Türkise Sitzgelegenheiten

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Entscheidung im ORF-Stiftungsrat

Farbenwechsel mit Greenwashing

Nach 15 Jahren geht die Ära Wrabetz im ORF zu Ende. Die ÖVP hat mit ihrer Mehrheit im Stiftungsrat Roland Weißmann an die Spitze des größten Medienunternehmens des Landes gehievt, am Ende haben die Grünen den Wechsel mitgetragen. Es war, auch wenn die Kanzlerpartei diesen Eindruck zu verwischen versucht, generalstabsmäßig geplant.

Sebastian Kurz war weit weg, als die Entscheidung am Küniglberg gefallen ist. Der Kanzler urlaubte in Kroatien. Doch die Botschaft, dass die Rechnung des ÖVP-Freundeskreises im Stiftungsrat so schön aufgegangen ist, wird ihm auch dort Freude bereitet haben. Parteipolitisches Kalkül bei der Besetzung des ORF-Chefpostens, das gab es schon immer. Die SPÖ hat da keine Skrupel gekannt. Und die machtbewusste Kurz-ÖVP hat ihre Mehrheit im Stiftungsrat jetzt auch eingesetzt, von langer Hand vorbereitet, Ibiza-Ausschuss hin, Chat-Protokolle her.

Sebastian Kurz

Sebastian Kurz

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Abstimmung entlang der "Freundeskreise"

Abgestimmt wurde genau entlang der sogenannten Freundeskreise - ein bekanntes Muster in einem Gremium, dessen Mitglieder von Politik und Parteien unbeeinflusst und frei nur an das Wohl des Unternehmens denken sollten. ÖVP und Grüne für Roland Weißmann, SPÖ für Alexander Wrabetz, Freiheitliche für Lisa Totzauer. Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger von der FPÖ hat sich auf die Seite des Siegers geschlagen. Er sagte danach: "Die Verlierer haben auch zu akzeptieren, dass es da Koalitionen gegeben hat. Wenn die Entscheidung demokratisch gefallen ist, dann ist sie demokratisch entstanden."

Der Sitzungssaal vor Beginn einer Sitzung des ORF-Stiftungsrates zur Wahl des/der künftige/n ORF-Generaldirektor/in

Der Sitzungssaal vor Beginn der Sitzung des ORF-Stiftungsrates.

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Coup nach ÖVP-Niederösterreich-Manier

Wie Entscheidungen halt demokratisch entstehen. ÖVP-Freundeskreisleiter Thomas Zach hat das politische Geschäft bei Ex-Innenminister Ernst Strasser aus der ÖVP Niederösterreich gelernt, und der hat auch nichts dem Zufall überlassen. Seit vielen Wochen wurden die ÖVP-Vertreter im Stiftungsrat auf Weißmann eingeschworen. Als im Juli die ebenfalls gut mit der ÖVP vernetzte ORF1-Channelmanagerin Totzauer ihre Kandidatur bekanntgab, soll Zach nach #doublecheck Informationen aus seinem Freundeskreis in einem Rundruf die Devise ausgegeben haben: Roland Weißmann muss es im ersten Wahlgang werden.

Lisa Totzauer

Lisa Totzauer

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Nach der Grasl-Pleite 2016 musste es klappen

Es hat geklappt, die Erleichterung war Zach fast anzuhören: "Ich bin froh, dass wir diesen Prozess heute gut abgeschlossen haben. Ich freue mich darüber, dass es eine breite Mehrheit gibt für den neu gewählten Generaldirektor." Zach wollte kein Risiko eingehen. Der alte Fuchs Wrabetz sollte der ÖVP nicht noch einmal ein Schnippchen schlagen wie 2016. Damals hat sich der Niederösterreicher Richard Grasl schon im Chefsessel gesehen, aber Wrabetz hatte die Mehrheit für sich noch einmal organisiert. Diesmal musste er seine Niederlage eingestehen: "Die Regierung hat entschieden, mich abzusetzen", so formulierte es Wrabetz.

Alexander Wrabetz

Alexander Wrabetz

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Die Grünen machen der ÖVP die Räuberleiter

Bis Sonntag hatte sich Wrabetz noch Hoffnungen gemacht, dass sich eine von den SPÖ-Vertretern organisierte Mehrheit für ihn finden könnte. Doch Montag früh war alles klar: die drei Grünen Siftungsräte würden der Wahl Weißmanns zustimmen, sie erhielten dafür Mitsprache bei der Zusammensetzung des Teams und schlugen den bisherigen Ö3-Chef Georg Spatt als Programm-Direktor und die ORF3-Geschäftsführerin Eva Schindlauer als Kaufmännische Direktorin vor. Offiziell will Weißmann davon nichts wissen, auch nicht von Absprachen mit der ÖVP, was seine Wahl betrifft: "Mit mir wird es und hat es nie Absprachen gegeben."

Entlarvende Screenshots werden weggeredet

Dass kurz vor seiner Bestellung ein Screenshot von einer Videokonferenz aufgetaucht ist, die Weißmann inmitten des ÖVP-Freundeskreises zeigt, ist entlarvend, wird aber weggeredet. Er selbst und ÖVP-Freundeskreisleiter Zach reden von "Kontakten mit Stakeholdern" – gemeint ist der ebenfalls anwesende Medienbeauftragte des Kanzlers, Gerald Fleischmann. Solche Kontakte seien normal, ja wünschenswert, so Weißmann und Zach.

"Entweder sind wir naiv oder wir sind korrupt"

Tarnen und Täuschen, davon hält Eva Blimlinger, die Mediensprecherin der Grünen nichts. Sie hat schon im Vorfeld der Wahl immer wieder davon gesprochen, dass man gegen die ÖVP-Mehrheit zwar nicht den ORF-Chef bestimmen könne, aber als kleinere Regierungspartei personell mitmischen wolle: "Tatsache ist, dass im Vorfeld die Stiftungsräte über Personalfragen – sprich wer wird Direktorin oder Direktor – natürlich gesprochen haben. Wäre ja auch naiv anzunehmen, dass dem nicht so ist." Und Blimlinger auf den Vorhalt, dass die ÖVP-Seite der Öffentlichkeit also offenbar etwas vorspiele: "Wenn wir sagen, wir spielen dieses Spiel nicht, wenn wir mitspielen, sind wir korrupt. Was ist das Ausweg aus dieser Lose-lose-Situation?"

Hoffen auf Unabhängige im Weißmann-Team

Die Mediensprecherin bringt damit auf den Punkt, welch schwierigen Job der Sprecher der Grünen Stiftungsräte, Lothar Lockl, für die Grünen erledigt hat. Sehr zum Missfallen vieler Funktionäre. Durch unabhängige Direktoren und Direktorinnen, so das Kalkül von Lockl und wohl auch der Grünen Parteispitze, werde man im Fall des Falles verhindern können, dass von der ÖVP ungeliebte Sendungen - als Beispiel wird hier gern das Satireformat "Willkommen Österreich" von Dirk Stermann und Christoph Grissemann genannt - eingestellt werden.

Keine Aussicht auf Änderung des Systems

Dass die Bestellung eines ORF-Chefs so abläuft, wie sie abgelaufen ist, damit sei man alles andere als glücklich, sagen die Grünen. Dem könnte man nur mit einer Gremienreform Einhalt gebieten, die stehe aber bei der ÖVP "auf der Prioritätenliste für Änderungen im ORF-Gesetz ganz unten", sagt Eva Blimlinger. Was nicht verwundert, da es immer die Kanzlerpartei ist, die vom System am meisten Einfluss zugeschrieben bekommt und somit auch am meisten profitiert.

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