KIEPENHEUER & WITSCH
"Bad Regina"
David Schalko in der Geisterstadt
Im Frühjahr soll David Schalkos neue TV-Serie "Ich und die anderen" anlaufen. Bevor es soweit ist, erscheint jetzt Schalkos neuer Roman. Der heißt "Bad Regina" und der gleichnamige Schauplatz ist ein einst mondäner Kurort in den österreichischen Alpen, der zur Geisterstadt verkommt.
12. Februar 2021, 02:00
Kulturjournal | 12 01 2021
Interview mit David Schalko
Ein Wasserfall, der mitten durch den Ort stürzt, leerstehende Häuser im Zentrum und ein protziger Hotelpalast, der Europa im Titel trägt. David Schalko hat sich gar nicht bemüht, das sehr konkrete Vorbild für seinen Kurort zu tarnen. Ganz im Gegenteil spielt sein "Bad Regina" mit der Geschichte dieses Ortes.
Der verkaufte Ort
"Mein Bad Regina ist an Bad Gastein angelehnt", so David Schalko, "sowohl, was das Ortsbild, aber auch, was das Schicksal des Ortes betrifft, wo ja auch ein Mann alles aufgekauft hat, und absichtlich oder unabsichtlich, man weiß es nicht, verfallen hat lassen."
Im Roman ist es ein chinesischer Immobilienhai, der das Ortszentrum Haus für Haus aufkauft. Nur mehr 46 Einwohner zählt Bad Regina, unter ihnen ein alter Aristokrat, der Dorfwirt, oder der rechtsrechte Bürgermeister Heimo Zesch.
Die Zeschs waren von jeher eine Nazibrut gewesen. Das war bei denen wie Herpes. Jeder von ihnen hatte es im Blut, aber nicht bei jedem brach es aus.
Lucky Loser
Protagonist des Buches ist aber Othmar, früher der Betreiber des angesagtesten Partyklubs in den Alpen, heute ein übergewichtiger und lethargischer Alkoholiker. "Ich habe einen Hang zu Figuren, die etwas, Müdes, Passives und Verbrauchtes haben", so David Schalko, "weil mich deren fast schon resignativer Blick auf die Welt mehr interessiert als der Blick von jemandem, der wahnsinnig überambitioniert ist."
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Anti-Heimat-Roman oder Parabel auf Europa
Hört sich alles nach einem Anti-Heimatroman an, doch so eng das Tal auch ist, in dem Bad Regina liegt, so weit ist der Blickwinkel, der David Schalko beim Schreiben vorschwebte. Sein Kurort sollte eben nicht nur morbiden k. und k.- Charme versprühen, sondern über den österreichischen Tellerrand hinausschauen. "So ein mondäner Kurort steht für mich auch für ein Europa des 20. Jahrhunderts", so David Schalko, "und es spiegelt ein Lebensgefühl wider, das sich stark auf die Vergangenheit richtet."
In Rückblicken erzählt David Schalko die Geschichte der wichtigsten Dorfbewohner und ihrer Vorfahren. Wie in seinem Vorgängerroman "Schwere Knochen" kehrt er dabei bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück. David Schalko: "Bad Regina war ein Nazi-Nest und aus dieser Geschichte leitet sich viel von dem ab, was dort heute passiert."
Braunschlag II
In seiner TV-Serie "M - eine Stadt sucht einen Mörder" war genauso wie im Roman "Schwere Knochen" die Großstadt Schauplatz der Handlung. In Bad Regina setzt Schalko hingegen nicht auf die Anonymität der Metropole, sondern auf die beklemmende Enge des Dorfes. "Mir ist erst im Verlauf des Schreibens aufgefallen", so David Schalko, "dass es sich bei Bad Regina unbewusst um eine Fortsetzung von Braunschlag handelt. Weil der Roman eigentlich dort anfängt, wo Braunschlag aufhört, nämlich in einer leeren Kleinstadt und die Figuren sind sich auch gar nicht unähnlich."
Wie in "Braunschlag" wird auch der illustre Figurenkosmos von "Bad Regina" in so einiges verstrickt. Vom Intrigenspiel reicht das über einen plötzlichen Todesfall bis zum überraschenden Finale. Aber was kann einem Ort schon passieren, wenn der Kampf gegen den Ausverkauf von einem charmanten dauerblauen und bauernschlauen Antihelden angeführt wird.
Gestaltung
- Wolfgang Popp