Goldwäscher

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Musik als Investitionsobjekt

Goldgräberstimmung im Musikbiz

Viele wollten es nicht so recht glauben, als diese Schlagzeile Ende 2020 um die Welt ging: Bob Dylan, eben noch gefeiert für sein furioses neues Album "Rough and Rowdy Ways", verkauft sämtliche Rechte an seinen Songs für fast 400 Millionen Dollar.

Dylan, früher Ikone der Gegenkultur, heute auch Symbol für Musik als Marktware und bloßes Investitionsobjekt? Neil Young tat es ihm kurz darauf gleich und auch jüngere Kolleginnen wie Shakira trennten sich von vielen ihrer Werke. Erst vergangene Woche schnappte sich ein milliardenschwerer Dow-Jones-Konzern den Katalog von Ryan Tedder, Sänger von One Direction und Songwriter für Stars wie Adele oder Stevie Wonder. Im Musikbusiness herrscht Goldgräberstimmung.

Eine Windelwerbung mit der Musik von Neil Young? Ein Lob auf die Saugfähigkeit zu "Heart of Gold" - bis vor kurzem war diese Kombination unvorstellbar, jetzt ist sie zumindest denkbar, sagt Amy Wang, beim "Rolling Stone Magazine" in New York für den Businessteil verantwortlich. "Wir kennen keine Details der Verträge, die Dylan oder Neil Young abgeschlossen haben. Es bleibt also abzuwarten, ob Neil Young tatsächlich einmal zum Soundtrack für Windelwerbungen wird."

"Hier sind 200 Millionen Dollar"

Youngs Songrechte wurden vom Hipgnosis Songs Fund erworben. Der wirbelt seit seiner Gründung vor drei Jahren den Markt gehörig durcheinander. Die Einsätze sind hoch, die Strategie von Hipgnosis offensiv und viele Angebote schlicht unwiderstehlich. "Diese neuen Unternehmen wie Hipgnosis treten an die Künstler heran und bieten ihnen Unsummen. Die Songs gehören Euch zwar nicht mehr, sagen sie, aber hier sind 200 Millionen Dollar - und das können viele gebrauchen", bringt Wang die Dynamik auf den Punkt. Das Interesse gilt hauptsächlich etablierten Acts - jüngere Künstler (und es sind meist Solo-Künstlerinnen oder Künstler) bekommen von diesem Kuchen nur wenig ab.

Mehr als eine Milliarde Dollar gab Chef Merck Mercuriadis allein im vergangenen Jahr aus. Auf seiner Shoppingliste so illustre Namen wie Barry Manilow, der Wu-Tan Clan, Shakira oder Blondie. Mercuriadis, kennt die Branche und weiß, was er tut. Sein Handwerk hat er als Manager von Guns 'n' Roses, Elton John oder den Pet Shop Boys gelernt.

Ausgerechnet Pop als solides Investment

Sein Unternehmen (mitbegründet von Chic-Mann Nile Rodgers) wie auch Konkurrenten wie Primary Wave investieren, um künftig über die Verwendung von Songs bestimmen zu können. Das Business ist eine Wette auf die anhaltende Popularität von Pop. Und darauf, dass sich neue lukrative Einnahmequellen erschließen lassen. In Zukunft kassieren dann sie Tantiemen, Einkünfte aus TV oder Streaming-Deals und sonstigen kommerziellen Verwertungsketten.

Für die Künstlerinnen und Künstler wiederum kommt die Einmalzahlung steuerlich günstiger, erklärt Amy Wang. Im Fall von Bob Dylan wurde der Deal in den letzten Tagen der Amtszeit von Ex-Präsident Trump getätigt, gerade rechtzeitig bevor der Spitzensteuersatz vom neuen Präsidenten wohl wieder angehoben wird.

Gucci, Guernsey und die Church of England

Dass sich gerade jetzt die Deals überschlagen liegt zum einen am anhaltenden Streaming-Boom. Dessen Zuwächse verdanken sich dem Musikappetit der Altersgruppe 45plus - und diese Menschen wollen auch in den kommenden Jahrzehnten ihre Musik hören. Zum anderen hat die Pandemie die Stabilität des Investments untermauert.

Während viele Branchen kämpfen, sind Songrechte ein Wachstumsmarkt. Und die künstlerische Integrität? "Viele dieser Künstlerinnen und Künstler sind einfach nicht mehr jung und sie müssen heute kein Image mehr transportieren", erklärt Amy Wang. "Außerdem hat sich die Welt verändert. Jeder will einen Deal mit Gucci. Geld machen zu wollen gehört zum guten Ton und wird nicht mehr stigmatisiert."

Selbst die Church of England steckt ihr Geld heute in Songrechte. Hipgnosis ist mittlerweile in das Premium-Segment der Londoner Börse aufgestiegen. Aktueller Wert: über eine Milliarde Euro. Steuerschonende Anschrift: die Kanalinsel Guernsey.

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