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ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Koalition legt Medienpaket vor

Plötzlich nicht mehr unauffällig

Nach einer bisher unauffälligen Medienpolitik kommt jetzt Bewegung in die Reformpläne der Koalition. Entwürfe für eine Verdreifachung der Medienförderung und für eine Verbesserung der Transparenz bei öffentlichen Inseraten wurden vorgelegt - ein realpolitischer Kompromiss mit durchaus erfrischenden Ansätzen: Die neue Journalismus-Förderung soll nach Qualitätskriterien vergeben werden. Auch Gratiszeitungen sowie reine Online-Medien können davon profitieren, Parteizeitungen sind ausgenommen.

Zu den verbleibenden 8 Millionen Euro aus der alten Presseförderung kommen 20 Millionen Euro neue Journalismus-Förderung dazu. Die neue Förderung gilt erstmals auch für Gratiszeitungen, Monatszeitungen und reine Online-Medien - wobei hier die Definition sehr umstritten ist.

Online nur in Rumpfversion dabei

40 Millionen Zeichen pro Jahr soll der Inhalt laut Entwurf umfassen, viel zu viel, sagt Daniela Kraus vom Presseclub Concordia, das erreiche kein Qualitätsmedium: "Ich glaube ehrlich gesagt, dass es sich dabei um einen Irrtum handelt. Wenn die Intention ist, auch Onlinemedien zu fördern, dann muss das korrigiert werden." Die Koalition hat die Bereitschaft dazu erkennen lassen. Journalistische Podcasts und Video-Inhalte sind nicht in der Förderung - und das bleibt so, da konnten sich ÖVP und Grüne nicht einigen - ein Manko, kritisiert Kraus.

Fellner und der Werbe-Kollektivvertrag

Die neue Förderung greift, wenn mindestens drei hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten bei einem Medium beschäftigt sind. Sie müssen nach dem Journalisten-Kollektivvertrag oder vergleichbaren Kollektivverträgen angestellt sein, hier könnte die oe24-Gruppe von Wolfgang Fellner ein Problem bekommen: Dort gilt seit einigen Jahren der Kollektivvertrag für Werbung, der auch nicht "vergleichbar" sein dürfte - wie es der Entwurf zumindest verlangt. Fellner kämpft vor Gericht – die Sache liegt beim Oberlandesgericht Wien - auch um die alte Presseförderung, auf die er mit seiner Gratis-Zeitung keinen Anspruch hat.

10.000 Euro je Auslands-Korrespondent

Wie wirkt sich die neue Förderung in den Redaktionen aus, wenn man sie kriegt? Für die ersten dreißig Journalistinnen und Journalisten beträgt die Förderung 8000 Euro pro Person, darüber wird es dann weniger. Für jeden Auslands-Korrespondenten und jede Korrespondentin sind 10.000 Euro Förderung vorgesehen. Die während der Pandemie hochgelobten Wissenschaftsjournalistinnen sind nicht eigens berücksichtigt, angeblich gleichheitswidrig, sagt die Koalition. Daniela Kraus widerspricht: "Das ist eine Frage des politischen Willens, ob man den Wissenschaftsjournalismus drin haben will oder nicht. Und ich sehe eigentlich keinen Grund, warum das nicht so sein soll."

Bonus auch für Fehlermanagement

Pro Redaktion, egal wie groß, darf die neue Journalismus-Förderung 1,5 Millionen Euro nicht überschreiten. Allerdings werden nur wenige Redaktionen in die Nähe dieses Limits kommen. Zu der Grundförderung kommen Bonuszahlungen dazu - wenn es etwa ein Redaktionsstatut, Fehlermanagement und Frauenförderpläne gibt. Oder wenn gute regionale und/oder internationale Berichterstattung geboten wird.

Blinder Fleck und Stiefkind Presserat

Einen blinden Fleck sieht Daniela Kraus beim Presserat, dem Selbstkontrollorgan der Zeitungen - dem nicht alle angehören: "Aus Sicht des Presseclubs Concordia ist wirklich unverständlich, warum die Mitgliedschaft im Presserat kein Qualitätskriterium ist. Ich sehe insgesamt in dem Paket eine Schwächung des Presserats. Das ist einer der ganz wenigen Bereiche, der nicht erhöht wurde. Also 150.000 Euro Förderung kriegt der Presserat seit vielen, vielen Jahren - nicht inflationsangepasst. Und jetzt wieder nicht. Das ist de facto eine Kürzung."

Alte Förderung für Parteiblatt bleibt

Noch einen blinden Fleck gibt es, nämlich beim Thema Parteizeitungen: Die sind von der Journalismus-Förderung zwar ausgeschlossen, das "Volksblatt" von der ÖVP Oberösterreich kriegt aber weiter - so wie "Standard", "Presse" und "Neue Vorarlberger Tageszeitung", die dem Monopolisten Eugen Ruß gehört - die sogenannte besondere Presseförderung. Dass die bestehen bleibt, also auch für das ÖVP-"Volksblatt", ist ein Zugeständnis der Grünen an die ÖVP.

Ein Verbot für öffentliche Stellen, in Parteimedien zu inserieren wie neuerdings in Vorarlberg, kommt nicht. Es ist in einer frühen Phase der Verhandlungen diskutiert worden, man habe aber dann gesehen, dass es in der Frage keinen Konsens geben wird, heißt es.

Hoffnung auf lückenlose Transparenz

Stichwort Transparenz: die soll verbessert werden bei öffentlichen Inseraten, Umgehungsmöglichkeiten werden gestrichen, jedes Inserat in jeder Zeitung - egal wie oft sie erscheint - muss ab einem Euro gemeldet werden. Das müsse man anerkennen, meint Daniela Kraus: "Es wird nichts auf einen Schlag ändern, aber wir werden es leichter haben zu sehen, wofür das Geld eingesetzt wird. Und das ist einmal ein guter Schritt." Wie steht Österreich damit im internationalen Vergleich da? Kraus: "Diese Debatte wird in anderen Ländern überhaupt nicht auf diese Art und Weise geführt, weil in anderen Ländern es absolut undenkbar wäre, dass diese Volumina an öffentlichen Inseraten überhaupt geschaltet werden."

Koalition redet Deckel für Inserate weg

Eine Deckelung der öffentlichen Inserate ist diskutiert worden, kommt aber nicht. ÖVP und Grüne argumentieren technisch, aber das ist nicht sehr überzeugend. Viel eher gehen sie der Auseinandersetzung mit dem Boulevard aus dem Weg, der am meisten vom Inseraten-Unwesen profitiert und in der Frage immer schon Druck gemacht hat. Dabei ist Österreich angesichts der Medienkorruptions-Vorwürfe gegen ÖVP-Politiker ein gebranntes Kind. Daniela Kraus: "Theoretisch finde ich, dass dieser Deckel nicht notwendig sein sollte. Wir kennen aber die österreichische Praxis und aus der heraus wäre es sicher sinnvoll, wenn es einen Deckel geben würde."

Vollbremsung für die "Wiener Zeitung"

Mit der neuen Medienförderung kommt auch das Aus für die dem Bund gehörende "Wiener Zeitung" als Tageszeitung. Die Regierung will aus der Marke eine Einrichtung nach dem Vorbild der deutschen "Bundeszentrale für politische Bildung" machen, die hat dort 70 Jahre Tradition. Die Zeitung selbst wird nur noch online und zehnmal im Jahr als Print-Monatszeitung erscheinen und ein "Aus- und Weiterbildungs-Medium" sein. Für die Redaktion schießt die Regierung rund sechs Millionen Euro zu, das ist die Hälfte dessen, was für den Erhalt der Tageszeitung nötig wäre.

"Totengräber eines speziellen Produkts"

Die "Wiener Zeitung" hat 300 Jahre Tradition, aber zu wenig Leser. Es ist aber auch nie in das Marketing investiert worden, man hat keine Abonnenten-Pflege betrieben, auch Beteiligungen von außen wurden nie ernsthaft geprüft. Bitteres Fazit vom Medienwissenschafter Fritz Hausjell: "Ich glaube, dass das sogar der schnelle Tod der Wiener Zeitung ist und dass diejenigen, die das jetzt beschließen, sich klar sein müssen: Sie werden in die Geschichte ganz unrühmlich als die Totengräber eines ganz speziellen publizistischen Produktes eingehen."

Markt für Aus- und Fortbildung gestört?

Die andere Hälfte zahlt der Bund auch - aber eben für Journalisten-Ausbildung, was Daniela Kraus vom Presseclub Concordia problematisch findet: "Journalistenausbildung darf nicht stattfinden in einer Institution, die unmittelbar dem Bundeskanzler untersteht. Das ist langfristig nachhaltig gefährlich." Und Kraus sieht auch die Höhe von fünf Millionen Euro kritisch: "Das ist ein Budget, das ungefähr zehnmal so hoch ist wie das Budget der anderen Jounalistenausbildungs-Einrichtungen, die es im Land gibt. Damit radiert man alles andere, was existiert, aus."

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