Roland Weißmann

ORF/THOMAS RAMSTORFER

Digital-Offensive

Weißmann-ORF goes Social Media

Der künftige ORF-Chef Roland Weißmann will das Social-Media-Angebot massiv ausbauen, jungen Nachwuchs fördern - und er setzt alles auf den ORF-Player. Es gibt aber Zweifel, ob die Digital-Konzepte radikal genug sind.

"Die Hauptaufgabe ist, den ORF komplett digital zu transformieren, man kann sagen ein Mammutprojekt." So hat die NEOS-Stiftungsrätin Anita Zielina die große Herausforderung, vor der die neue ORF-Geschäftsführung stehen wird, in der Juli-Ausgabe von #doublecheck beschrieben. Der Erfolg von Weißmann, dem Zielina nicht ihre Stimme gegeben hat, wird sich auch daran messen lassen. Der nüchterne Befund des Medienberaters Markus Andorfer: "Bei der Digitalisierung ist man deutlich hinten nach im Vergleich zu anderen Medienhäusern." Ein Grund dafür ist die Gesetzeslage, die es dem ORF nicht erlaubt, Inhalte nur für das Internet zu produzieren und sie dort länger als sieben Tage zu lassen. Das müsse man weiter offensiv einfordern, sagt Andorfer.

Roland Weißmann

Roland Weißmann

APA/ROLAND SCHLAGER

Die Hoffnung liegt auf dem ORF-Player

Wenn diese Beschränkungen endlich fallen, dann soll mit dem ORF-Player der Anschluss gelingen. Auf der Online-Plattform, auf der künftig alle Fernseh-, Radio- und Online-Inhalte des ORF gebündelt werden sollen, liegt die ganze digitale Hoffnung des Hauses. Erste Teile, für die es keine Gesetzesänderungen braucht, sollen noch im September starten. Zuständig für den Player ist seit einem Jahr der künftige ORF-Chef Roland Weißmann selbst. Er versichert, dass alles auf Schiene sei. Der Medienberater Andorfer zweifelt aber, dass das Vorhaben weit genug gedacht wird. Auch wenn die gesetzlichen Schranken fallen, sei er nicht sicher, ob es in der "gebotenen radikalen Form" durchgesetzt werde. Man müsse den Player nicht nur mit dem "entsprechenden Budget" ausstatten, sondern ihn auch mit "exklusiven Inhalten" füllen. Nur die bereits vorhandenen Sendungen online abzubilden, damit "gewinne man keinen Pokal". Hier brauche es genaue Konzepte, so Andorfer.

Junge Leute mit Internet-DNA gesucht

Schlussendlich wird der Erfolg des Projektes vor allem von einem Faktor abhängen: der personellen Expertise. Dass es jungen Nachwuchs braucht, also Journalistinnen und Journalisten, die nicht mit dem Internet fremdeln, da sind sich ohnehin alle einig. Nur drei Prozent der ORF-Belegschaft derzeit sind unter 30, moniert auch der künftige Generaldirektor in seinem Bewerbungskonzept. Weißmann möchte das ändern, der ORF soll jünger und diverser werden. Beim Journalisten Christoph Schattleitner, Redakteur beim ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann, rennt Weißmann da offene Türen ein: "Natürlich gibt es qualifizierte und digital-affine Leute im ORF, aber ich glaube, es ist nicht in der DNA verankert. Wenn man im Internet aufgewachsen ist, dann denkt man anders und man konsumiert Medien anders."

Die Lebensrealität der Jungen abbilden

Das haben auch zahlreiche Studien in den vergangenen Jahren gezeigt. Unterhaltung und Information holen sich Jüngere zusehends auf Online- und Social-Media-Plattformen. Aber auch abgesehen vom Distributionsweg fühlt sich der 28-jährige Journalist vom jetzigen ORF-Programm nicht abgeholt: "Was mir fehlt, ist, dass diverse Lebensrealitäten von unter 39-jährigen dargestellt und wiedergegeben werden, so dass man sich angesprochen fühlt. Mein ganzer Entertainment-Konsum findet auf YouTube und Netflix statt." Den deutschen Öffentlich-Rechtlichen ARD und ZDF sei es etwa mit der Content-Plattform "funk" gelungen, auf die junge Generation zuzugehen, erzählt Schattleitner. "funk" produziert ausschließlich Online-Reportagen und Podcasts für 14-29-Jährige. "Da ist Raum zum Experimentieren da. Es wird von der Zielgruppe für die Zielgruppe erstellt."

ZIB-Erfolg auf Social Media reicht nicht

Weißmann hat jedenfalls in seinem Konzept angekündigt, das Social Media Angebot massiv ausbauen zu wollen. Fix und bereits vom Noch-Chef Alexander Wrabetz geplant ist, dass die "Zeit im Bild" bald auf der Kurzvideo-Plattform TikTok startet. Mit einem eigenen Team, das speziell für die Plattform produziert, will man bei der Jugend punkten. Dass die Nachrichtensendung auf Instagram und Co. bereits dank ihrer perfekt für die Sozialen Netzwerke aufbereiteten Postings äußerst erfolgreich ist, seien Lorbeeren, auf denen man sich aber besser nicht ausruhen sollte, glaubt Medien-Kenner Andorfer. Man müsse vielmehr einen eigenen Kosmos schaffen, mit vielen Berührungspunkten zum jungen Publikum. Auch Kinderfernsehen zähle dazu, auch hier habe der ORF Aufholbedarf.

Archive öffnen und Wikipedia werden

Wichtig sei dem jungen Publikum außerdem die Möglichkeit, mit den Medien, die sie konsumieren, auch zu interagieren, meint der Journalist Christoph Schattleitner. "Eigentlich müsste der ORF so etwas werden wie Wikipedia. Frei zugänglich, jeder kann beitragen." Der ORF könnte auch sein Archiv öffnen, schlägt er vor: "Das ist ein wahnsinniger Wissensschatz, das wahrscheinlich größte Museum Österreichs." Schließlich gehe es um die Legitimation, die sich der ORF als öffentlich-rechtlicher Sender bewahren müsse. Und das gelinge nur, wenn auch jüngere, digital-affine Zielgruppen erreicht werden.

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