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Impfgegner im Oberösterreich-Landtag
Boost aus der Corona-Parallelwelt
Im zweiten Herbst der Pandemie ist jetzt sogar eine Impfgegner-Partei in einen Landtag eingezogen. Das oberösterreichische Wahlergebnis darf auch als Fingerzeig für den Bund gewertet werden, der sich in Sache Impfen und Pandemie-Management keinen klaren Kurs mehr zu fahren traute. Corona-Skeptiker haben da leichtes Spiel, ihren Boost holen sie sich über die Sozialen Netzwerke.
1. November 2021, 02:00
Die Botschaft aus Linz hat auch der Gesundheitsminister in Wien verstanden: "Das Wahlergebnis aus Oberösterreich zeigt deutlich, dass wir noch mehr über die Impfung und ihre Wirksamkeit aufklären müssen. Denn die wissenschaftlichen Fakten zeigen ganz klar: Die Impfung ist sicher." Das hat Wolfgang Mückstein noch am Wahlabend getwittert, es war wohl vor allem an die Adresse des Koalitionspartners ÖVP, deren Obmann Kanzler Sebastian Kurz die Pandemie trotz zu geringer Durchimpfung schon vor dem Sommer für beendet erklärt hat.
Ein Fingerzeig aus Linz für den Bund
Die Gruppierung "Menschen Freiheit Grundrechte" – Kurzbezeichnung: MFG – hat also drei Mandate im oberösterreichischen Landtag erzielt. Ihre Spitzenvertreter tun sich in Nachwahl-Interviews mit Falschbehauptungen zum Impfen und zur Belegung von Intensivstationen mit Geimpften hervor - es ist schwierig, da live dagegenzuhalten. Die Interviewer und Interviewerinnen versuchen es zumindest. Auf Social Media hält niemand dagegen, da schaukelt sich alles noch auf. "Ohne die Sozialen Medien wäre MFG nicht in den oberösterreichischen Landtag eingezogen", sagt Markus Zimmer.
Ohne Geld zu Millionen-Klubförderung
Zimmer hat mit seiner Agentur BuzzValue den Wahlkampf analysiert und schon im Vorfeld der Wahl darauf hingewiesen, dass die neu gegründete Partei online für große Aufmerksamkeit sorge. Deren Videos und Artikel wurden innerhalb weniger Wochen mehr als 200.000 Mal auf Facebook geteilt, geliket und kommentiert, die Zahl der Interaktionen war damit fast fünfmal größer als bei den Grünen. Für Werbung wiederum haben die Grünen zehnmal so viel ausgegeben. MFG hat gerade einmal 8000 Euro ausgegeben – und kann sich nun über Partei- und Klubförderung von mehr als einer Million Euro pro Jahr freuen – mehr als sechs Millionen über die in Oberösterreich sehr lange Legislaturperiode.
Auf dem Telegram-Kanal in den Landtag
Die MFG-Gruppierung profitiere von einer Anti-Impf-Stimmung, sagt die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig. Und diese Stimmung sei auf Facebook anzutreffen, vor allem aber auf dem Messenger-Dienst Telegram. Weil die FPÖ in Oberösterreich an der Regierung beteiligt ist, sei es für MFG einfacher, bei diesem Einzelthema auch mit Kritik am politischen Establishment zu punkten, sagt Brodnig.
Social Media als "Geister, die ich teilte"
Fragwürdige Behauptungen würden sich auf den Kanälen genauso finden wie Falschmeldungen - wie jene von den mehr als 5000 Todesfällen nach der Impfung in den USA, bei denen es sich in Wirklichkeit um Verdachtsfälle handelt. Fake News haben oft mit Emotionen zu tun, sagt der Satiriker Fritz Jergitsch, der in seinem Buch "Die Geister, die ich teilte" durch die Sozialen Medien die Freiheit bedroht sieht. Je mehr Emotionen, desto größer sei die Sichtbarkeit durch die Algorithmen. Ein Teufelskreis.
Aus Likes wurde eine analoge Kampagne
Wenig Budget, keine bestehende Struktur, kaum Präsenz in den klassischen Medien – da war es für MFG ein Gebot der Stunde, über die Sozialen Medien an die Zielgruppe heranzukommen. So die Einschätzung von Ingrid Brodnig. Dadurch habe man Menschen erreicht, die wiederum bereit waren, auch außerhalb des Internets für Sichtbarkeit zu sorgen - etwa durch das Verteilen von Zetteln und Broschüren oder mit Aufklebern auf dem eigenen Auto. So wurde eine Kerngruppe mobilisiert, die im Wahlkampf für MFG gelaufen ist.