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Bundespressekonferenz
Wo die Medien den Takt vorgeben
Die Aufarbeitung der multiplen Journalismus-Krisen in Österreich läuft schleppend. Was kann die Branche tun, um das Verhältnis zwischen Medien und Politik neu zu sortieren? Als internationales Vorbild in der Hinsicht gilt die Bundespressekonferenz in Deutschland.
2. Jänner 2023, 02:00
Andere Länder, andere Sitten. Während Journalistinnen und Journalisten in Österreich mitunter darauf hoffen müssen, dass Regierungspressesprecher am Telefon abheben, sitzen sie in Deutschland dreimal die Woche in der Bundespressekonferenz, um Rede und Antwort zu stehen. Immer montags, mittwochs und freitags wird der Regierung den Taktstock in Sachen Kommunikation aus der Hand genommen.
Kein Entkommen vor kritischen Fragen
Organisiert wird die Bundespressekonferenz, kurz BPK, durch den gleichnamigen Verein, bestehend aus 900 Parlamentskorrespondentinnen und -korrespondenten. „Bei der Bundespressekonferenz laden Journalisten ein und Politiker sind die Gäste“, erklärt Mathis Feldhoff. Der ZDF-Journalist ist der aktuelle BPK-Vorsitzende. "Es gelten unsere Regeln und unsere Traditionen. Um es ganz platt zu sagen: bei uns geht man erst, wenn man die letzte Frage beantwortet hat." Jeder und jede kommt dran, immerhin leiten die Journalistinnen und Journalisten die Konferenzen selbst. Unliebsamen Fragen auszuweichen oder kritische Anfragen tagelang einfach ignorieren, wird da schwer.
Gründung als Lehre aus der NS-Zeit
Gegründet wurde die Bundespressekonferenz vor mehr als 70 Jahren, als Reaktion auf die NS-Zeit. Damals waren die Medien bei den "Reichspressekonferenzen" Teil der Propaganda. Nach 1949 wollte man sich nicht mehr von der Regierung, auch nicht von der demokratisch gewählten, einspannen lassen. Heute ist die Bundespressekonferenz ein Sinnbild für unabhängige Medien und Pressefreiheit - und international einmalig. Selbst im Weißen Haus ist die Presse nur zu Gast. Ob der US-Präsident dort bei den "Pressbriefings" erscheint oder nicht, welche Fragen er annimmt, darüber bestimmt nur er alleine.
Ein Allheilmittel gegen „Message Control“ ist das Modell Bundespressekonferenz freilich nicht, sagt Feldhoff. Auch bei der BPK werden oft nur "vorbereitete Sprechzettel" vorgetragen. "Man kann nur hoffen, dass unser Instrument des Fragenstellens im Zweifel den Scheinwerfer darauf richtet, was nicht gesagt wird." Immerhin würden auch Nicht-Antworten einiges verraten.
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Ein Fixpunkt im Journalisten-Alltag
Die Bundespressekonferenz ist jedenfalls ein Fixpunkt im deutschen Journalismus-Alltag, weiß auch Andreas Jölli. Der ORF-Korrespondent berichtet seit bald neun Jahren aus Deutschland. Dreimal in der Woche die Möglichkeit zu bekommen, die Regierung mit allen möglichen Themen zu konfrontieren, sei im Vergleich zu Österreich ein Vorteil. "Man kann sie über die Arbeit befragen, man kann Themen setzen und sie löchern. Eine Stunde und auch mehr." Nämlich so lange, bis die letzte Frage beantwortet ist. Allerdings erscheinen bei der BPK nur die Sprecherinnen und Sprecher und nicht die Politiker selbst. Beim österreichischen Pendant, dem wöchentlichen Pressefoyer nach dem Ministerrat, sei das lange besser gewesen, sagt Jölli. Mittlerweile tauchen die Regierungsverantwortlichen dort allerdings auch nur noch spärlich auf.
"Hintergrundgespräche" im kleinen Kreis
Florian Gasser, Leiter der Österreich-Seiten der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit", könnte sich eine österreichische Bundespressekonferenz durchaus vorstellen. Auch vor dem Hintergrund, dass hierzulande sogenannte Hintergrundgespräche üblich sind. Das sei problematisch, weil dort die Ministerien entscheiden, wer eingeladen wird und die Gespräche teilweise auch vertraulich sind. Ein "Unding", sagt Gasser. Jüngstes Beispiel: erst diese Woche veranstaltete Bundeskanzler Karl Nehammer ein exklusives Hintergrundgespräch. Eingeladen war ein ausgewählter Kreis an Medien, die erst nach einer langen Sperrfrist über das Gesagte berichten durften. Das glatte Gegenteil zur deutschen BPK.
Ist Österreich reif für das Vorbild BPK?
Der Presseclub Concordia hält die Idee der Bundespressekonferenz prinzipiell für gut, konkrete Überlegungen, das für Österreich zu übernehmen, gibt es derzeit aber nicht. Der Ball liege bei den Medien, die aktuellen Krisen könnten ein Zeitfenster sein. Florian Gasser: "Man müsste so ein Momentum schaffen. Man müsste es schaffen, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen und sagen: So, wir machen das jetzt." Auch Mathis Feldhoff von der Bundespressekonferenz in Berlin macht Mut. Der Weg, dass Medien sich selbst organisieren, lohne sich immer. Allerdings brauche es auch eine Politik, die bereit ist, für Pressefreiheit einzustehen. Und zumindest etwas kommunikative Kontrolle aus den Händen zu geben.