Goldwäscher

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Spiritualität in der Arbeit

"Leben, um zu arbeiten - oder arbeiten, um zu leben?" Reflektiert die heutige Theologie die Veränderung der Lebenswelt durch die Computerarbeit oder sollen sich die christlichen Kirchen in das neue Zusammenspiel von Arbeit und Freizeit einmischen?

Der Dichter Eduard Mörike war im Brotberuf protestantischer Pfarrer. Einer seiner Kollegen nannte ihn unverblümt ein „faul’s Luder“. Mörike selbst empfand den Vorwurf als gerechtfertigt, vielleicht sogar als Auszeichnung. Er bezeichnete seine Abneigung gegenüber geregelter Arbeit als „Kraft der Untüchtigkeit“.

In der Zeit der beginnenden Industrialisierung und der aufkommenden Arbeitsgesellschaft greift Mörike auf ein Wort der Antike zurück, die für Arbeit kein eigenes Wort hatte, sondern sie schlicht als „negotium“, als „Nicht-Freizeit“ bezeichnete.

"Ora et labora"

Im biblischen Schöpfungsbericht wird die Arbeit zwar als Folge des Sündenfalles und der Vertreibung aus dem Paradies gesehen: Im Schweiße seines Angesichts muss der Mensch sein Brot verdienen. Dieser Satz wurde oft verwendet, um die Arbeit abzuwerten. Doch Augustinus, der sich als einziger Autor der Antike mit Arbeit auseinandergesetzt hat, kritisierte in seiner Schrift "Die Handarbeit der Mönche" die arbeitsscheuen unter ihnen, die vor gaben, ihre Zeit nur mit Gebet, Psalmengesang und Bibellesung zu verbringen.

Augustinus hielt ihnen entgegen: Psalmen kann man auch während der Arbeit singen, und die Schriftlesung nützt nichts, wenn man das, was man liest, nicht ausführt. Die Maxime „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) der benediktinischen Klöster macht deutlich, dass das Arbeitsethos ganz entscheidend im Kontext des Mönchtums geprägt wurde.

Wer in seiner Arbeit erfolgreich ist, der ist von Gott gesegnet.

Eine generelle Neubewertung der Arbeit brachte die Reformation, die die Trennung von geistlichem und weltlichem Tun aufheben wollte. Martin Luther bezeichnete die Arbeit als innerweltlichen Gottesdienst. Im Calvinismus erfährt das eine Zuspitzung: Wer in seiner Arbeit erfolgreich ist, der ist von Gott gesegnet. Am Beginn des 20. Jahrhunderts hat der Soziologe Max Weber diese Arbeitsauffassung in seiner Studie "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" als Grundlage des kapitalistischen Wirtschaftssystems analysiert.

Arbeiten wir, um zu leben, oder leben wir, um zu arbeiten?

In den vergangenen 100 Jahren hat sich die Arbeit stark verändert: Postindustrielle Gesellschaften wurden zu Dienstleistungsgesellschaften, Arbeitsbiografien werden zunehmen subjektiver, während gleichzeitig Jobs zunehmen, die den Menschen zu einem modernen Arbeitssklaven degradieren. In naher Zukunft werden sich die Arbeitsformen wieder deutlich verändern, wie Stichworte wie Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz ahnen lassen.

Werden wir „Arbeitsgesellschaften“ bleiben, oder erfüllen sich Utopien, wie sie so unterschiedliche Theoretiker wie Karl Marx oder John Maynard Keynes entworfen haben: dass wir nur noch wenige Wochenstunden mit Arbeit verbringen? Aber was ist überhaupt Arbeit? Nur die bezahlte Lohnarbeit? Oder ist Arbeit jede sinnvolle und zielgerichtete menschliche Tätigkeit? Bereits heute wird der größere Teil der Arbeit nicht als Erwerbsarbeit verrichtet.

„Man arbeitet, um zu essen, man isst, um zu arbeiten."

Hinter aller Veränderung bleiben dieselben Fragen: Arbeiten wir, um zu leben, oder leben wir, um zu arbeiten? Bestimmt die Arbeit den Wert des Menschen, oder hat er diesen vor aller Arbeit und Leistung? Die französische Denkerin Simone Weil hat ein ganzes Jahr am Fließband in den Renault-Werken gearbeitet und aus dieser Erfahrung ihr Fabriktagebuch geschrieben. Ihr Resümee: „Man arbeitet, um zu essen, man isst, um zu arbeiten. Betrachtet man eines von beiden als einen Zweck oder eines vom anderen getrennt, dann ist man verloren. Der Kreislauf enthält die Wahrheit.“