
APA/AFP/WAKIL KOHSAR
Spielräume
Afghanistans klingende Farbenpracht
Wortwörtlich bedeutet Afghanistan "Land der Afghanen". Die persische Endung -stan steht für Platz, Ort, an dem man steht. Mit den Millionen Afghan/innen, die aufgrund politischer und kriegerischer Konflikte in der Diaspora leben, kann man getrost sagen: Afghanistan liegt auch außerhalb seiner eigentlichen Landesgrenzen, an vielen Orten dieser Welt.
4. April 2022, 02:00
Die größten diasporischen Communitys gibt es im Iran und in Pakistan. In Österreich bilden die Afghan/innen mit 44.000 Menschen (Statistik Austria 2021) die größte asiatische Community des Landes. Die meisten von ihnen leben in Wien, wo es ein reges afghanisches Musikleben gibt. Je nachdem, zu welcher Zeit die Menschen Afghanistan verlassen haben, unterscheiden sich ihre Erfahrungen mit Musik in ihrem Heimatland mitunter drastisch. Von der Blütezeit der afghanischen Musik in den 1960er, 70er und 80er Jahren bis hin zum Musikverbot durch die Taliban 1996, das im vergangenen Sommer erneut verhängt wurde.
Kulturvereine organisieren Konzerte und Clubbings
Gute 4.000 km Luftlinie von dem Verbot entfernt, sind es hierzulande im privaten Bereich vor allem Hochzeitsfeiern, bei denen musiziert und getanzt wird. Afghanische Kulturvereine organisieren zudem regelmäßig Konzerte und Clubbings. Internationale afghanische Stars wie der in den USA lebende Farhad Darya oder die in London beheimatete Sängerin und Frauenrechtsaktivistin Aryana Sayeed füllen dann Veranstaltungssäle wie die Gasometer in Wien. Sie singen in nicht pandemischen Zeiten vor ausverkauften Sälen, das Publikum reist teils extra aus dem Ausland an.
Afghanische Musikstars in Wien
Einer der Stars der internationalen afghanischen Musikszene lebte jahrzehntelang - und bis vor Kurzem - im fünften Wiener Gemeindebezirk: Dawood Sarkhosh. Er ist Volksgruppenangehöriger der Hazara und hat mit seinem Hit Sarzamin-e-man (Meine Heimat) bereits 1998 den geflüchteten Afghan/innen aus der Seele gesprochen. Einer jüngeren Generation gehört Haroon Andeshwar an. Als er 2012 an der begehrten afghanischen TV-Castingshow Afghan Star teilnahm, erreichte er den zweiten Platz. Heute wohnt und arbeitet der Sänger in Wien. Von hier aus verfolgt auch der Musiker Masih Shadab eine internationale Karriere. In seinen Videoclips verschmilzt afghanische Musik mit der Kulisse der neuen Heimat, etwa bei einer Fiakerfahrt zu den Beats des Afghan Pop.
Unbeachtet von Medien und Mehrheitsbevölkerung
All das findet "unbeachtet von Medien und Mehrheitsbevölkerung statt", schreibt Marko Kölbl. Er ist Senior Scientist am Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Hier forscht er seit 2014 zum Musikleben in der afghanischen Diaspora, zur Bedeutung von Musik im Kontext von Flucht. "Das afghanische Kulturleben in seiner Diversität und Afghan/innen als kulturelle Akteur/innen wahrzunehmen, würde positive Assoziationen mit der afghanischen Community etablieren - Konnotationen, die momentan im öffentlichen Diskurs nicht vorkommen." Mit einem kleinen Programmschwerpunkt lade ich herzlich dazu ein, sich von der klingenden Farbenpracht der afghanischen Musik und der Warmherzigkeit ihrer Akteur/innen inspirieren zu lassen, etwas über Kulturtransfer zu erfahren oder auch den "Elvis von Afghanistan" kennenzulernen.
Gestaltung: Marie-Theres Himmler