichstein ein Autohaus gekauft, das er seitdem mit seiner Frau und seinem Sohn betreibt. Wie er selbst sagt, nicht in der günstigsten Wirtschaftszone. Um diesen Wettbewerbsnachteil auszugleichen und den Großteil des Stroms selbst zu produzieren, baute er im Jahr 2011 eine Photovoltaik-Anlage, Vor vier Jahren ließ er sich einen Glasfaser-Zugang legen, um die Fahrzeuge der Kundinnen und Kunden entsprechend warten zu können.

„Wir brauchen zum Programmieren der Steuergeräte im Kraftfahrzeug enorme Datenmengen und das in kürzester Zeit. Das große Problem war: Die Leitung der Post hätte 16 Mbit betragen sollen, wir haben aber maximal 4 Mbit runter gebracht. Also manche Programmierung konnte bis zu einen Tag dauern. Mittlerweile können wir dieselbe Arbeit mit den 100 Mbit, die wir mittlerweile zur Verfügung haben in einer halben bis dreiviertel Stunde zuwege bringen. Der Kunde kann warten, ganz egal ob ein Abgleich des Navis oder der Motorsteuerung oder irgendeine andere Rückrufsoftware aufgespielt werden muss“, so Hörmann.

Damit der Glasfaserausbau in seiner Gemeinde umgesetzt wurde, musste Hörmann allerdings einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Denn damit ein Ort in Niederösterreich einen Glasfaserzugang erhält, müssen sich mindestens 40 Prozent der Haushalte für einen Glasfaseranschluss entscheiden. „ich bin glaub ich vier Wochen jeden Tag nach der Arbeit zu den einzelnen Häusern quasi predigen gegangen. Ich hab die Leute aufgeklärt und ihnen gesagt, wie wichtig Glasfaser für die Zukunft ist. Manchmal haben ältere Leute gesagt, dass sie gar kein Internet haben oder brauchen und dem Enkelsohn das Haus vermachen wollen. Ich habe ihnen erklärt, dass gerade der Enkelsohn eine gute Internetverbindung will und braucht“, erinnert sich Hörmann

Eine Bestätigung, dass sein seinerzeitiges Engagement richtig war, stellte für Herbert Hörmann die Corona-Krise dar. Die herkömmlichen Datenleitungen hätten für Homeoffice oder Homeschooling nicht gereicht. Und, auch wenn er fünf Wochen lang quasi kein Auto verkaufen konnte, zumindest Fernwartungen waren möglich. „Wir werden wahrscheinlich mit 20 Prozent Rückgang durchkommen und in Österreich ist der Durchgang momentan ein Drittel. Wir sind also noch mit einem blauen Auge aus dieser Corona Lockdown 1 - Situation rausgekommen. Wie sich die Zukunft entwickelt wissen wir alle nicht. Es wird allerdings sicher ein bisschen schwieriger werden als im Frühjahr.“

Innovativ durch die Pandemie

Rund 30 Kilometer von Heidenreichstein entfernt, in Groß-Siegharts, macht sich Volker Fuchs ebenfalls Gedanken, wie sein Familienunternehmen, Test-Fuchs, gut durch die Krise kommt. In der Testfuchsstraße befindet sich die Unternehmenszentrale des Zulieferers für die Luft- und Raumfahrt, das insgesamt rund 600 Menschen beschäftigt.

Vor Ausbruch der Pandemie saß Volker Fuchs selbst mindestens einmal pro Woche in einem Flugzeug, um Geschäftspartner auf der ganzen Welt zu treffen. Allem voran die Mobilität, sowie natürlich technische Weiterentwicklungen wie etwa Internet ermöglichen, dass das Unternehmen sein Headquarter nach wie vor im Waldviertel hat. „Und da natürlich die Luftfahrtindustrie, weil man relativ schnell auf jedem Fleck der Erde sein kann und so ist das Know-how, das Wissen, das man an einem Ort hat, relevant um etwas umzusetzen, aber nicht so sehr wo das ist. Und mit der Digitalisierung hat das nochmal einen verstärkenden Effekt bekommen wo der Ort an dem man sich befindet für seine Tätigkeit manchmal sehr relativ ist. Wir haben bei uns im Betrieb einen Glasfaser-Anschluss seit den 2000er-Jahren und somit war für uns als Unternehmen die Datenzugänglichkeit aufgrund unserer doch eher Abgelegenheit nie ein großes Thema, aber auch ganz wichtig.“

Die Pandemie stellte für das Unternehmen allerdings mehr als nur einen Einschnitt dar. Die zivile Luftfahrtindustrie ist quasi zum Erliegen gekommen. Aufträge, die kurz vor dem Abschluss standen, wurden gestoppt, Umsetzungen auf unbekannte Zeit verschoben, - sollten sie überhaupt noch umgesetzt werden. Daran ändert auch die Tatsache, dass die Umstellung auf Homeoffice problemlos funktioniert hat, nichts.

Die Entdeckung einer neuen Branche

Neben der Überlegung, das Unternehmen zurück zu den Wurzeln zu bringen und sich wieder stärker auf die militärische Luftfahrt zu konzentrieren, spielt Volker Fuchs auch mit dem Gedanken, die Flucht nach vorne anzutreten und sich neu zu erfinden: „ Ich hatte zum Beispiel ein sehr interessantes Gespräch, bei dem es um die Rückgewinnung von Plastikabfällen zurück in den Produktionsprozess geht. Sodass man den Plastikmüll wieder insofern recycelt, dass man daraus wieder Öl generieren kann. Ein Thema, das auch vom ökologischen Aspekt sehr interessant scheint. Wir haben durch Glück Kontakt zu einer Firma gefunden, die von der Grundidee, schon relativ weit ist, aber jetzt im Aufbau der Infrastruktur und der automatisierten Anlagen einen Partner sucht und ich glaube, dass wir da einiges mitbringen könnten. Aber das ist in einem sehr frühen Stadium. Ich denke jedoch, das könnte ein sehr interessanter Bereich sein. Sehr weit weg von der Luftfahrt, wo uns aber trotzdem das, was wir in den Jahren davor gelernt haben, hilfreich sein kann, dass wir eine neue Branche entdecken“, so Fuchs.

Der Vorteil: regionale Fachleute

Das Unternehmen abzusiedeln käme für Fuchs nicht in Frage. Denn, Glasfaser hin oder her, Groß-Siegharts, beziehungsweise das Waldviertel hat einen Standortvorteil, den der Unternehmer nicht missen möchte: Eine Fülle an Talenten, sodass er aus dem Vollen schöpfen kann. „Ich bin der Überzeugung, dass das Humankapital, das wir in dieser Region vorfinden ein durchschnittlich besseres ist, für die Tätigkeiten, die wir ausüben, als im städtischen. Wir tun uns deutlich leichter im Facharbeiterbereich, auch weil wir seit jeher schon Lehrlinge ausbilden am Standort. Wir haben seit Anbeginn des Unternehmens immer um die 40 bis 50 Lehrlinge zur Ausbildung im Haus. Und da tun wir uns relativ leicht, die aus der Region zu bekommen. Bei Akademikern tun wir uns schwerer, weil die natürlich in Ballungsräumen ihr Studium absolvieren. Deshalb haben wir seit ungefähr drei Jahren ein Büro in Wien, wo wir die universitären Absolventen erreichen wollen."

Auch Karl Bauer, Besitzer und CEO des Unternehmens NBG, das ein Prozent des weltweiten Glasfaserbedarfs produziert, schwört auf seine Unternehmenszentrale in Gmünd. „Gmünd ist ein alter Industriestandort, was man eigentlich nicht so mitbekommt, bei uns gibt es im Bezirk in einem Umkreis von 8,9, 10 Kilometern ungefähr 4000 hochwertige Industriearbeitsplätze. Dort ist Robotik ein Thema, Automatisierung ist ein Thema, Digitalisierung ist ein Thema. Sprich rund 4000 Leute beschäftigen sich mit Innovation und die ist immer international ausgerichtet. Weil, im Waldviertel brauch ich nicht mein Geschäft machen, da müsste ich andere Produkte herstellen. Und wir haben immer extrem gute Leute gefunden. Mittlerweile kriegen wir auch viele Rückkehrer aus Ballungsräumen, weil auch COVID den Trend verstärkt hat: Zurück in die sicherere Heimat. Und wir haben hier die Möglichkeit auf Top Personal zuzugreifen, wir haben eine tolle Kultur aufbauen können und das ist wichtig, weil nur durch ein gutes Miteinander Dynamik entsteht.“

Gestaltung: Sarah Kriesche

Service

RTR-Studie
FFTH Council Europe - Fibre Market Panorama 2020
Niederösterreichischen Glasfaserinfrastruktur GmbH, NÖGIG
NBG
Auto Hörmann
Test-Fuchs