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Inseratenstopp nach Terror

Werbe-Riesen gegen den Boulevard

Mit der Veröffentlichung von Erschießungsvideos vom Anschlag in der Wiener Innenstadt haben die Online-Plattformen von Wolfgang Fellner und der "Kronen Zeitung" nicht nur für große Empörung gesorgt. Werbestarke Konzerne wie SPAR und REWE haben ihre Inserate storniert. Eine beispiellose Aktion- und eine Sprache, die Boulevard-Macher verstehen. Aber wie lange wird diese Sorge um die Marke anhalten?

"Brand Safety", also Markensicherheit - das ist zur Zeit das Zauberwort in der österreichischen Werbebranche. Große Konzerne wie REWE und SPAR mit Werbe-Etats jenseits der 100 Millionen Euro haben ihre Einschaltungen bei "oe24" und bei der Online-Krone storniert. SPAR hat auch ein Print-Inserat bei diesen Medien gecancelt. Wie es weitergeht, wird erst beraten - heißt es auch bei der ÖBB, die gleich ihre komplette Digitalwerbung terror-bedingt gestoppt hat.

Das Wut-Posting des Agenturchefs

Michael Kapfer, Chef der Werbeagentur GGK MullenLowe, plädiert für Härte gegenüber dem Haus Fellner und "oe24". In einem Facebook-Posting ruft Kapfer zu einem Inseratenboykott gegenüber - Zitat- "diesen Sudelmedien" bis über Weihnachten hinaus auf. Die Rechtfertigung von Chefredakteur Niki Fellner, "oe24" habe das Erschießungsvideo vom israelischen Fernsehen übernommen, lässt der Agenturchef nicht gelten: "Auf Al Jazeera sieht man auch Enthauptungen von Menschen, das ist aber nichts, was ich in Österreich in einem noch dazu staatlich geförderten Medium sehen möchte. Und Wolfgang Fellner ist ein guter Geschäftsmann, er wird dann reagieren, wenn er es im Geldbörsel spürt und wenn das weh tut."

Der zerknirschte Boulevard-Thronfolger

Niki Fellner gab sich im Gespräch mit #doublecheck zunächst zerknirscht. Er entschuldige sich, wenn hier eine offenbar vorhandene Sensibilität verletzt worden sei. "Es tut mir leid, dass wir dieses Video gezeigt haben. Wir werden das in dieser Form nicht mehr so machen." Garantie dafür gibt es keine, wenn man hört, wie Fellner sein Publikum einschätzt: "Wahrscheinlich die Mehrheit sagt, dass das Video die Kaltblütigkeit des Attentäters zeigt." Sprich: sie wollen solche Sachen sehen. Die Opfer und deren Angehörige fallen Fellner erst auf Nachfrage ein, die seien natürlich mit dem Bedauern mitgemeint.

Niki Fellner

Niki Fellner

APA/HANS PUNZ

Das Erschießungs-Video ist auch auf krone.at gelaufen, Chefredakteur Klaus Herrmann hat auf eine Interview-Anfrage nicht reagiert. Gegenüber der Austria Presse Agentur hat er schriftlich erklärt, dass man entschieden habe, "Tatvideos nach bestmöglicher technischer Entschärfung zu veröffentlichen, um die Bedrohungslage zu unterstreichen" - in der Früh habe man die Videos vom Netz genommen. Auch Wolfgang Fellner hat mit dem Unkenntlich-Machen der Opfer argumentiert, und dass man sehen müsse, wie der Attentäter agiert, um den Terroranschlag zu verstehen.

Alexander Warzilek vom Presserat, der an die 1500 Beschwerden gegen die beiden Medien behandeln muss - ein einsamer Rekord - rückt das zurecht: "Die Angehörigen wissen, dass ihre Lieben da zu Tode gekommen sind. Und es ist schlimm für sie zu sehen, wie das stattgefunden hat."

Attentäter-Meme aus dem Hause "Krone"

Die mächtige Kronenzeitung steht nicht ganz so stark in der Kritik wie "oe24", liefert aber auch immer wieder Anlässe. Zuletzt ein Meme, von einem Redakteur produziert, das den Attentäter mit Waffen zeigt, neben einem bewaffneten Polizisten in voller Montur. Darunter zynische Texte. Die "Krone" hat das Posting bald wieder von ihrem Facebook-Account gelöscht, aber das Internet vergisst halt nicht. In der Redaktion soll es rumoren, weil viele mit der Aktion nicht einverstanden sind.

Unterstützungswelle für Anti-Fellner-Petition

Gegen "oe24" läuft sogar eine Online-Petition mit dem Ziel, die staatliche Förderung - heuer allein aus dem Privatrundfunkfonds 3,6 Millionen Euro - für Fellner zu streichen. Nach vier Tagen geht die Unterstützer-Zahl in Richtung 75.000, das ist viel. GGK-Chef Kapfer glaubt dennoch nicht, dass das viel bewirkt. Dazu hänge die Politik zu sehr am Gängelband des Boulevard, meint er. Und wenn man die Politiker hört, wächst die Zuversicht nicht gerade stark an.

Super-Inserate-Spreader Wien schaut einmal

Die NEOS wollen im Parlament eine neue Medienfinanzierung anstoßen, die Grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger hofft auf ihre Regierungsfraktion und einen neuen Anlauf bei der Inseratenvergabe, das Bundeskanzleramt verspricht, die Medienförderung werde umfassend evaluiert. Auch die Stadt Wien – Super-Spreader, was öffentliche Inserate betrifft - schaut einmal. "Wir werden jetzt einmal prüfen, welche Anmerkungen es von Seiten des Presserates gibt, und dann wird das entsprechend bewertet und eine Entscheidung getroffen", so Bürgermeister Michael Ludwig.

Fellner wittert Hinterhalt der Konkurrenz

Bleibt der Inseratenstopp als Hebel, um vielleicht etwas zu ändern. Niki Fellner sieht hinter dieser Entwicklung Machenschaften der Konkurrenz: "Man muss sich schon fragen, ob das ehrlich ist oder nur von Mitbewerbern initiiert, um Werbegelder abzuziehen und auf ihre Kanäle umzuleiten." Namen wollte Fellner nicht nennen, aber offensichtlich ist das Gratisblatt "Heute" von Eva Dichand gemeint, das sich im Netz und auf ihrer Website potenziellen neuen Werbekunden als guter und sauberer Boulevard mit "Brand Safety" anbietet.

Die "Heute"-Zeitung und die "Brand Safety"

Es stimmt schon: "Heute" hat in der Terror-Nacht vorbildlich berichtet, sich für die Falschmeldung einer Geiselnahme korrekt entschuldigt - wie übrigens auch "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk, dem der gleiche Fehler passiert ist. Am Tag danach hat Herausgeberin Dichand auf Twitter die Titelblätter von "Heute" und "oe24" nebeneinander gezeigt - hier das Grauen, dort eine Rose für die Opfer. Hinter der Wahl der Terror-Bilder geht es also schon auch beinhart ums Geschäft - und theoretisch ans Eingemachte.

Erinnerung an Londoner Murdoch-Skandal

Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek erinnert an die Wochenzeitung "News of the World" von Rupert Murdoch in London. "Damals ist es auch zu einem Boykott aller Werbeunternehmen gekommen, weil die Zeitung Telefone von Verbrechensopfern angezapft hat. Als Folge wurde das Blatt sogar eingestellt."

Ein Indiz dafür, dass bei uns nicht ganz so heiß gegessen wird: eine Anfrage von #doublecheck bei der Lutz-Gruppe, wie die zum Inseratenstopp stehen. Die Gruppe war im Vorjahr zweitstärkster Werber nach REWE und vor SPAR mit mehr als 160 Millionen Euro Etat. Die Antwort steht noch aus. Aber ein ganzseitiges Print-Inserat auf Seite 1 von "oe24" am Mittwoch und eine aktuelle Sonderthemen-Seite von XXXLutz auf der Fellner-Website – das ist auch eine Antwort.

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