Krone

APA/HANS KLAUS TECHT

Stillstand in der Medienpolitik

Werbe-Krönung im Corona-Jahr

Im Corona-Jahr war medienpolitisch Schadensbegrenzung angesagt. Sonderförderungen für die Verlage, denen Werbeeinnahmen weggebrochen sind. Eine Rot-Kreuz-Kampagne, die von der Regierung getragen worden ist und viel Geld gekostet hat. Und am Ende eine 210-Millionen-Euro-Ausschreibung für vier Jahre Regierungswerbung auf teurem Krisen-Niveau. Der ORF spart indessen krisenbedingt zig Millionen ein, die überfällige Novelle zum ORF-Gesetz mit endlich mehr Spielraum für digitale Angebote lässt auf sich warten.

Die Regierung sagt, damit wir nicht mehr auf dem falschen Fuß erwischt werden wie im Frühjahr, vergeben wir einen Rahmenvertrag, damit wir im Fall des Falles jederzeit eine Werbekampagne starten können. Im März hat man auf das Rote Kreuz zurückgegriffen, das die "Schau auf dich, schau auf mich"-Kampagne bei der Hand hatte. So musste der Bund nicht ausschreiben, zahlt aber bis Jahresende 25 Millionen für Inserate – da ist der Werbewert der Gratisschaltungen im ORF gar nicht eingerechnet. Jetzt wird für vier Jahre ausgeschrieben, der Bund kann dann Kampagnen machen, wie er will – was auch vergaberechtlich eine schiefe Optik hat.

Doppelter Rahmen für Inserate

Denn mit dem Rahmen von 30 Millionen Euro für die Erstellung von Werbekampagnen bis zum Ende der Amtszeit der Regierung kann man nicht nur Krisenkampagnen wie für die COVID-Impfung, sondern auch schöne Imagekampagnen finanzieren. Und mit den 180 Millionen Euro für die Schaltung von Spots und Inseraten kann man ebenfalls klotzen - es wurde ja auch bisher nicht nur gekleckert. 45 Millionen Euro pro Jahr bis 2024, in den vergangenen Jahren haben Bundeskanzleramt und Ministerien nach den Analysen der Rechercheplattform Dossier im Schnitt zwischen 20 und 25 Millionen Euro im Jahr ausgegeben. Also schlicht eine Verdoppelung.

Krisen-Maßstab als neue Normalität

Heuer im Corona-Jahr wurden schon in den ersten beiden Quartalen 22 Millionen für Regierungswerbung ausgegeben. Und genau das ist der Punkt: die Regierung nimmt das Krisenjahr 2020 zum Maßstab und rechnet das auf vier Jahre hoch, so kommen die 180 Millionen bis 2024 zustande. Seit 2012 sind - noch einmal eine Zahl von Dossier - insgesamt 170 Millionen Euro für Regierungsinserate ausgegeben worden, in den nächsten vier Jahren gibt es also in Summe mehr Inseratengeld als in den vergangenen achteinhalb Jahren. Das hat die Opposition auf die Barrikaden gebracht.

"Sebastian Kurz kauft einfach"

NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter hat das bei einer Diskussion der Mediensprecher im Presseclub Concordia pointiert so kommentiert: "Sebastian Kurz kauft einfach. Er kauft mit diesem Geld. Man muss sich das genau anschauen: 210 Millionen dividiert durch vier dividiert durch 52 – das sind eine Million Euro pro Woche für Kreativleistungen und Inserate. Das ist unglaublich viel. Da muss man sich ja richtig Mühe geben, in einem so kleinen Markt dieses Geld auch auszugeben." Von der ÖVP ist niemand zur der Diskussion gekommen, also musste die Grüne Eva Blimlinger die massive Ausweitung der Regierungswerbung verteidigen, was sie auch tat.

Inserate für Blimlinger Förderung

Blimlinger hat die Inseratenausgaben als die "unter Anführungszeichen relevantere Förderung" für die Medien bezeichnet, was Brandstötter zurückwies: Die öffentliche Hand müsse sich beschränken, was Inserate betrifft. Und die Presseförderung dafür massiv erhöhen, zumindest verzehnfachen, mit klaren Qualitätskriterien, sagt die NEOS-Mediensprecherin. Solche Qualitätskriterien soll es laut Blimlinger für die neue Digitalförderung des Bundes geben, sie hat aber nicht verraten, welche. Man sei mit der ÖVP noch nicht handelseins. Und die ÖVP hat in der Medienpolitik einfach das Sagen.

Hans Peter Haselsteiner

Hans Peter Haselsteiner

APA/GEORG HOCHMUTH

Haselsteiner über Politik-Macht im ORF

So wie im ORF-Stiftungsrat, wo die Kanzlerpartei die Fäden fest in der Hand hat. #doublecheck hat mit dem Bauunternehmer und Milliardär Hans Peter Haselsteiner gesprochen, der sechs Jahre für die NEOS im ORF-Aufsichtsgremium war und jetzt Platz für eine Medienexpertin macht, die demnächst präsentiert werden wird. Parteipolitische Einflussnahme hat Haselsteiner in der Arbeit des Stiftungsrats nicht gespürt. "Was im Hintergrund abläuft zwischen Generaldirektion, dem Vorsitzenden des Stiftungsrats und den Ausschussvorsitzenden, ob es da Wünsche gibt, das entzieht sich der Kenntnis eines Stiftungsrats." Die ÖVP stellt mit Thomas Zach den Vorsitzenden des Finanzausschusses und mit Franz Medwenitsch den Vorsitzenden im Programmausschuss, das sind die zentralen Player. FPÖ-Mann Norbert Steger ist nach wie vor Stiftungsrats-Vorsitzender.

Hans Peter Haselsteiner im #doublecheck-Interview.

Einsamer Kritiker von Norbert Steger

Wäre es nach Hans Peter Haselsteiner gegangen, dann wäre Steger das Amt seit dem Frühjahr los. Doch sein entsprechender Antrag, die Geschäftsordnung zu ändern, um Steger abwählen zu können, fand keine Unterstützung. Bleibt Haselsteiner bei seiner Kritik an Steger? "Selbstverständlich, das ist ja ausreichend dokumentiert, der Herr Doktor Steger hat das Redakteursstatut in Frage gestellt, hat gesagt, es müssen Journalisten an die Kandare genommen werden, Auslandskorrespondenten müssen abgeschafft werden – da gibt es eine ganze Reihe von Aussagen, die jedenfalls geschäftsschädigend waren."

"ORF-Chef wird beim Kanzler ausgemacht"

Norbert Steger ließ auf Anfrage von #doublecheck wissen, er habe Haselsteiner bei der jüngsten Stiftungsratssitzung "freundlich verabschiedet". Er werde sich "nicht mehr mit ihm und seinen unqualifizierten Wortspenden beschäftigen", so der Stiftungsrats-Vorsitzende. Haselsteiner geht kurz vor Beginn des Jahres, in dem die ORF-Spitze neu gewählt wird. Hätte ihn das nicht gereizt, da noch dabei zu sein? Nein, sagt Haselsteiner: "Das interessiert mich nicht. Das wird beim Herrn Bundeskanzler ausgemacht werden und damit ist die Sache gegessen. Da ist ja bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen überhaupt kein Zweifel."

Wie schätzt Haselsteiner die Chancen von ORF-Chef Alexander Wrabetz auf neuerliche Wiederwahl ein? "Die sind intakt, aber man wird es, glaub ich, bis einen Tag vor der Wahl nicht wissen."

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